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Verschollene Mäuse-Art: Die Bayerische Kurzohrmaus ist wieder aufgetaucht

Jahrzehntelang war kein Exemplar mehr gesichtet worden. Endlich aber zeigt eine intensive Fahndungsaktion: Der alpine Kleinsäuger ist nach wie vor in Bayern dahoam.
Bayerische Kurzohrmaus in der gläsernen Falle
In einer gläsernen Falle wurde das Tier so lange beobachtet, bis es Kot absetzte. So hatten die Biologen auch ohne Blutabnahme genügend Material für eine DNA-Bestimmung.

Zunächst ging sie den Fachleuten nur in die Kamera-, dann in die richtige Falle: Nahe Mittenwald ist die mehr als 60 Jahre lang verschollene Bayerische Kurzohrmaus wieder aufgetaucht. Das teilt das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) mit. Microtus bavaricus war 1962 bei Garmisch-Partenkirchen entdeckt worden. Schon kurz danach aber wurde die kleine, scheue und zurückgezogen in unterirdischen Gängen lebende Wühlmausart nicht mehr gesichtet. Lediglich auf ein paar Hektar in Tirol habe es eine bekannte Population gegeben. Drei weitere Exemplare lebten in Zoos.

Doch nun zeigt sich, dass die Kurzohrmaus auch in Bayern mitnichten ausgestorben ist – anders als befürchtet. Durch Auswertung von anderthalb Millionen Schnappschüssen von Wildtierkameras waren Fachleute um David Stille und dem LfU-Biologen Simon Ripperger dem Kleinsäuger auf die Spur gekommen. Schließlich fingen sie eines der Tiere in einer Falle, ein Filmteam dokumentierte den Fund und eine DNA-Analyse des Mäusekots brachte den letzten Beweis, dass es sich tatsächlich um Microtus bavaricus handelte.

An der seit 2011 laufenden Suche war auch der heute 90-jährige Entdecker der Art, Claus König, beteiligt. Dem ehemaligen Mitarbeiter der Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen war in den 1960er Jahren die seinerzeit noch unbekannte Maus aufgefallen. »Irgendwann hatte ich ein Tier in der Falle, das anders aussah als alles, was wir kannten. Helle Schnurrhaare, besonders winzige Augen, helle Haare auf den Vorderfüßen. Da ahnte ich: Jetzt habe ich eine Art entdeckt, die hier vorher noch niemand beobachtet hatte«, erzählt er aus Anlass der Wiederentdeckung der »Zeit«.

Der Lebensraum der Mäuse sind demnach Höhenlagen zwischen 700 und 1100 Metern, die auch im Alpenraum immer mehr unter den Druck der Intensivlandwirtschaft geraten. Der Klimawandel dürfte den Mäusen ebenfalls zu schaffen machen, nicht zuletzt weil Nahrungskonkurrenten aus tieferen Lagen einwandern würden, heißt es weiter in der »Zeit«. Die Art wird laut Bayerischem Umweltamt als eine der zehn am stärksten bedrohten Nagetierarten in Europa angesehen – und noch dazu als eines der seltensten Säugetiere der Welt. Welche Bedingungen sie zum Überleben benötigt und wie weit ihr tatsächliches Verbreitungsgebiet reicht, sollen künftige Studien ergeben. Womöglich existieren noch weitere versteckte Restpopulationen.

In einem Porträt der Art schreiben Experten des LfU, man sei ursprünglich davon ausgegangen, dass es sich bei der Bayerischen Kurzohrmaus um eine die Eiszeit überdauernde Art handeln könnte, die nur in einem kleinen Gebiet von den Lechtaler Alpen im Westen (Biberwier, Tirol) über das Wettersteingebirge (Garmisch-Partenkirchen, Bayern) bis zu den Bayerischen Voralpen (Rofan, Tirol) im Osten verbreitet war. Dann tauchte aber in Ostkroatien im Jahr 2008 ein Tier auf, das sich genetisch nur gering von der Bayerischen Kurzohrmaus unterschied. Folglich könnte das Verbreitungsgebiet der Population noch nach der Eiszeit deutlich größer gewesen sein als angenommen. Alternativ könnten die heute bekannten Verbreitungsgebiete der Maus in Deutschland und Österreich auch erst später besiedelt worden sein.

Über die Suche nach der Kurzohrmaus ist eine Dokumentation für den Fernsehsender ARTE erschienen, die am 20. Februar ausgestrahlt wird, aber bereits heute in der Mediathek abrufbar ist.

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