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Optischer Chip: Metamaterial lässt Licht im Gleichschritt marschieren

Ein neues Metamaterial stellt seltsame Dinge mit dem Licht an: Sein Brechungsindex von null ermöglicht vielleicht ganz neue Anwendungen in der Optoelektronik.
Laser im Labor

Eine große Hoffnung für die Computertechnik der Zukunft liegt in der so genannten Optoelektronik, bei der elektronische mit optischen Komponenten verschmolzen sind. Damit lassen sich Vorteile herkömmlicher elektronischer Computerbauteile mit denen des Lichts verbinden – dessen Geschwindigkeit beispielsweise oder seine Fähigkeit, große Datenmengen zu übertragen. Eine nicht unerhebliche Schwierigkeit bei diesen integrierten photonischen Chips besteht allerdings darin, mit Lichtstrahlen solche komplexen Signalwege zu realisieren, wie sie in der Elektronik gang und gäbe sind. Eine Gruppe von Forschern um Eric Mazur von der Harvard University haben nun ein besonderes Metamaterial hergestellt, das einen Brechungsindex von null besitzt und helfen könnte, einige dieser Probleme zu lösen.

Das Material besteht aus einem Silizium-Wellenleiter von einem halben Mikrometer Dicke, in dem die Wissenschaftler mit Hilfe von Elektronenstrahl-Lithografie und anschließendem Plasma-Ätzen eine Matrix aus winzigen Siliziumsäulen erzeugt haben. Oben und unten schließt ein hauchdünner Goldfilm den Wellenleiter ein.

Überlichtschnelles Licht?

Wie die Messungen zeigten, besitzt dieses Metamaterial im nahen Infrarotbereich einen Brechungsindex von null. Das führt unter anderem dazu, dass die Phasengeschwindigkeit von Infrarotlicht dort gegen unendlich geht. Deshalb schwingt eine Lichtwelle überall im Wellenleiter in gleicher Phase. Das vereinfacht ein Problem beim Design optoelektronischer Chips enorm: Denn so lassen sich Superkoppler realisieren, die verschiedene Komponenten mit geringen Verlusten verbinden und automatisch im Takt bleiben. Die "unendlich hohe Lichtgeschwindigkeit" innerhalb des Wellenleiters steht auch nicht im Widerspruch zur einsteinschen Relativitätstheorie, da durch die Phase allein (und nur diese wird innerhalb des Materials unendlich groß) keine Information übertragen wird. Infrarot wählten die Forscher deshalb, weil dies die üblichen Wellenlängen in der Glasfaser-Telekommunikation sind.

© Mazur Group / Harvard SEAS
Metamaterial in Aktion
Das mit einem Infrarotmikroskop gefilmte Video zeigt, wie Infrarot-Lichtstrahlen verschiedener Wellenlängen (1480 bis 1640 Nanometer) von dem am unteren Bildrand befindlichen Material gebrochen werden. Bei 1580 Nanometern steht der Lichtstrahl genau senkrecht zur Oberfläche des Metamaterials. Das Licht selbst wird von links unten in einem Wellenleiter eingeleitet, der in einem 45-Grad-Winkel an das Metamaterial angelegt ist.

Eine andere überraschende Eigenschaft von Materialien mit verschwindendem Brechungsindex ist der extreme Beugungseffekt. Generell laufen Lichtstrahlen, die in ein optisch dichteres Medium eintreten, in einem – zum Lot gesehen – flacheren Winkel weiter. Man kennt den Effekt aus dem Schwimmbad, wenn die Beine unter Wasser kürzer erscheinen, oder aus dem Cocktailglas, in dem der Strohhalm scheinbar einen Knick macht. Bei einem Brechungsindex von null wird dieser Effekt extrem: Alle Lichtstrahlen werden exakt parallel zum Lot gebrochen. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten, auf kleinem Raum integrierte optische Komponenten für die Informationsverarbeitung zu bauen.

Noch besitzt die Fertigung des Metamaterials ihre Tücken. "Wir mussten viele dieser Geräte bauen, bis eines funktioniert hat", sagt Eric Mazur. Die Wissenschaftler sind aber dabei, die nötigen Prozessschritte zu optimieren, und erwarten in Zukunft einen sehr viel geringeren Ausschuss. Mit diesem Material könnten sich auch Laser designen lassen, die dank der Phasengleichheit gleichmäßig von ihrer Oberfläche abstrahlen. Mit weiteren Verbesserungen könnten sich sogar ganz neue Gebiete erschließen, von "Ein-Chip-Laboren" für plasmonische, akustische oder seismische Untersuchungen bis hin zu Anwendungen in der Quantenphysik.

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