Astronomie mit dem Fernglas: Ein unterschätzter Sternhaufen

Das Sternbild Schütze (lateinisch: Sagittarius) befindet sich weit südlich im Tierkreis und gelangt deshalb nicht sehr hoch über den mitteleuropäischen Horizont. Doch gerade hier wimmelt es nur so von interessanten Objekten. Beim Blick durch ein Fernglas zeigen sich Sternhaufen und leuchtende Gasnebel; hinzu kommt ein an Dunkelwolken und hellen Sternwolken reicher Milchstraßenhintergrund. Da kann man schon mal ein Objekt links liegen lassen, das an anderer Stelle am Himmel als spektakulär gelten würde. Wäre ein Beispiel gefällig? Dann Hand aufs Herz: Wann haben Sie den Sternhaufen Messier 23 zuletzt beobachtet? Mit einer Gesamthelligkeit von 5,5 mag, einer Winkelausdehnung von mehr als zwei Drittel Grad und Sternen ab der 9. Größenklasse wäre er anderswo am Himmel das Highlight des Sternbilds.
Hilfreich beim Aufsuchen von Messier 23 ist, dass der Umriss des Sternbilds Schütze an ein vertrautes Küchenutensil erinnert (siehe »Kosmische Teekanne«). Der 3,0 mag helle Stern Gamma Sagittarii (γ Sgr) bildet die Tüllenspitze einer gedachten Teekanne. Beinahe genau nördlich von γ Sgr befindet sich der Sternhaufen Messier 23. Ein Schwenk dorthin führt an dem auffälligen Gasnebel und Sternhaufen Messier 8, einer prächtigen Sternentstehungsregion, vorbei.
Da sich das Licht der Haufensterne auf eine Himmelsfläche größer als der Vollmond verteilt, erscheint Messier 23 in einer aufgehellten Nacht lediglich als blasser, matschiger Fleck am Himmel oder wird sogar übersehen. In einer dunklen Nacht dagegen erkennen Sie durch ein gut abgestütztes 10 × 50- oder 12 × 50-Fernglas in einer nebelhaften Ansammlung aus nicht voneinander trennbaren schwächeren Sternen viele einzelne Haufenmitglieder. Eine Sternkette reicht rund 20 Bogenminuten aus dem Haufen heraus nach Nordwesten zum 6,5 mag hellen Stern HIP 87782 (siehe »Inmitten des Sternenmeers«).
Ein Teleskop löst zwar die vielen Haufensterne besser auf, aber im großen Gesichtsfeld eines Fernglases zeigt sich Messier 23 viel besser abgegrenzt, und in einer dunklen Nacht auf dem Land scheint dieses Objekt geradezu vor der Milchstraße zu schweben. Dank des Astrometriesatelliten Gaia ließ sich die Entfernung des Haufens von 2420 Lichtjahren mit hoher Genauigkeit ermitteln. Dementsprechend befindet sich Messier 23 auf etwa halbem Weg zwischen uns und dem Sagittarius-Spiralarm unserer Galaxis. Obwohl der Sternhaufen mit rund 300 Millionen Jahren ein fortgeschrittenes Alter aufweist, ist er im Vergleich zu anderen Objekten dieser Art nicht hochbetagt. Seine dennoch recht lockere Struktur deutet darauf hin, dass sich der Sternenverband bereits auflöst. Dieser Zerfall geht vor allem auf das Konto starker Gezeitenkräfte in den inneren Bereichen des Milchstraßensystems. Genießen Sie den Blick auf ein schönes, oft übersehenes Deep-Sky-Objekt!
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