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News: Menschliche Föten gegen Veitstanz

Dürfen menschliche Föten als Forschungsobjekte genutzt werden? Eine schwierige Frage, über die weltweit gestritten wird. Viele Staaten, so auch Deutschland, verbietet diese Forschung. Französische Wissenschaftler haben jetzt versucht, mit fötalem Hirngeweben Patienten zu heilen, die an der Erbkrankheit Chorea Huntington leiden.
Eine kleine Veränderung auf Chromosom vier hat gravierende Folgen. Hier liegt das Allel, das die Krankheit Chorea Huntington, den Veitstanz, auslöst. Träger des Allels zeigen bis ins mittlere Lebensalter keinerlei Symptome. Doch dann schlägt die Krankheit zu. Die Nervenzellen des Corpus striatum im Großhirn werden nach und nach zerstört; die Folgen sind zunächst Bewegungsstörungen, dann Persönlichkeitsveränderungen und Demenz, schließlich folgt unweigerlich der Tod. Heilung gibt es bisher keine. Fatalerweise vererbt sich die Krankheit dominant, das bedeutet, jeder, der das Huntington-Allel trägt, wird mit absoluter Sicherheit das Leiden entwickeln.

Aus Tierversuchen an Ratten und Affen ist bereits bekannt, dass die Transplantation fötaler Nervenzellen in das Gehirn des erkrankten Tieres die Symptome vermindern kann. Wissenschaftler drängen daher, dies auch am Menschen zu testen. Experimente mit menschlichen Embryonen und Föten sind jedoch in vielen Ländern, so auch in Deutschland, verboten. Andere Länder, wie Australien, haben die Forschung frei gegeben. In den USA wird sie nur in privaten Labors geduldet.

Jetzt hat Frankreich einen Vorstoß in Richtung eines therapeutischen Einsatzes von embryonalen Stammzellen gewagt. Französische Wissenschaftler berichten, dass sie mit fötalen Nervenzellen den Veitstanzes erfolgreich behandeln konnten (The Lancet vom 2. Dezember 2000).

Unter der Leitung von Marc Peschanski vom Institut nationale de la santé et de la recherche médicale in Créteil injizierten die französischen Wissenschaftler Striatumzellen von sieben bis neun Wochen alten Föten zunächst in das rechte Striatum von fünf Patienten, die erst leichte Symptome der Chorea Huntington zeigten. Nach einem Jahr Beobachtung erfolgte auf der linken Seite des Gehirns die gleiche Behandlung. Durch Immunsuppressiva verhinderten die Forscher die Abstoßung des fremden Gewebes. Ein weiteres Jahr später führten sie mit ihren Patienten neurologische und psychiatrische Tests durch. Es zeigte sich, dass sich der Zustand von drei der fünf Patienten nicht verschlechtert oder sogar leicht gebessert hatte, während in der unbehandelten Kontrollgruppe mit 22 Erkrankten in der gleichen Zeit die Symptomatik deutlich zunahm. Bei Messungen mit Magnetresonanz-Spektroskopie und Positronen-Emmissions-Tomographie fanden die Wissenschaftler erhöhte oder zumindest stabile Stoffwechselaktivitäten im Striatum der drei Patienten. Das fötale Nervengewebe hatte offensichtlich den Krankheitsverlauf zumindest verzögert. Bei den beiden anderen Erkrankten, die genau gleich behandelt waren, versagte dagegen die Therapie.

Jetzt beginnt die Diskussion über das Für und Wider dieser Therapie. "Es ist eine sehr interessante Arbeit", meint Christopher Ross von der Johns Hopkins University in Baltimore, "aber es ist riskant, weil es Injektionen ins Gehirn erfordert." Der schwedische Forscher Ole Lindvall von der Lund University hält die Arbeit seiner französischen Kollegen zwar für durchaus "ermutigend", bleibt jedoch skeptisch, da die Studie nur auf fünf Patienten beruht und nicht sicher ist, "ob das Striatum-Transplantat lange genug überlebt und funktioniert, um eine weitere sichtbare klinische Verschlechterung zu verhindern".

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