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News: Mit nur einer Nase in die Abhängigkeit

Einmaliges Schnupfen von Kokain reicht aus, um bestimmte Gehirnbereiche für eine ganze Woche in heftige Aktivität zu versetzen. Betroffen sind ausgerechnet jene Areale, die in der Entstehung von Abhängigkeiten eine Rolle spielen. Diese Veränderungen könnten das Gehirn auf ein Suchtverhalten eichen.
Belohnungen sind etwas Schönes. Ob ein Schokoriegel nach getaner Arbeit oder ein anerkennendes Wort bleibt sich eigentlich gleich. Auch das Gehirn wird gerne belohnt und strebt diesen Glückszustand immer wieder an. Mit Drogensucht verhält es sich nicht anders. Als Reaktion etwa auf Kokain wird das Belohnungszentrum angeschaltet und sorgt für den Wunsch, diesen Zustand möglichst oft zu erleben.

Ein großer Schritt in die Abhängigkeit ist nach neusten Erkenntnissen von Wissenschaftlern des Ernest Gallo Clinic and Research Center der University of California in San Francisco schon der Konsum einer einzigen Prise der pulvrigen Droge. Der Neurologe Antonello Bonci und seine Kollegen untersuchten hierzu die Auswirkungen auf einen bestimmten Bereich im Gehirn, der in der Entstehung von Abhängigkeiten eine entscheidende Rolle spielt: das so genannte ventrale Tegmental-Areal (VTA).

Um die molekularen Veränderungen, die den Vorgang des Lernens begleiten, sichtbar zu machen, nutzen die Neurologen ein gängiges Labormodell und wandelten es für ihre Fragestellung ab. Statt die chemischen Verbindungen zwischen Neuronen im Hippocampus unter die Lupe zu nehmen, verwendeten sie elektrophysiologische Tests, und zwar an Gehirngewebe von Mäusen, die vorher mit Kokain behandelt worden waren. Die Tiere entwickelten eine emsige Aktivität im VTA, genau in dem Gehirnbereich, der über den Botenstoff Dopamin die Bildung die so genannte Langzeitpotenzierung beeinflusst.

Normalerweise sind im Lernprozess nur einzelne Verbindungen zwischen Nervenzellen verändert. Doch die Mäuse waren nicht so wählerisch. Bei ihnen waren fast alle durch Dopamin-gesteuerten Neurone betroffen, und zwar nach einer nur einmaligen Gabe der Droge. Die aktivierende Wirkung hielt für mindestens eine Woche an. Während dieser Zeit häufen sich die molekularen Vorgänge an, die für eine Veränderung in der Gedächtnisbildung sorgen. Der Abhängigkeit ist somit Tür und Tor geöffnet.

Nun planen die Forscher, die Drogenwirkung zu überlisten. Sie suchen nach Medikamenten, die zwar die Kokain-induzierten Veränderungen im Gehirn verhindern, andererseits aber nicht in die normale Gedächtnisbildung eingreifen.

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  • Quellen
Nature 411: 583–587 (2001)

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