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Artemis-Mission: Mit SpaceX zum Mond?

Die Amerikaner wollen wieder zum Mond, und SpaceX könnte sie dorthin bringen – vergleichsweise schnell und günstig. Doch politische Machtspielchen stehen dem entgegen.
Künstlerische Darstellung der geplanten Mondlandung der NASA

Wenn Jim Bridenstine, der umtriebige Chef der US-Raumfahrtagentur NASA, von der nächsten großen Mission seiner Behörde spricht, verwendet er gern das Wörtchen »nachhaltig«: Nachhaltig soll sie sein, die Rückkehr zum Mond, die US-Präsident Trump der NASA fürs Jahr –2024 ins Pflichtheft geschrieben hat. »Das Apollo-Programm war toll, wir lieben es«, sagt Bridenstine dann. Doch dieses Mal ginge es darum, eine nachhaltige Präsenz auf dem Mond aufzubauen.

Ein Problem hat die NASA dabei allerdings: Ausgerechnet die Rakete, die Amerikas Astronauten zum Erdtrabanten bringen soll, ist alles andere als nachhaltig. Sie ist ein Koloss, wahnsinnig teuer und wahnsinnig komplex – eine Wegwerfrakete zum Stückpreis von zwei Milliarden Dollar, von der niemand weiß, ob sie im Jahr –2024 überhaupt einsatzbereit sein wird. Derzeit steigt daher der Druck auf die NASA, sich nach realistischeren Optionen umzuschauen – zum Beispiel beim privaten Raketenunternehmen SpaceX, das gerade erst erfolgreich Raumfahrer ins All und zurück gebracht hat. Eine Zusammenarbeit in Sachen Mondmission wäre technisch durchaus machbar und finanziell sinnvoll. Doch die Politik in Washington steht dem bislang noch im Weg.

Bridenstine ist daher in einer Zwickmühle. Einerseits ist der politische Auftrag klar: Spätestens Ende 2024, so will es Präsident Trump, sollen der nächste Amerikaner und die erste Amerikanerin auf dem Mond landen – »koste es, was es wolle«, wie Vizepräsident Mike Pence, Trumps Mann fürs All, gerne sinngemäß sagt. Andererseits entscheidet nicht das Weiße Haus über die Finanzierung solch einer Mission, sondern der Kongress, bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus. Den dortigen Abgeordneten ist im Zweifelsfall der eigene Kirchturm aber wichtiger als irgendwelche Flaggen auf dem Mond. Und wenn sich solch ein Flug schon nicht verhindern lässt, wollen sie damit immerhin möglichst viele Arbeitsplätze und Industrieaufträge in ihren Wahlkreis oder Bundesstaat holen.

Politisch motiviertes Flickwerk

Für die Mondmission, Artemis genannt, bedeutet das: Gestartet werden soll mit einer Rakete namens SLS, dem Space Launch System. Das Monstrum, ähnlich leistungsfähig wie die Mondrakete Saturn V, wurde vom Kongress einst als Nachfolger des Spaceshuttles konzipiert. Wobei »Nachfolger«, übersetzt aus der Politikersprache, bedeutet: SLS sollte möglichst viele Arbeitsplätze des Shuttle-Programms erhalten. Herausgekommen ist daher ein politisch motiviertes Flickwerk. Herzstück der Rakete ist ein stark umgebauter Außentank des Shuttles. Die beiden seitlichen Feststoffraketen sind aufgebohrte Versionen der Shuttle-Booster. Und selbst die Triebwerke der früheren Raumgleiter kommen wieder zum Einsatz. Das klingt irgendwie sogar nachhaltig. Es ist aber weder innovativ oder günstig noch schnell und einfach umzusetzen. Es ist politisch motiviert.

Bei SpaceX sieht das ganz anders aus. Erst vor wenigen Wochen demonstrierte das Unternehmen zum wiederholten Mal, wie Innovation geht: Nach 63 Tagen in der Erdumlaufbahn landete Anfang August eine Crew-Dragon-Kapsel sicher im Golf von Mexiko. Die Mission war der erste orbitale Flug von Astronauten mit einem US-Raumfahrzeug seit dem Ende der Spaceshuttles im Jahr 2011 – und das vergleichsweise günstig: Etwa drei Milliarden Dollar hat die NASA für die Entwicklung der Raumkapsel an SpaceX überwiesen. Die Ingenieure hatten dabei weitgehend freie Hand, sie mussten lediglich im Kostenrahmen bleiben. Das zwang sie, innovativ zu sein, schnell und zuverlässig. Dass solche Erfolgsmeldungen Begehrlichkeiten wecken, ist kaum überraschend: »Diese kommerziell entwickelte Technik eröffnet unserem Land die Möglichkeit, Astronauten viel schneller und viel billiger zum Mond zu bringen, als wir uns das jemals vorstellen konnten«, schreiben die US-Ingenieure Robert Zubrin und Homer Hickham in einem Gastbeitrag für die »Washington Post«. »Sollte das Land das nicht nutzen?«, fragen sie.

Wenn das Geld ohnehin fließt

Das Space Launch System, das federführend von Boeing entwickelt wird, folgt hingegen traditionellen Vergaberichtlinien: Die NASA macht die Vorgaben, Boeing baut. Jede Schraube, jede zusätzliche Arbeitsstunde wird extra bezahlt. Der Druck, sich zu beeilen oder die Wünsche zu hinterfragen, ist somit minimal – schließlich fließt das Geld ohnehin. Das hat Folgen: Ende 2016 sollte SLS ursprünglich fertig werden. Nun peilt die NASA November 2021 für den ersten Testflug an – noch ohne Menschen an Bord. Es könnte also eng werden bis 2024.

Gleichzeitig steigen die Kosten. Mehr als 18 Milliarden Dollar musste die NASA bislang für die Entwicklung ihrer Superrakete zahlen – deutlich mehr als veranschlagt. Die Kostenexplosion ist so groß, dass sich nun sogar der Kongress offiziell mit ihr befassen muss. Dass er die Reißleine zieht, ist dennoch unwahrscheinlich. Insbesondere der einflussreiche Chef des Haushaltsausschusses, Senator Richard Shelby aus Alabama, wo SLS hauptsächlich gebaut wird und sogar Autokennzeichen ziert, gilt als großer Freund des Space Launch System. In den USA wird die Rakete daher auch gern als »Senate Launch System« verspottet.

Ein ähnlich desaströses Bild zeigt sich bei der Raumkapsel Orion, die die Astronauten an der Spitze der SLS-Rakete zum Mond bringen soll. Mehr als 23 Milliarden Dollar, so Berechnungen der Planetary Society, sind bislang in deren Entwicklung geflossen. Orion war einst gedacht als Taxi zur ISS, dann für Flüge zu einem Asteroiden, nun für den Mond. Jeder Kurswechsel hat Spuren und Ballast hinterlassen. »Orion ist ein Elefant und nicht das Rennpferd, das wir brauchen«, kritisieren Zubrin und Hickham.

»Orion ist ein Elefant und nicht das Rennpferd, das wir brauchen«
Robert Zubrin und Homer Hickham

Knapp 26 Tonnen bringen die Orion-Kapsel und ihr in Europa gebautes Servicemodul mittlerweile auf die Waage. Crew Dragon liegt hingegen bei zehn Tonnen. Das ist leicht genug, um mit der nicht ganz so leistungsstarken, dafür größtenteils wiederverwendbaren Falcon-Heavy-Rakete von SpaceX Richtung Mond katapultiert zu werden – zu einem Stückpreis von 200 Millionen Dollar und nicht von zwei Milliarden wie bei SLS. Crew Dragon hätte bei all dem sogar noch Reserven, um ausreichend Treibstoff für den Rückflug vom Mond zur Erde mitzunehmen. Bei der übergewichtigen SLS-Orion-Kombination müsste dieser zuvor mit einer weiteren Rakete in Mondnähe deponiert werden.

Wenige Anpassungen für Mondmission mit Crew Dragon

Auch technisch scheint einem Mondflug mit Crew Dragon wenig entgegenzustehen. Zwar ist die Kapsel für Flüge in die Erdumlaufbahn entwickelt worden, SpaceX hat aber bereits in der Vergangenheit die Möglichkeit untersucht, sie für Starts zum Mars einzusetzen. Für eine Mondmission seien somit nur wenige Änderungen nötig, erklärt der SpaceX-Berater und frühere NASA-Astronaut Garrett Reisman im Magazin »Ars Technica«. So müssten Kommunikation und Navigation umgestellt werden, die derzeit auf GPS-Signale setzen. Die Elektronik müsste besser vor der harten kosmischen Strahlung geschützt werden. Und Luft, Wasser sowie Nahrung würden zusätzlichen Platz im Innenraum wegnehmen.

Besonders üppig ist der ohnehin nicht, auch wenn Crew Dragon um etwa 50 Prozent größer ausfällt als die alten Apollo-Kapseln. »Es gibt zwar Freiraum neben den Sitzen, aber mit vier Leuten dürfte es dann doch etwas kuschelig werden«, gab Astronaut Bob Behnken nach dem erfolgreichen Jungfernflug zu Protokoll. Trotzdem hat Crew Dragon einen entscheidenden Vorteil: Die SpaceX-Kapsel funktioniert. Orion mitsamt Servicemodul muss das erst noch unter Beweis stellen.

NASA-Chef Bridenstine schreckt dennoch davor zurück, SLS und Orion den Laufpass zu geben. Und er hat gute Gründe dafür, milliardenschwere nämlich: 3,3 Milliarden Dollar verlangt die NASA vom US-Kongress, um im kommenden Haushaltsjahr das Artemis-Programm vorantreiben zu können. Bislang hat das Repräsentantenhaus nur 628 Millionen Dollar bereitgestellt. Die große Hoffnung ruht nun auf dem Senat, der erst noch beraten wird. Ohne SLS, ohne das »Senate Launch System«, dürften die Chancen dort äußerst gering sein.

Ganz auf kommerzielle Konzepte will Bridenstine, der gelernte Politiker und Stratege, dennoch nicht verzichten. Die Landefähre, die die Astronauten von der Mondumlaufbahn zur Oberfläche und zurück zum Orion-Raumschiff bringen soll, wird in einem kommerziellen Wettbewerb vergeben – ganz ähnlich wie damals bei Crew Dragon, auch wenn einige Abgeordnete mit Blick auf ihre irdischen Kirchtürme vehement gegen die neue Methode protestieren. Drei Finalisten hat die NASA inzwischen für den Bau der Landefähre ausgesucht, sie sollen nun konkrete Pläne vorlegen. Einer von ihnen heißt: SpaceX.

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