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News: Mikrobläschen lernen schwimmen

Mikroskopisch kleine 'Bläschen' aus dem gleichen Material, mit dem Zellen ihre Membranen aufbauen, können dazu gebracht werden, in bestimmte Richtungen zu schwimmen. Ohne Antriebsmechanismus oder Energiequelle nutzen sie die physikochemischen Gesetzmäßigkeiten eines Zuckergradienten.
Einzellige Organismen wie zum Beispiel Bakterien bewegen sich meist dadurch, daß sie Zellfortsätze oder Proteinfäden rotieren lassen. Oft verwenden Bakterien diese sogenannten Geißeln, um sich auf Nahrung wie Zucker oder Aminosäuren zuzubewegen. Während der Schwimmphasen überprüfen sie kontinuierlich, ob deren Konzentration um die Zelle herum steigt oder sinkt. Stimmt die Richtung, halten die Bakterien sie weiter ein, ansonsten leiten sie schon bald eine "Taumelphase" ein, wodurch eine neue zufällige Schwimmrichtung festgelegt wird.

Jetzt haben Erich Sackmann von der Technischen Universität München und seine Kollegen leblose Molekülhüllen dazu gebracht, ebenfalls dem Konzentrationsgradienten einer Zuckerlösung zu folgen – allerdings ohne Geißeln, ohne Rezeptoren und ohne den komplexen Regelmechanismus, der beide Systeme miteinander verbindet (Physical Review Letters vom 21. Juni 1999).

Diese künstlichen Zellen werden Vesikel genannt: Sie bestehen aus Phospholipiden – dem gleichen Molekültyp, aus dem auch die Membranen von Zellen zusammengesetzt sind. Diese Moleküle haben eine kaulquappenähnliche Form mit Kopf und Schwanz und verfügen über die nützliche Eigenschaft, sich im Wasser von selbst in Schichten anzuordnen. In einer solchen Schicht sitzen die Moleküle Seite an Seite, wobei alle Köpfe in dieselbe Richtung deuten. Zwei derartige Schichten legen sich Rücken an Rücken aneinander, und bilden so eine Membran. Wenn sich diese Doppelschichten zu Kugeln zusammenrollen, entstehen Vesikel – kleine wassergefüllte Bläschen mit wenigen Mikrometern Durchmesser.

Die doppelschichtigen Phospholipidmembranen sind durchlässig für Wasser, nicht jedoch für größere Moleküle wie Zucker. Wenn sich also auf einer Seite der Membran mehr aufgelöster Zucker als auf der anderen befindet, fließt Wasser durch die Membran in Richtung der höheren Konzentration, um diesen Unterschied auszugleichen. Dieser Effekt wird Osmose genannt. Unter anderem sorgt er auch dafür, daß Blumenstengel fest bleiben: Die Pflanzenzellen enthalten Zucker und saugen somit Wasser auf, um wie Ballons anzuschwellen.

Sackmann und seine Kollegen stellten fest, daß sich die Vesikel von einer Region hoher Zuckerkonzentration fortbewegten. Den Grund sehen sie in dem unterschiedlichen Weg das Wassers auf den gegenüberliegenden Hälften des Vesikels. An der Seite, die dichter zur Zuckerquelle liegt, tritt Wasser aus dem Bläschen aus, weil in seinem Innern weniger Zucker gelöst ist. Gleichzeitig ist die Konentration im Bläschen jedoch höher als im Medium am anderen Vesikelende. Deshalb fließt hier Wasser in das Kügelchen hinein. Der Flüssigkeitsstrom erzeugt einen Rückstoß, genau wie das Gas, das aus dem Motor eines Düsenflugzeugs ausströmt, den Jet in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Wie ein winziger Organismus, der vor einer tödlichen Gefahr flieht, zieht sich das Vesikel von der Zuckerquelle zurück. Eine sehr einfache Methode, aus einem chemischen System mechanische Arbeit zu gewinnen.

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