Direkt zum Inhalt

El-Ali-Meteorit: Der geheimnisvolle Schmuggel eines Meteoriten

Jahrtausendelang ruhte der Steinbrocken aus dem All in Somalia. Doch dann ist er auf mysteriöse Weise verschwunden: Nachforschungen offenbaren eine Geschichte voller Geheimnisse, Korruption und Gewalt.
Eine nächtliche Wüstenlandschaft mit sanften Sanddünen im Vordergrund, beleuchtet vom Mondlicht. Am klaren Sternenhimmel ist ein heller Komet mit einem langen Schweif zu sehen, der von links oben nach rechts unten verläuft. Die Szene vermittelt eine ruhige und majestätische Atmosphäre.
Vor Tausenden von Jahren stürzte ein Meteorit über der Wüste im heutigen Somalia ab.

Vor Tausenden von Jahren stürzte ein Stück des Himmels über Ostafrika ab. Wahrscheinlich eher mit einem dumpfen Aufprall als mit einem Knall landete der Meteorit in einem Flusstal, in dem heute Kamele weiden, ganz in der Nähe des somalischen Dorfs El Ali.

Der Meteorit von El Ali, der in Somalia als Shiid-birood (deutsch: Eisenstein) bekannt ist, besteht aus 13,6 Tonnen Eisen und Nickel. Über Generationen hinweg ruhte er etwa 24 Kilometer außerhalb des kleinen Dorfs und wurde zu einem Wahrzeichen: Er taucht in Folkloregeschichten, Schlafliedern und Gedichten auf. Einer Erzählung zufolge war die Region ein grünes Paradies, bis die Bewohner aufhörten, an den heimischen Gott Waaq zu glauben, der sie deshalb mit vulkanischen Steinen bestrafte und den Meteoriten El Ali als Erinnerung an ihre Torheit hinterließ.

Im Lauf der Jahrhunderte schlugen Generationen von Bewohnern Teile des mysteriösen Gesteins heraus oder nutzten den Brocken als Wetzstein. Kinder spielten Reiten auf ihm.

Nun ist der El-Ali-Meteorit verschwunden. Verwackelte Handyaufnahmen lassen vermuten, dass er sich in China befindet, wo er für viel Geld verhökert werden soll. Im August 2025 bat der somalische Kulturminister die UNESCO, den Meteoriten als Teil des Kulturerbes des Landes anzuerkennen, und forderte seine Rückgabe. Doch über das Schicksal des Gesteins lässt sich nur spekulieren.

Das Verschwinden des neuntgrößten Meteoriten auf der Erde wirft viele Fragen auf. Was passierte während seiner Ausgrabung in dem kleinen Dorf? Und wie konnte er anschließend von einem der ärmsten und am stärksten umkämpften Orte der Welt nach China geschafft werden? Fest steht jedoch: Die Geschichte des Metallbrockens wird begleitet von Lügen, Korruption und vielleicht sogar Morden. 

Streit um einen Felsbrocken

Jahrhundertelang war der bräunliche, löchrige Felsbrocken von etwa zwei Metern Breite und einem Meter Höhe unbemerkt geblieben. Nur die Einheimischen wussten von seiner Existenz. Während des Zweiten Weltkriegs erregte er die Aufmerksamkeit der italienischen Armee, die ihn zu Studienzwecken mitnehmen wollte. Später interessierten sich die Friedenstruppen der Vereinten Nationen und nach dem Zusammenbruch der somalischen Regierung im Jahr 1991 auch Milizen dafür. Sie alle sahen in Shiid-birood ein spannendes Forschungsobjekt – oder zumindest verwertbare Rohstoffe. Doch die Einheimischen wehrten sich gegen alle Versuche, den Meteoriten abzubauen.

Im September 2019 stießen schließlich Opaljäger, die die umliegende Wüste durchkämmten, auf den Meteoriten – und meldeten ihren Fund einem nahegelegenen Bergbauunternehmen, der Kureym Mining and Rocks Company, die von Händlern und Geschäftsleuten in Mogadischu geleitet wird. Mit einem Hammer meißelten sie eine 90 Gramm schwere Probe aus dem Gestein und schickten sie zur Analyse nach Nairobi. Diese Probe bestätigte erstmals, dass der Felsbrocken aus dem All stammt, und legte seine Zusammensetzung auf etwa 44 Prozent Eisen und 45 Prozent Nickel fest.

Anschließend nimmt die Geschichte des El-Ali-Meteoriten eine düstere Wendung.

Kämpfe, Schießereien und Enthauptungen

Berichten zufolge wurde der Stein im Februar 2020 aus dem Dorf El Ali entfernt. Das Gebiet wird weitgehend von dem als terroristisch eingestuften Al-Qaida-Ableger Al-Shabaab (deutsch: die Jugend) kontrolliert. Noch in den späten 2000er Jahren beherrschte Al-Shabaab die Hauptstadt Mogadischu, bis sie von Kräften der Afrikanischen Union vertrieben wurde. Die militante Organisation ist für zahlreiche Bombenanschläge und Morde verantwortlich, darunter das Massaker am kenianischen Garissa University College im Jahr 2015, bei dem 148 Menschen ums Leben kamen. Angesichts der Macht, die die terroristische Gruppierung in der Region besitzt, scheint es naheliegend, dass sie den Raub des Meteoriten orchestriert oder zumindest dabei geholfen hat.

Doch niemand weiß genau, was sich während der Ausgrabung des Meteoriten genau abgespielt hat. In somalischen Medien hieß es, er sei »gewaltsam entwendet« worden. Inmitten von Schießereien hätten große Kräne den Stein ausgehoben. Dabei seien mehrere Menschen ums Leben gekommen, darunter auch Zivilisten. Manche örtliche Medien berichteten sogar von zwei großen Feuergefechten – eines während der Ausgrabung und eines, als der Meteorit abtransportiert wurde – zwischen Al-Shabaab und Kämpfern der clanbasierten Ma'awisley-Miliz. Einigen Schilderungen zufolge kam es dabei zu Enthauptungen. Der Geologe Abdulkadir Abiikar Hussein von der Almaas-Universität in Mogadischu bezeichnet diese Darstellungen jedoch als übertrieben.

Über das, was nach der Ausgrabung folgt, herrscht hingegen Einigkeit: Milizionäre brachten den Meteoriten in die nahegelegene Stadt Buq Aqable und verkauften ihn dann Berichten zufolge für 264 000 US-Dollar an das Bergbauunternehmen Kureym.

Von dort fuhr ein Lastwagen mit dem gestohlenen Weltraumgestein nach Mogadischu, wurde aber auf der Fahrt aufgehalten. Laut Hussein beschlagnahmten somalische Regierungsbeamte das Fahrzeug, nachdem sie den großen Metallbrocken auf dem Rücksitz des Lastwagens entdeckt hatten. Sie nahmen daraufhin den Fahrer fest und brachten den Meteoriten in ein Lagerhaus in der Nähe des örtlichen Flughafens.

Im Februar 2020 bat das Bergbauministerium Hussein, den Felsbrocken zu untersuchen. Der Geologe vermaß den Meteoriten, entnahm Proben und führte verschiedene Analysen durch. Die Ergebnisse sollten in wissenschaftlichen Abhandlungen erscheinen.

Doch irgendwie gab die Regierung den Meteoriten wieder frei. Im Dezember 2020 befand sich Shiid-birood wieder in den Händen von Kureym – die Einzelheiten dieser Übergabe sind jedoch unklar (Hussein und andere sprechen von Korruption). Vertreter von Kureym wollten für diesen Artikel keine Stellung dazu beziehen.

Shiid-birood wird außerhalb Afrikas bekannt

Erst Ende 2020 erfuhren ausländische Forschende von dem Meteoriten, als das Bergbauunternehmen sie um Hilfe bat. Damals erhielt Nicholas Gessler, ein Forscher für Anthropologie, Archäologie und Meteoriten, eine E-Mail von Kureym. Die Firma war auf der Suche nach Käufern und bot Gessler an, er könne den Meteoriten vorab untersuchen. Der Wissenschaftler willigte ein, das Gestein für eine Veröffentlichung im »Meteoritical Bulletin« analysieren zu lassen, um dessen außerirdische Herkunft eindeutig zu bestätigen.

»Seitdem hat der El-Ali-Meteorit meine Forschung voll und ganz in Anspruch genommen«, sagt Gessler. Es sei geradezu zur Obsession geworden. Und so legte er eine umfassende Website an, die das Objekt und das, was sich aus seiner schmutzigen Geschichte zusammensetzen lässt, dokumentiert.

Im Januar 2021, nachdem sich Gessler bereit erklärt hatte, bei der Registrierung des Meteoriten zu helfen, erhielt er in einem FedEx-Paket einen Klumpen Eisengestein: auf der einen Seite braun verwittert, auf der anderen durch den Schnitt matt glänzend. Etwa zur gleichen Zeit schickte das Unternehmen zwei rund 70 Gramm schwere, in Scheiben geschnittene Eisengesteinstücke an Chris Herd, den Kurator der Meteoritensammlung an der University of Alberta.

»Für Somalia wäre dieser Meteorit von herausragender Bedeutung und von nationaler Wichtigkeit«Chris Herd, Geologe

Beide Forscher wünschen sich im Nachhinein, die Geschichte des Meteoriten und seine umstrittenen Eigentumsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt gekannt zu haben. Doch damals beschränkten sich die Gerüchte über die gewalttätigen Ausschreitungen während der Ausgrabung auf somalische Nachrichten. Erst vier Jahre später, im Juni 2025, berichtete der Geowissenschaftler Ali H. Egeh von der Nationalen Universität Somalias in einem Artikel in der Zeitschrift »Meteoritics & Planetary Science« über die Umstände, die den Abtransport des Meteoriten aus seinem Heimatland begleiteten.

»Als ich mit meiner Arbeit begann, wusste ich nicht, was passiert war und unter welch tragischen Umständen«, sagt Herd. »Im Nachhinein betrachtet, erhielten wir ziemlich voreingenommene Informationen, sowohl über den Abtransport des El-Ali-Meteoriten als auch über seine Ausfuhr nach China.« Das kanadische Recht, fügt Herd hinzu, ist sehr streng, was den Export von Meteoriten angeht. Vorübergehende Leihgaben von Proben zu Studienzwecken sind erlaubt, dauerhafte Leihgaben sind wesentlich heikler. »Für Somalia wäre dieser Meteorit von herausragender Bedeutung und von nationaler Wichtigkeit«, sagt er. »Es ist wirklich eine Schande, dass er außer Landes geführt wurde.«

Aus wissenschaftlicher Sicht bedeutsam

2021 waren Herd und Gessler begeistert von der Möglichkeit, einen Meteoriten zu untersuchen – einen, der sich in mehrfacher Hinsicht als wissenschaftlich spannend erweisen sollte. Herd analysierte seine Probe zunächst mit einem Rasterelektronenmikroskop, das einen Elektronenstrahl auf feste Materialien schießt, um deren Oberfläche im Detail abzubilden. Mit einem Spektrometer ermittelte er zudem die elementare Zusammensetzung der Probe. Ein Kollege am California Institute of Technology nutzte ein Elektronenmikroskop, das eine Auflösung von 30 Nanometern erreicht, um die chemischen Eigenschaften des Objekts zu bestimmen. Gessler schickte einen Teil seiner Probe an Timothy Jull von der University of Arizona, einen Experten für die Datierung von Meteoriten, der mit der Radiokohlenstoffdatierung den Zeitpunkt des Einschlags schätzte: Vor etwa 2000 bis 3000 Jahren sei er auf die Erde gestürzt. Diese Schätzung ist allerdings nur sehr grob; andere vorläufige Radionukliddaten zeigen, dass der Meteorit bereits vor 60 000 Jahren auf unserem Planeten gelandet sein könnte. Später stellte Gessler das Gestein der Meteoritical Society vor und identifizierte es als den drittgrößten in Afrika entdeckten Meteoriten.

In der Zwischenzeit erfuhr Gessler von Kureym, dass das Unternehmen plane, den Meteoriten für rund 30 Millionen US-Dollar an ein Museum zu verkaufen. In mehr als einem Dutzend E-Mails betonte Gessler, diese Summe sei unrealistisch. Im August 2021 brach die Firma den Kontakt zu ihm ab. Zudem beschwerte sie sich über die Zusammenarbeit mit dem Geologen Hussein, der den Meteoriten im Auftrag des somalischen Bergbauministeriums vermessen hatte und sich dafür einsetzte, dass das Gestein nicht verkauft, sondern im Nationalmuseum von Somalia ausgestellt würde.

Trotz dieser Umstände analysierten Gessler und Herd ihre Proben weiter. 2023 entdeckte ein Team um Herd drei neue Eisenphosphatminerale im Meteoriten, die auf der Erde nicht natürlich vorkommen. »Das ist wissenschaftlich enorm bedeutsam«, sagt Herd, der den Brocken in die Typ-IAB-Familie einordnet. Meteoriten dieser Gruppe sind wahrscheinlich vor Millionen von Jahren bei Zusammenstößen im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter entstanden. Damals bildete sich eine Art Meer aus geschmolzenem Metallmagma, dessen Bestandteile auf ungewöhnliche Weise zusammengebacken wurden. Dabei bildeten sich Phosphatminerale wie Elaliit, Elkinstantonit und Olsenit (die letzten beiden sind nach renommierten Meteoritenforschern benannt).

»Die Untersuchung des Meteoriten könnte neue Geheimnisse über die Chemie des frühen Sonnensystems enthüllen«Chris Herd, Geologe

Da es sich bei den El-Ali-Proben nur um kleine Teile eines mehr als zehn Tonnen schweren Meteoriten handelt, »könnte es in anderen Bereichen des Gesteins viele weitere neue Minerale geben«, sagt Diane Johnson von der Cranfield University in England, eine Expertin für Meteoriten. Die drei neu entdeckten Minerale befinden sich in winzigen Einschlüssen des Gesteins, die etwa so breit sind wie ein menschliches Haar. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Teil einer Studie sein würde, die neue Minerale findet, geschweige denn drei davon«, sagt Herd. »Das wirklich Aufregende daran ist, dass man sich nun fragt, ob sie auch in anderen Meteoriten vorkommen. Die Untersuchung dieser Ablagerungen könnte neue Geheimnisse über die Chemie des frühen Sonnensystems enthüllen.«

Die Ergebnisse sorgten weltweit für großes Aufsehen. Gessler, der zu diesem Zeitpunkt sowohl beruflich als auch persönlich am Schicksal von Shiid-birood interessiert war, nahm daher Kontakt zu Wissenschaftlern in Somalia auf. Dabei erfuhr er von den Berichten über das Blutvergießen während der Ausgrabung.

Ein Stück des El-Ali-Meteoriten | Der Forscher Chris Herd erhielt ein Stück des El-Ali-Meteoriten, um ihn wissenschaftlich zu untersuchen.

Gessler versuchte, so viel wie möglich darüber herauszufinden, sammelte Fotos und Videos des Meteoriten und veröffentlichte sie auf der Website, die er dem Gestein gewidmet hat. Zwar kommunizierten offizielle Vertreter von Kureym nicht mehr mit ihm, aber er erhielt Textnachrichten von Personen, die mit den Verkäufern des Meteoriten in Verbindung standen. So kam er an aktuelle Informationen über die Verkaufsaussichten und sogar an Videos, die den Transport nach China zeigen. In den jüngsten Nachrichten, die er im September 2025 auf seiner Website veröffentlichte, hört man zwei Personen über den Verkaufspreis diskutieren.

Neben seinem Wert für die Wissenschaft des Sonnensystems könnte der Meteorit auch etwas über die Geschichte der Menschheit erzählen, beispielsweise über seine Rolle als Eisenquelle für die Menschen in Somalia. Der braune Klumpen wurde intensiv und ausgiebig mit Hämmern bearbeitet, und das über Generationen hinweg. Die Bewohner schlugen Eisenstücke aus dem Gestein heraus, wahrscheinlich um Werkzeuge wie Pfeilspitzen oder Griffe herzustellen. »Das ist ein wirklich interessantes Beispiel für die Nutzung von Meteoriten als Ressource durch eine indigene Gemeinschaft«, sagt er.

Er vermutet, die Eisenzeit in Somalia könnte mit dem El-Ali-Meteoriten begonnen haben.

Entwendete Metallquellen aus dem All

Menschen auf der ganzen Welt nutzen seit Langem meteoritisches Metall. Ein Messer, das im Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun aus dem 14. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gefunden wurde, bestand aus meteoritischem Nickel, Eisen und Kobalt. Im 11. Jahrhundert v. Chr. fertigten Anhänger der vorbuddhistischen Religion Bön in Tibet eine Statue des Gottes Vaiśravana aus einem metallreichen Meteoriten, der an der Grenze zwischen der heutigen Mongolei und Sibirien gelandet war. Eine von den Nazis unterstützte Expedition plünderte die Statue um 1939; heute befindet sie sich in Privatbesitz in Wien. Die Inuit in Grönland fertigten Werkzeuge und Harpunen aus »Cape-York-Meteoriten«, acht großen Felsbrocken und anderen Fragmenten mit einem Gesamtgewicht von rund 60 Tonnen, die an der Westküste Grönlands einschlugen.

Diese Fälle zeigen aber auch, wie Meteoriten von ihren ursprünglichen Orten entwendet wurden. Die größten bekannten Stücke der Cape-York-Meteoriten etwa sind längst aus Grönland verschwunden. Der US-Marineforscher Robert Peary erbeutete 1895 zwei der schwersten Stücke, den »Hund« und die »Frau«, und 1897 das größte Stück, das »Zelt«, mit einem Gewicht von 31 Tonnen und einem Durchmesser von mehr als drei Metern. Er verkaufte alle drei Meteoriten für 40 000 US-Dollar – damals ein Vermögen – an das American Museum of Natural History, wo sie auch heute noch ausgestellt sind. Die Geschichte ist eines von vielen Beispielen für die Ausbeutung der Ressourcen der Ureinwohner in der viktorianischen Zeit. Ein weiteres, 20 Tonnen schweres Fragment des Meteoriten wurde 1963 entdeckt und vier Jahre später nach Kopenhagen gebracht.

»Das war ein kultureller Raubzug, kein legaler Handel«Dahir Jesow, somalischer Politiker

Eine ähnliche Geschichte könnte sich jetzt mit dem El-Ali-Meteoriten abspielen. Sein genauer Standort und sein Status sind derzeit ungeklärt. Im Dezember 2022 befand sich der Felsbrocken auf einem Containerschiff, das in Mogadischu angelegt hatte, wie ein an Gessler gesendetes Handyvideo belegt. Als Nächstes zeigt ein im Mai 2023 aufgenommenes Video den Meteoriten in China. In dem wackeligen Filmausschnitt spricht jemand auf Somali, und eine Person hält ein Telefon mit chinesischer Schrift vor das Gestein. Laut jüngsten Berichten von Verkäufern und Wissenschaftlern, die den Meteoritenmarkt verfolgen, könnte sich der El-Ali-Stein in der mittelgroßen Stadt Yiwu der chinesischen Provinz Zhejiang befinden und für 200 US-Dollar pro Kilogramm oder zu 3,2 Millionen US-Dollar als Gesamtes zum Verkauf angeboten werden.

»Das war ein kultureller Raubzug, kein legaler Handel«, sagt Dahir Jesow, El Alis Vertreter im somalischen Parlament, im Juni 2025 gegenüber einer Nachrichtenagentur für Menschenrechte. Die Rechte der Bergbaufirma Kureym an dem Meteoriten seien in einem undurchsichtigen Verwaltungsverfahren eilig legalisiert worden – quasi nachträglich, um den Diebstahl zu decken, erklärt er.

Verkauf von außerirdischem Material

Der Verkauf von Meteoriten durch ihre rechtmäßigen Eigentümer ist an sich legal. Aufzeichnungen über solche Verkäufe reichen bis ins Jahr 1863 zurück, als ein Meteorit in einem von einem deutschen Sammler verfassten Katalog dokumentiert wurde. Selbst berühmte Meteoriten werden regelmäßig ge- und verkauft; zum Beispiel wurde eine Scheibe eines Cape-York-Meteoriten 2019 beim Auktionshaus Christie's angeboten. Und im Juli 2025 wurde ein 2023 in der Sahara geborgener Marsmeteorit – mit 25 Kilogramm angeblich das größte Stück des Roten Planeten auf der Erde – für 5,3 Millionen Dollar an einen unbekannten Käufer bei einer Auktion von Sotheby's verkauft. Die nigerianische Regierung kündigte daraufhin eine Untersuchung an, da sie illegale Aktivitäten bei der Beschaffung vermutete. Sotheby's behauptet jedoch, bei der Ausfuhr des Meteoriten alle internationalen Vorgaben, einschließlich der Dokumentation, eingehalten zu haben. Wie der El-Ali-Meteorit wurde auch das Marsgestein von Wissenschaftlern in einem »Meteoritical Bulletin«-Eintrag beschrieben.

Ein Flickenteppich von internationalen Gesetzen regelt solche Verkäufe. In den USA gehören Meteoriten der Person, der das Land gehört, auf dem sie gefunden wurden; auf öffentlichem Land gefundene Meteoriten gehen an die Smithsonian Institution. Ein UNESCO-Abkommen des Jahres 1970, das von 148 Ländern anerkannt wurde, darunter von den USA und Kanada, aber nicht von Somalia, sieht ein System vor, mit dem Meteoriten aufgespürt und bei Bedarf in ihre Heimatländer zurückgebracht werden.

Der rechtliche Status von Shiid-birood ist jedoch ungewiss: In dem Gebiet, aus dem er entnommen wurde, gilt derzeit die Scharia, und die Gelehrten sind sich nicht einig, wie das muslimische Gesetz Meteoriten behandelt. Sollte die UNESCO den El-Ali-Meteoriten zum kulturellen Erbe Somalias erklären, wie es die Regierung beantragt hat, würde das zumindest seinen Verkauf erschweren.

Allerdings sei der Markt für Meteoriten seit 2020 explodiert, sagt die Kriminologin Donna Yates von der Universität Maastricht. »Es gibt ein bestimmtes Käuferprofil, das sich sehr für Wissenschaft, Raum und Zeit und so weiter interessiert«, erläutert sie. »Und diese Leute besuchen den Meteoritenmarkt.« Die Meteoritical Society verfügt über einen Ethikkodex, der Forschende dazu verpflichtet, sich bei ihren Untersuchungen an die Gesetze zu halten, aber er bietet wenig Anleitung für exportierte Funde.

»Die Sorge ist, dass er Stück für Stück zermahlen wird, um daraus Schlüsselanhänger zu machen«Nicholas Gessler, Forscher für Anthropologie, Archäologie und Meteoriten

China hat sich in den letzten Jahren zu einem Ziel für geschmuggelte Meteoriten entwickelt. 2019 beschlagnahmten die Zollbehörden 857 Kilogramm Dolomit, der sich als Meteorit aus Kenia entpuppte, und 2021 stellten sie 470 Kilogramm Eisenmeteoriten sicher, die in den Zollerklärungen als Pyrit-Erz angegeben waren. Im Kamil-Einschlagkrater in Ägypten wurde Berichten zufolge zwischen 2020 und 2023 großflächig Eisenmeteoriten abgebaut. »Es gibt Museen, die voll von gestohlenem Material sind«, sagt Timothy Jull.

Sowohl der rechtliche Status des El-Ali-Meteoriten als auch die Pläne seiner derzeitigen Verwahrer sind unklar. »Die Sorge ist, dass er Stück für Stück zermahlen wird, um daraus Schlüsselanhänger zu machen«, so Gessler. Im Idealfall wird er an Somalia zurückgegeben. Mitte Juli 2025 hörte der Geologe Hussein von Mitgliedern des Bergbauunternehmens Kureym, es wolle den Meteoriten an die somalische Regierung zurückverkaufen. Die fehlenden Unterlagen hätten den Verkauf an internationale Institutionen behindert. Laut Hussein kann nur die somalische Regierung den Meteoriten legitimieren, sodass eine Rücktransaktion für die Verkäufer die einfachste Möglichkeit ist, aus dem Meteoriten einen Gewinn zu erzielen.

Unsichere Lage erschwert das Problem

Das Nationalmuseum von Somalia, einst eine Fundgrube für wertvolle Altertümer, war während des Bürgerkriegs im Land 30 Jahre lang geschlossen. Obwohl viele seiner Artefakte beschädigt oder gestohlen wurden, wurde das Museum 2020 wiedereröffnet und bietet nun Platz für eine Meteoritenausstellung. »Studierende und sogar Kinder aus Grundschulen würden kommen, um das zu sehen«, sagt Hussein. Er stellt sich vor, dass internationale Forschende mit einheimischen Universitäten zusammenarbeiten, um in Somalia geochemisches Fachwissen aufzubauen. »Jetzt müssen wir nur noch das Geld auftreiben.«

Doch selbst wenn der Meteorit nach Hause kommt, ist seine Sicherheit nicht garantiert. Dalmar Asad, ein Sprecher der Koalition somalischer Menschenrechtsverteidiger in Mogadischu, zeigt sich skeptisch. Selbst die Hauptstadt Mogadischu sei immer noch sehr unsicher, erklärt er. Er befürchtet, Missverständnisse unter den Einheimischen – in frühen Berichten wurde behauptet, der Felsen sei aus Gold – könnten dazu führen, dass jemand versucht, ihn zu stehlen, selbst wenn er im Museum ist. »Es wäre besser, wenn eine internationale Organisation den Meteoriten aufnehmen würde, bis die Situation hier sicherer ist.«

»Wir wollen uns nicht der Realität des Problems stellen – denn wenn wir das tun, gibt es viel weniger Material zu untersuchen«Hasnaa Chennaoui Aoudjehane, Planetenforscherin

Vorerst bleibt der El-Ali-Meteorit weit weg von seiner Heimat. Sein endgültiger Bestimmungsort ist genauso ungewiss wie damals, als er im Asteroidengürtel durch das All flog. Wo auch immer er landet, könnte er der Erde wichtige Lektionen erteilen. Die Geschichte des Meteoriten sollte Forschende lehren, die Herkunft neuer Funde genauer zu hinterfragen, meint die Planetenforscherin Hasnaa Chennaoui Aoudjehane von der Hassan-II-Universität in Casablanca. »Diese Gemeinschaft ist meine Gemeinschaft; viele Wissenschaftler sind Freunde von mir«, sagt sie. »Aber in manchen Fällen verschließen wir einfach die Augen. Wir wollen uns nicht der Realität des Problems stellen – denn wenn wir das tun, gibt es viel weniger Material zu untersuchen.«

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

  • Quellen

Egeh, A. H.: Meteoritics and Planetary Science 10.1111/maps.14382, 2025

Herd, C. D. K. et al.: 86th Annual Meeting of the Meteoritical Society; online unter: https://www.hou.usra.edu/meetings/metsoc2023/pdf/6143.pdf, 2023

Wasson, J.T., Kallemeyn, G.W.: Geochimica et Cosmochimica Acta 10.1016/S0016–7037(02)00848–7, 2002

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.