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Medizin: Ursache für Migräneschmerzen

Eine Mäusestudie zeigt, dass zwischen Hirn und peripherem Nervensystem ein Signalweg existiert, der den Zusammenhang zwischen Migräneaura und Kopfschmerzen erklären könnte. Daraus ergeben sich auch neue Therapiemöglichkeiten.
Frau mit Kopfschmerzen sitzt an Schreibtisch
Ungefähr ein Drittel der Migränepatienten erleben eine Aura, bevor die eigentliche Kopfschmerzphase erreicht wird. Meist handelt es sich um visuelle Auren, seltener fallen Sensorik, Motorik oder Sprache aus.

Seit Jahrhunderten spekulieren Medizinerinnen und Mediziner über die Ursachen von migränebedingten Kopfschmerzen. Was man mittlerweile weiß: Ihr Ursprung muss außerhalb des Gehirns liegen, da es keine Schmerzrezeptoren hat. Wahrscheinliche Kandidaten sind periphere Nervenenden auf der äußeren Hirnhaut. Allerdings erlebt ein Drittel der Betroffenen im Vorfeld einer Migräneattacke eine Aura, die sich etwa durch Lichtblitze, blinde Flecken oder Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen äußert – begleitet von einer Erregungswelle im Denkorgan. Diese »kortikale Streudepolarisierung« breitet sich langsam aus, am häufigsten im Sehzentrum. Aber wie kann ein solches Ereignis zur Aktivierung peripherer Schmerzrezeptoren führen?

Maiken Nedergaard vom University of Rochester Medical Center und ihr Team haben die Wissenslücke geschlossen. Nedergaard ist bekannt für die Entdeckung des glymphatischen Systems, das mit Hilfe des Liquors (Hirnwasser) Abfallstoffe im Gehirn entsorgt. Die Fachleute führten eine Studie an lebenden Mäusen durch und verfolgten anhand aufwändiger Fluoreszenztechniken den Zusammenhang zwischen Depolarisierungswelle, Liquorfluss und Aktivierung peripherer Nerven, genauer gesagt des Trigeminusganglions, eines großen Nervenbündels an der Schädelbasis.

Dazu lösten sie Depolarisierungswellen im Gehirn der Nager aus und beobachteten, dass die Neurone dabei eine Vielzahl von Proteinen in den Liquor freisetzen. Anschließend verfolgte das Team, wie die Flüssigkeit diese Stoffe zum Trigeminusganglion transportiert. Letzteres liegt, wie der Rest des peripheren Nervensystems, außerhalb der Blut-Hirn-Schranke. Die Forscher entdeckten aber eine bisher unbekannte Lücke in der Schutzbarriere, durch die der Liquor direkt in das Ganglion fließen kann und somit eine nicht synaptische Signalübertragung zwischen Gehirn und sensorischen Nerven schafft. Auf diese Weise wird das Trigeminusganglion von dem im Hirn freigesetzten Proteincocktail geflutet.

Zwölf der Moleküle konnte das Team als Liganden identifizieren, die sich an Rezeptoren in dem Ganglion binden und hier Zellen aktivieren. Wie vorherige Studien gezeigt hatten, lösen diese Proteine bei Menschen Migräne aus. Das Spannende: Die Menge der Proteine verdoppelte sich nach einer kortikalen Erregungswelle. Auch erreichte der Liquorfluss auf einer Seite des Gehirns hauptsächlich Nerven im Trigeminusganglion in derselben Hemisphäre, was möglicherweise erklärt, warum der Schmerz bei den meisten Migräneanfällen einseitig auftritt. Die entdeckten Liganden-Rezeptor-Paare könnten die Entwicklung neuer pharmakologischer Therapien ermöglichen, vor allem für Menschen, die auf die verfügbaren Behandlungen nicht ansprechen.

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  • Quellen
Science 10.1126/science.adl0544, 2024

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