Direkt zum Inhalt

Milchstraße: Die Spur der Superbeschleuniger

Irgendwo in unserer Galaxie werden Teilchen auf Rekordenergien beschleunigt, zeigt ein Experiment aus dem tibetischen Hochland.
Die Ankunftsrichtung der PeV-Gammaquanten (gelbe Punkte)

Wer ins Dunkel zwischen den Sternen schaut, kann es nicht einmal erahnen. Aber: Die Erde ist unter Beschuss! Pausenlos prasseln Teilchen aus dem Weltall auf die Atmosphäre ein. Atomkerne, Elektronen, Neutrinos – und manchmal auch einfach schnöde Strahlungsquanten. Wo die unterschiedlichen Bestandteile dieser »kosmischen Strahlung« herkommen, ist seit Langem eines der Rätsel der Astrophysik.

Ein Observatorium im tibetischen Hochland hat die Wissenschaft hier nun ein Stück vorangebracht: Es hat 23 Strahlungsquanten mit enorm hoher Energie nachgewiesen, die zwar aus unserer Galaxie stammen, sich dort jedoch keiner bekannten astronomischen Quelle zuordnen lassen. Stattdessen scheint die Gammastrahlung im Raum zwischen den Sternen entstanden zu sein – dort, wo allenfalls etwas interstellares Gas umherdriftet.

Tibet AS-Gamma Experiment | Das Observatorium im tibetischen Hochland besteht aus 697 kleinen Detektoren, die über eine Fläche von 65 700 Quadratmetern verteilt sind. Sie weisen Lichtblitze nach, die bei der Kollision von Gammaquanten mit Molekülen in der Atmosphäre entstehen.

Die Astrophysiker des »Tibet AS-Gamma Experiment« werten das als Indiz für eine populäre Theorie zum Ursprung der kosmischen Strahlung: Irgendwo in unserer Milchstraße gibt es Regionen, die Teilchen auf extreme Energien von bis zu einer Billiarde Elektronvolt (Physiker sprechen von Peta-Elektronvolt oder PeV) beschleunigen. In Frage kommen hier die Stoßfronten von Supernova-Explosionen, die Materie für Jahrtausende schneepflugartig vor sich her schieben. Geladene Teilchen können auf dieser Welle »surfen«, sie wiederholt überqueren und dadurch immer mehr Energie erlangen. Kollidieren sie später mit interstellarem Gas, setzt der Zusammenstoß Gammastrahlung frei.

Bisher ist jedoch umstritten, wie groß die Beschleunigung ist, die Teilchen in Stoßfronten erfahren. Einige Forscher bezweifeln daher, dass kosmische Strahlung im PeV-Energiebereich aus unserer Milchstraße stammt. Genauso gut könnte sie ihren Ursprung im Umfeld der Schwarzen Löcher in den Kernen anderer Galaxien haben.

Das chinesisch-japanische Tibet AS-Gamma Experiment lässt das nun unwahrscheinlich erscheinen: Die meisten der 23 beobachteten PeV-Gammaquanten erreichten die Erde aus Richtung der galaktischen Scheibe. Und da Gammastrahlung – anders als Atomkerne und andere geladene Bestandteile der kosmischen Strahlung – einfach immer geradeaus fliegt, müssen die energiereichen Photonen in unserer Galaxie entstanden sein.

Rätselhaft bleibt, wieso sich an keinem der Ursprungsorte der Gammaquanten ein Supernova-Überrest zu befinden scheint. Womöglich gibt es also noch andere kosmische Beschleuniger, schreibt das Team in den »Physical Review Letters«. In Frage kommt hier etwa das supermassereiche Schwarze Loch im Herzen unserer eigenen Galaxie. Andere Forscherteams hatten in der Vergangenheit auch dichte Sternhaufen ins Spiel gebracht.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.