Medizintechnik: Mikrochip als Lungenmodell
Mit jedem Atemzug füllen sich in der Lunge mikroskopisch kleine Bläschen mit Luft. Von diesen Alveolen wandert der Sauerstoff durch eine Trennschicht in die haarfeinen Kapillaren des Blutgefäßsystems. Diese Membran ist gerade einmal 0,1 bis 1,5 Mikrometer dick. Vorgänge, die sich daran abspielen, lassen sich deshalb so gut wie gar nicht am natürlichen Objekt untersuchen.
Nicole Wedemeyer
Aus diesem Grund haben Forscher um Donald Ingber vom Wyss Institute for Biologically Inspired Engeneering an der Harvard Medical School in Cambridge (Massachusetts) das System nun künstlich nachgebaut. In einem durchsichtigen Mini-Block aus elastischem Kunststoffmaterial, der an einen flachen Radiergummi erinnert, trennten sie zwei zentrale Hohlräume durch eine flexible, poröse Silikon-Membran. Diese bedeckten sie auf der einen Seite mit Endothelzellen, welche die Alveolen auskleiden, und auf der anderen Seite mit Epithelzellen von der Innenwand der Blutkapillaren. Ein Netz feiner Mikrokanäle ermöglichte den Zutritt von Luft oder Flüssigkeit zu den jeweiligen Abteilungen. Außerdem versahen die Forscher ihre Kunstlunge mit zwei äußeren Hohlräumen, an die sie periodisch ein Vakuum anlegten. Bei Unterdruck erweiterte sich die künstliche Alveole und die Membran wurde gestreckt: Die Kunstlunge atmete.
Mit diesem Modell gelang es, die Austauschvorgänge in der echten Lunge naturgetreu nachzuahmen. Aber auch andere Prozesse ließen sich reproduzieren – etwa eine Entzündungsreaktion, wenn die Luft Krankheitskeime enthielt, oder der Übertritt von Cytokinen, die als Signalmoleküle die Körperabwehr aktivierten. Die Forscher sehen den Hauptwert ihres Modells denn auch in umwelttoxikologischen Untersuchungen und Tests von Wirkstoffen, die es auf ebenso unkomplizierte wie unbedenkliche Weise ermöglicht.
Nicole Wedemeyer
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben