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Ernährung: Milchsäurebakterien lindern Depressionen

Der regelmäßige tägliche Konsum kann aus einem leichten bis mittleren Tief heraushelfen.
Milchprodukte vor dunklem Hintergrund

Ein Jogurt vertreibt sicherlich keine ausgewachsene Depression. Probiotische Mittel können aber dazu beitragen, eine leichte oder mäßige Verstimmung zu überwinden. Dieses Fazit zogen Mediziner aus Singapur und dem britischen Nottingham in der Fachzeitschrift »Journal of Affective Disorders«. Bei Menschen mit gesundem Stimmungsniveau besserte sich dieses allerdings nicht noch weiter, wenn sie Probiotika (im Vergleich zu einem Placebo) einnahmen.

Das Team um Yeo Wee-Song von der Nationalen Universität von Singapur hatte zunächst mehr als 600 wissenschaftliche Dokumente zum Thema Probiotika in der Medizin gesammelt. Darunter fanden die Forscher jedoch nur wenige, die allen Anforderungen genügten: Zehn Experimente hatten die Wirkung an Menschen erprobt und deren Stimmung erfasst sowie die üblichen methodischen Qualitätskriterien erfüllt, darunter die zufällige Verteilung der Probanden auf Behandlungs- und Kontrollgruppe. Außerdem waren die Teilnehmer bis zum Schluss darüber im Unklaren gewesen, ob sie tatsächlich Probiotika erhielten oder nicht. Die Stichprobe umfasste letztlich rund 1300 Versuchspersonen, die je nach Studie über 3 bis 20 Wochen hinweg täglich entweder ein Scheinpräparat oder aber Milchsäurebakterien als Tablette beziehungsweise in Form von Milchprodukten zu sich genommen hatten.

Ergebnis: Hatten die Probanden vorab nicht unter Verstimmungen gelitten, dann beeinflussten die Probiotika ihr Befinden nicht. Es besserte sich allein bei jenen Teilnehmern, die zu Beginn des Experiments von depressiven Symptomen berichtet hatten. Der Effekt war »mittelgroß«, wie ein gängiges Maß für die praktische Relevanz von Veränderungen zeigte. Die Wirkung setzte offenbar spätestens nach ein paar Wochen ein. Unter anderem hatte eine britische Studie mit 132 älteren Probanden ergeben, dass der dreiwöchige Konsum von Jogurtdrinks mit Laktobazillen Verstimmungen linderte. In einer französischen Studie nahmen depressive Symptome sowie Ärger und Feindseligkeit ab, nachdem die Probanden 30 Tage lang Laktobazillen und Bifidobakterien verabreicht bekamen.

Der große Vorteil von Milchsäurebakterien ist laut den Forschern, dass die Probanden bei ihrer Einnahme nicht über Nebenwirkungen klagen. Wie genau sie wirken, sei jedoch noch unklar. Ein Weg könnte über die so genannte Darm-Hirn-Achse, speziell den Vagusnerv führen. Über ihn könnten Darmbakterien Stressreaktionen im Gehirn dämpfen. Dass die Gabe von Probiotika eine überaktive Stressachse beruhigen kann, wurde im Tiermodell schon häufiger nachgewiesen. Und dass Probiotika das Immunsystem stärken und Entzündungen hemmen, sei auch beim Menschen gut dokumentiert. In den vergangenen Jahren legten Studien wiederholt einen Zusammenhang zwischen dem Immunsystem, Entzündungen und Depressionen nahe.

Allerdings stünden noch einige praktische Fragen offen, räumen die Mediziner ein. Bislang wisse man nicht, welche Bakterien in welcher Dosis am meisten Erfolg versprächen. Ein weiteres Rätsel sei, warum Jogurt mit natürlichem Fettgehalt offenbar besser wirke als die Magervariante – bei gleicher Bakterienkonzentration. Ein weiteres Problem: Anders als bei gefriergetrockneten Forschungspräparaten würde bei handelsüblichen Milchprodukten nicht unbedingt darauf geachtet, die enthaltenen Milchsäurebakterien am Leben zu erhalten.

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