Misogynie: Die Wut und das Leiden der »Incels«

Die so genannten Incels sind eine Onlinesubkultur von Männern, die nach eigener Aussage unfreiwillig ohne Partnerin leben – daher der Name, von »involuntary celibates« – und größtenteils Frauen für ihre Lage verantwortlich machen. Der Gruppe werden seit einiger Zeit misogyne und zum Teil auch gewaltbereite Tendenzen unterstellt, die Forschungslage ist allerdings dürftig. In einer von der britischen Regierung beauftragten Studie der Swansea University hat man die Gemeinschaft genauer unter die Lupe genommen.
Der Kriminologe und Politikwissenschaftler Joe Whittaker suchte gemeinsam mit zwei Kollegen in sozialen Netzwerken, über Ankündigungen in Podcasts und in Onlineforen Männer ab 18 Jahren, die sich selbst als Incels bezeichneten. So rekrutierten sie die nach ihren Angaben bisher größte Stichprobe dieser Art mit 561 Teilnehmern, denen sie eine Reihe von Fragebögen vorlegten.
Eines der wichtigsten Ergebnisse: Die Mehrheit der Incels gab an, unter psychischen Problemen zu leiden. Rund 40 Prozent berichteten von Symptomen, die auf eine Depression hindeuten; ebenso viele zeigten Anzeichen einer generalisierten Angststörung. Suizidgedanken waren weit verbreitet: Jeder Fünfte hatte demnach in den letzten zwei Wochen nahezu täglich daran gedacht, sich das Leben zu nehmen. Diese Suizidpläne wurden oft auch online mit der Community geteilt. Bei ganzen 31 Prozent der Befragten deuten zudem die Resultate eines speziellen Screening-Fragebogens auf eine mögliche Autismus-Spektrum-Störung hin – ein deutlich größerer Anteil als in der Allgemeinbevölkerung.
Die Teilnehmer gaben an, viel Zeit mit »wütendem Nachdenken« und mit dem Schmieden von Racheplänen zu verbringen. Als ihre Hauptfeinde empfinden sie Feministinnen und die politische Linke, aber auch die breite Gesellschaft. Dass sie tatsächlich ihre Wut an Unbeteiligten auslassen, gaben jedoch nur wenige zu Protokoll. Rund ein Viertel fand allerdings, Gewalt gegen Personen, die der Incel-Community schaden, sei zumindest »manchmal« gerechtfertigt. Wer einer Gewaltanwendung stärker zustimmte, hatte besonders frauenfeindliche Einstellungen, fühlte sich eher diskriminiert und war bei schlechterer psychischer Gesundheit. Wie viel Zeit die Teilnehmer in Incel-Foren im Netz verbrachten, hing dagegen kaum mit ihrer Gewaltbereitschaft zusammen.
Die Vernetzung der jungen Männer untereinander sei daher nicht das Hauptproblem, schlussfolgern die Autoren. Stattdessen benötige es Interventionen, um die psychische Gesundheit zu verbessern und extremistische Ideologien zu bekämpfen. Auch Angebote zur Reduktion von Einsamkeit und der subjektiv erlebten Diskriminierung könnten einer Radikalisierung entgegenwirken.
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