Direkt zum Inhalt

News: Mit Ribozymen gegen Mutanten

Retinitis pigmentosa ist eine erbliche Krankheit der Augennetzhaut, bei der eine Sorte lichtempfindlicher Zellen, die Stäbchen, nach und nach absterben. Zwölf Prozent der amerikanischen Patienten, die an dieser Krankheit leiden, sind Träger einer Mutation in einem Gen, das für Rhodopsin, das photosensitive Pigment, codiert. Diese Mutation führt zur Zerstörung der Stäbchenzellen. Die Sehfähigkeit eines Patienten läßt im Dämmerlicht nach, das periphere Sehen verschlechtert sich zunehmend. Jetzt haben amerikanische Forscher zum ersten Mal eine Behandlung entwickelt, welche die Degeneration der Stäbchen verlangsamt und so die Funktion der Retina länger erhält.

Alfred Lewin vom University of Florida College of Medicine und seine Kollegen haben eine Waffe entwickelt, die das mutierte Gen wirksam unterdrückt. Gene sind in DNA "geschrieben", einer "Sprache", welche die Zelle nicht direkt lesen kann. Die Erbinformation muß zuerst in messenger-RNA (mRNA) übersetzt werden. Die mRNA-Kopie des Gens dient dann bei der Herstellung von Proteinen wie Rhodopsin als Schablone. Die Forscher konstruierten jetzt ein aktives RNA-Molekül, das gezielt nur die mRNA-Kopien des mutierten Gens zerstörte. Normale mRNA-Moleküle griff es nicht an. Dieses Ribozym transportierten Lewin und seine Mitarbeiter mit Viren, die speziell für diese Aufgabe hergestellt waren, in die Stäbchenzellen (Nature Medicine vom August 1998, Abstract).

Sobald die Wissenschaftler ihre "Waffe" in die Augen von Ratten injiziert hatten, die als Modellorganismen für Retinitis pigmentosa dienten, griffen die Ribozyme die mRNA-Kopien des mutierten Rhodopsin-Gens an und zerstörten diese. Von den zwei Exemplaren des Gens im Erbmaterial ist bei Erkrankten nur eines mutiert, das andere codiert für normales Rhodopsin. Mit Hilfe der mRNA, die von dem gesunden Gen kopiert wurde, kann die Zelle das Protein also weiterhin herstellen – trotz der Zerstörung der mutierten Variante. Die Vernichtung der "kranken" mRNA verlangsamte die Degeneration der Retina beträchtlich und ihre Funktion blieb länger erhalten.

Zum ersten Mal konnte dieses therapeutische Verfahren hier am Tiermodell einer menschlichen Krankheit demonstriert werden, die dominant vererbt wird. Bei diesem Erbgang "unterdrückt" das mutierte Gen das gesunde, die Zelle produziert hauptsächlich das mutierte Protein. Jetzt hoffen die Forscher, daß sich diese Technik auch zur Behandlung anderer, dominant vererbter Krankheiten eingesetzt werden kann.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.