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Sympathie: Die Macht der Mimik

Ein Lächeln, ein Zucken der Augenbraue, ein kurzes Stirnrunzeln: Unsere Mimik verrät mehr über uns, als wir denken. Und sie beeinflusst, wie sympathisch wir wirken.
Eine Frau mit langen roten Haaren trägt ein senfgelbes Oberteil und steht in einem Garten. Sie zieht eine Grimasse, indem sie ihre Lippen zur Seite verzieht. Im Hintergrund sind unscharfe Bäume und Pflanzen zu sehen.
Menschen mit ausdrucksstarkem Gesicht werden von einem zuvor unbekannten Gesprächspartner eher gemocht als solche, deren Gesichtsmuskeln unbewegt bleiben.

Ein geübter Kartenspieler – die Augen durch eine dunkle Sonnenbrille verdeckt und die Gesichtszüge so unbewegt wie möglich – schaut auf sein Blatt. Jeder kleine Hinweis darauf, dass er blufft oder aber wirklich gute Karten in der Hand hält, könnte ihn eine schmerzhaft hohe Summe an Geld kosten. In solchen Situationen hilft es, ein »Pokerface« zu haben.

Doch im täglichen Leben, etwa beim Umgang mit Familie, Freunden und neuen Bekannten, ist es besser, seiner Mimik freien Lauf zu lassen. Wie Forschungsergebnisse zeigen, kann eine Bewegung des Gesichts, sei es ein Lächeln, eine hochgezogene Augenbraue oder ein Runzeln der Nase, dazu beitragen, dass man sympathischer wirkt.

Eine Studie aus dem Jahr 2024 bestätigt diesen Befund: Personen mit ausdrucksstarkem Gesicht werden von einem neuen Gesprächspartner eher gemocht als solche, deren Gesichtsmuskeln unbewegt bleiben. Das könnte erklären, warum Menschen im Verlauf der Evolution eine derart feine Mimik entwickelt haben. In der Tat ist unsere Spezies vermutlich mitteilsamer als jede andere. Menschen machen bei einer typischen sozialen Interaktion im Durchschnitt 101 Gesichtsbewegungen pro Minute.

Soziale Beziehungen entschieden einst über Leben und Tod

Um zu verstehen, weshalb die Mimik so viel bewirkt, ist es zunächst wichtig, zu betonen, wie bedeutsam soziale Bindungen für das menschliche Überleben sind. Während des größten Teils der Evolutionsgeschichte haben sich die Mitglieder unserer Spezies auf enge Gemeinschaften verlassen, um einander zu ernähren und sich gegenseitig vor Raubtieren oder anderen Gefahren zu beschützen. Das Bewahren sozialer Beziehungen war buchstäblich eine Frage von Leben und Tod. Andernfalls hätte man dem Tiger im Busch vielleicht allein gegenübergestanden. Jede Fähigkeit oder Verhaltensweise, die es Menschen erlaubte, lebensrettende Bindungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, blieb wahrscheinlich über unzählige Generationen hinweg sowohl in unserem Genpool als auch in unserem kulturellen Repertoire erhalten. Und laut aktueller Forschung könnte auch die Mimik in diese Kategorie fallen.

In der bereits erwähnten Studie wurden 52 Personen dabei gefilmt, wie sie online mit einem Forscher interagierten, der sich als einer der Teilnehmer ausgab. Währenddessen inszenierte der Forscher verschiedene herausfordernde soziale Szenarien. Er erzählte etwa einen schlechten Witz oder verwickelte die Teilnehmenden in eine Verhandlung, in der er 80 Prozent einer Belohnung einforderte. Diese Situationen ahmten alltägliche Erfahrungen nach, etwa soziale Konflikte, Peinlichkeiten oder auch den Versuch, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Während der gesamten Zeit beobachtete das Forschungsteam, wie sich das Gesicht der Probanden bewegte. Eine automatisierte Software analysierte dann die kleinen Gesichtsmuskelbewegungen, die sie während der Interaktionen machten.

Verträgliche, extravertierte oder neurotische Menschen wenden womöglich mehr Zeit und Energie für soziale Interaktionen auf

Interessanterweise hatten diejenigen, die anhand eines Fragebogens vorab als verträglich, extravertiert oder neurotisch eingestuft worden waren, eine ausdrucksstärkere Mimik. Menschen mit diesen Persönlichkeitsmerkmalen wenden womöglich mehr Zeit und Energie für soziale Interaktionen auf – sei es, weil sie gerne Kontakte knüpfen oder weil sie sich überdurchschnittlich viele Gedanken darüber machen, wie sie auf andere wirken. Und dieser zusätzliche Aufwand könnte sich lohnen. Die Teilnehmenden und ihre Gesprächspartner bewerteten im Anschluss an die Interaktionen, wie sehr sie sich gegenseitig mochten – die gleiche Bewertung nahmen 176 andere Teilnehmer vor, die sich Videoclips von diesen Personen ansahen. Das Muster war eindeutig: Menschen, die ausdrucksstärker waren, wurden von anderen mehr gemocht.

Aber wieso sollte eine ausdrucksstarke Mimik unsere Fähigkeit verbessern, soziale Bindungen aufzubauen? Stellen Sie sich vor, Sie lernen jemanden kennen und versuchen, herauszufinden, ob er als Freund, Kollege oder Liebespartner in Frage kommt. Sie fragen sich vielleicht, ob Sie ihm vertrauen können, ob er Ihnen helfen oder schaden wird – und ob Sie einander überhaupt verstehen können. Jemand, der leichter zu durchschauen ist, scheint attraktiver zu sein als jemand, der eher zurückhaltend ist.

Ausdrucksstarke Menschen sind leichter zu lesen

Die Studienergebnisse unterstützen diese Interpretation. Die Teilnehmenden dokumentierten ihre Gedanken und Gefühle zu verschiedenen Zeitpunkten während des Gesprächs. Später verglich das Forschungsteam diese Gedanken mit dem, was Außenstehende – die das Video der Teilnehmenden sahen – in ihrem Gesicht »lasen«. Wie sich herausstellte, teilten die ausdrucksstärkeren Probanden ihre Gedanken tatsächlich über ihr Gesicht mit. Die Betrachter der Videos waren der Meinung, die ausdrucksstarken Teilnehmer seien leichter zu lesen, was deutlich mit der für sie empfundenen Sympathie zusammenhing.

Einfacher formuliert: Eine ausdrucksstarke Mimik kann anderen das Gefühl geben, dass das Gegenüber sie versteht. Und das weckt Wohlwollen. Dies wiederum unterstützt die Vermutung, dass die Hauptfunktion der Mimik darin besteht, uns berechenbarer zu machen. Mimik vermag zudem weit mehr, als nur Emotionen zu vermitteln. Wir können unsere Augenbrauen hochziehen, um zu zeigen, dass wir aufmerksam zuhören. Wir können einem Freund ein wissendes Lächeln schenken oder jemanden mit einem strengen Blick in die Schranken weisen. Um diese Art von Botschaften zu senden, ist kein bestimmter emotionaler Zustand erforderlich. Denn Anziehungskraft hängt mit der Ausdrucksfähigkeit und nicht mit einer bestimmten Emotion zusammen. Man könnte zum Beispiel vermuten, Menschen mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck seien beliebter. Aber obwohl ein zufriedenes Lächeln sehr sympathisch wirkt, wurden ausdrucksstarke Personen in der Studie auch dann gemocht, wenn sie nicht besonders viel lächelten.

Eine weitere interessante Erkenntnis der Studie: Die Ausdrucksstärke blieb bei den Teilnehmenden stets gleich, selbst wenn sich die Situation oder der Gesprächspartner und damit die erlebte Emotion änderte. Demzufolge ist eine starke Mimik offenbar eine konstante, vom Kontext unbeeinflusste Eigenschaft einer Person.

Unabhängig davon, wie ausdrucksstark man im Allgemeinen ist, kann man natürlich auch wählen, ob man in bestimmten Situationen mehr oder weniger von sich preisgeben will. Die Entscheidung, offen und ausdrucksstark aufzutreten, mag zunächst beängstigend wirken, denn sie macht einen verletzlich. Doch wie sich zeigt, lohnt es sich, das Pokerface am Kartentisch zu lassen.

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  • Quellen
Scientific Reports 10.1038/s41598–024–62902–6, 2024

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