Direkt zum Inhalt

News: Mikrobengespräche

Kommunikation ist fürs Überleben unerlässlich. So auch unter winzigen Mikroorganismen, die nach Aufnahme von Signalstoffen zielstrebig auf mögliche Nahrungsquellen zustreben oder aber vor dem Feind blitzschnell die Flucht ergreifen. Damit die Informationsweiterleitung ins Zellinnere erfolgreich ist, arbeiten spezielle Oberflächenproteine in Gruppen zusammen. Denn erst die Teamarbeit garantiert die hochempfindliche Wahrnehmung.
Bakterien haben zwar keine Augen, mit denen sie ein Objekt anpeilen können – einen Leckerbissen beispielsweise –, finden können sie es dank sehr empfindlicher Wahrnehmung aber trotzdem. Dazu dienen den Einzellern spezielle Proteine, die der Zellmembran aufsitzen und den ersten Kontakt mit Reizstoffen aus der Umwelt herstellen. Beantwortet werden solch essentielle Fragen wie: Wo gibt es etwas zu essen? Und: Ist das da vorne Freund oder Feind?

Die Information in Form chemischer Signale gelangt schließlich über die Membran durchdringende Proteine ins Zellinnere. Das ist nicht neu. Doch was bislang niemand wusste: Einzelgängertum ist unter den so genannten Rezeptoren verpönt. Sie arbeiten lieber im Team, wie Laura Kiessling von der University of Wisconsin-Madison und ihre Mitarbeiter beobachteten. Dieses Geheimnis entlockten die Wissenschaftler dem Darmbakterium Escherichia coli durch den Einsatz eines neuen Signaltyps. Sie setzten ein synthetisches Multitalent ein, das mit unterschiedlichen Rezeptorarten gleichzeitig reagiert. Hierbei zeigte sich, dass die vier Haupttypen der Oberflächenproteine – jeder nur zur Detektion spezieller Komponenten geeignet – im System zusammenarbeiten, um die zelluläre Umgebung zu "ertasten" und über Flucht oder Angriff zu entscheiden.

"Sie müssen zusammenarbeiten", sagt Kiessling. "Das ganze Aufgebot der Rezeptoren arbeitet daran, einen Stoff wahrzunehmen." Und dies gelingt ihnen beeindruckend genau. Selbst eine geringe Konzentrationsänderung von nur fünf Prozent können die Rezeptoren unterscheiden. Und was für Bakterien gut ist, könnten andere Organismen vielleicht ebenfalls einsetzen, um ihre Umgebung möglichst genau kartieren zu können. Andere Beispiele wurden bereits vorgestellt, sind aber bislang nicht bewiesen: Etwa die Zellen des menschlichen Immunsystems, die sehr empfindlich auf feindliche Eindringlinge reagieren und die Invasion schnell und effizient beantworten müssen.

Läge auch hier eine Gemeinschaftsaktion der Rezeptoren vor, könnten die an E. coli gewonnenen Erkenntnisse vielleicht die Schlagkraft des Immunsystems erhöhen. Ebenso auf der Wunschliste der Forscher steht die Aufschlüsselung bakterieller Biofilme, in denen pathogene Bakterien in einer Art Teppich fest aneinander haften und menschliche Schleimhäute – etwa bei der Krankheit Mukoviszidose – besiedeln. Möglicherweise verhindert eine Unterbrechung der bakteriellen Kommunikation den Zusammenhalt und bietet somit einen neuen Therapieansatz.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.