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Neurologie: Mikroplastik verstopft Blutgefäße im Gehirn von Mäusen

Krankhafte Veränderungen sind selbst nach einer Woche noch nachweisbar. Unklar ist jedoch, inwiefern sich die Ergebnisse auf Menschen übertragen lassen.
Ein Löffel voller bunter Mikroplastikpartikel liegt auf einer roten Oberfläche. Die Partikel sind in verschiedenen Farben wie Blau, Orange, Grün und Lila und sind unregelmäßig geformt. Einige Partikel sind auf die Oberfläche um den Löffel herum verstreut. Dieses Bild veranschaulicht das Problem der Mikroplastikverschmutzung.
Mikroplastik ist überall, doch unklar bleibt, in welchem Maß es für uns Menschen schädlich ist.

Winzige Kunststoffpartikel, die unter anderem beim Zerfall von Plastikmüll entstehen, findet man mittlerweile überall auf der Welt – vom Mount Everest bis in die Tiefen der Weltmeere. Längst geraten sie über die Nahrungskette auch in unsere Körper, wo sie zahlreiche Schäden anrichten könnten. Kleinere Teilchen durchdringen die Blut-Hirn-Schranke und gelangen so ins Hirngewebe. Wie genau sie die Organfunktion beeinträchtigen, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. Eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Jiaqi Hou und Beidou Xi (beide von der Chinese Research Academy Of Environmental Sciences in Peking) entdeckte einen möglichen Wirkmechanismus. Bei Versuchen an Mäusen beobachtete das Team, dass Mikroplastik im Gehirn der Nager dünne Blutgefäße blockierte.

Für ihre Experimente versetzen die Fachleute Plastikpartikel mit einem bestimmten Farbstoff, dessen Ausbreitung sie mikroskopisch verfolgen konnten. Das Gemisch verabreichten sie Mäusen mit dem Trinkwasser oder indem sie es direkt in deren Blutkreislauf injizierten. Die Teilchen wanderten wenig später zusammen mit bestimmten Immunzellen durch das Gewebe. Vermutlich hatten diese sie aufgenommen und trugen sie nun in ihrem Inneren. Erreichte die injizierte Menge sechs bis zwölf Mikrogramm Plastik pro Milliliter Blut, blieben die Immunzellen vermehrt in den Hirnkapillaren stecken. Verstopfte Äderchen waren selbst nach einer Woche noch im Hirn der Nager nachweisbar. Die resultierende Durchblutungsstörung wirkte sich auch auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Tiere aus: Betroffene Mäuse zeigten neurologische Einschränkungen, etwa bei Erinnerungstests und bei ihren Bewegungen.

Ob sich diese Ergebnisse auf Menschen übertragen lassen, ist unklar. An der Arbeit unbeteiligte Fachleute äußern gegenüber dem Science Media Center Zweifel daran. Sie kritisieren die hohe verwendete Dosis an Mikroplastik, die relativ grobe und einheitliche Körnung der Partikel sowie ihre Verabreichung per Injektion. Der Verstopfungseffekt sei abhängig von der Partikelgröße, erläutert Verena Kopatz von der Medizinischen Universität Wien. »Die aufgenommenen Plastikpartikel sind starr und verformen sich nicht, was zu einem Steckenbleiben der Zellen führt.« Sie hält die Injektion von relativ großen Partikeln mit fünf Mikrometer Durchmesser, wie sie in der Studie verwendet wurden, für wenig aussagekräftig. Denn über den Darm werden »größere Partikel nicht beziehungsweise nur in sehr geringen Mengen aufgenommen«. Es sei deshalb sehr unwahrscheinlich, dass sich bei Menschen tatsächlich bedenklich viele solche Kunststoffteilchen im Blut sammeln.

Arthur Liesz von der LMU München weist zudem auf wesentliche physiologische Unterschiede zwischen Mäusen und Menschen hin. Wir weichen unter anderem hinsichtlich der Gefäßgröße, der Flussdynamik des Bluts und unserer Immunantwort von den Nagern ab. Das sind allesamt Faktoren, die den beschriebenen Prozess beeinflussen können. »Es bleiben wichtige Fragen zur langfristigen Relevanz und Übertragbarkeit dieses Mechanismus offen«, schließt Liesz. »Akut würde ich für einen Menschen auf Grund dieser Studie keine Bedrohung sehen», betont auch Kopatz und ergänzt: »Die noch unbekannten Langzeitfolgen einer chronischen Plastikexposition sollten trotzdem kritisch hinterfragt und erforscht werden.«

  • Quellen
Science Advances 2025, 10.1126/sciadv.adr8243

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