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News: Mittagstief

Licht steuert den täglichen Rhythmus unserer inneren Uhr. Wirklich nur Licht? Oder spielen hier noch andere Faktoren eine Rolle - wie zum Beispiel Hunger?
Maus
Jeder Vielflieger kennt das Phänomen: Wenn der regelmäßige Hell-Dunkel-Wechsel plötzlich aus dem Takt gerät, folgt der gefürchtete Jetlag. Die Zeitzonenverschiebung bringt unsere innere Uhr durcheinander, die Nacht wird zum Tag, während tagsüber eine schier unüberwindbare Müdigkeit den Globetrotter plagt.

Doch der Körper passt sich relativ schnell an die neuen Gegebenheiten an. Nach nur wenigen Tagen hat sich die innere Uhr auf den veränderten Tag-Nacht-Rhythmus eingestellt – bis der Rückflug wieder alles durcheinander wirft.

Gesteuert wird der tägliche Schlafrhythmus in einer Hirnregion des Hypothalamus: Hier sitzen die paarigen suprachiasmatischen Nuclei (SCN), die als zentrale Schrittmacher der inneren Uhr dienen. Dabei ticken sie autonom ungefähr – aber nicht genau – im 24-Stunden-Rhythmus. Beim Menschen geht die Uhr ein wenig vor, bei Mäusen etwas nach. Der Schrittmacher muss also über einen externen Zeitgeber ständig nachjustiert werden, und das geschieht über das Licht.

Als "Unruhe" der Uhr fungieren so genannten Transkriptionsfaktoren – Proteine, die regelmäßig bestimmte Gene anschalten, welche wiederum die täglichen Aktivitäten steuern. Dem wichtigsten Faktor des SCN gaben die Forscher den einprägsamen Namen CLOCK.

Die Wissenschaft kennt jedoch auch noch weitere Transkriptionsfaktoren der Tagesrhythmik, wie beispielsweise das Protein NPAS2, das allerdings nicht im SCN, sondern in Regionen des Vorderhirns gebildet wird, wo Informationen aus den Sinnesorganen verarbeitet werden. Welche Rolle dieses Protein genau spielt, hat jetzt Carol Dudley vom University of Texas Southwestern Medical Center aufgespürt – und zwar bei Mäusen.

Praktischerweise lieben die nachtaktiven Tiere Laufräder, in denen sie sich gerne austoben, sodass neugierige Forscher die Aktivitätsrhythmen automatisch aufzeichnen können. Dabei zeigt sich, dass die Nager nicht die ganze Nacht rege sind; gegen Mitternacht werden sie müde – sie ziehen sich zu einem Mitternachtsschlaf zurück.

Als Dudley zusammen mit ihren Kollegen jedoch Mäuse züchtete, bei denen das Gen Npas2 außer Gefecht gesetzt war, machte sie eine interessante Entdeckung: Die Mangelmutanten verzichteten auf ihr nächtliches Nickerchen und blieben die ganze Nacht wach.

Doch damit nicht genug: Die Forscher forderten jetzt ihre Versuchstiere heraus, indem sie ihnen nur noch tagsüber etwas zu fressen gaben – also zu Zeiten, in denen anständige Mäuse nur ungern gestört werden.

Normalerweise können sich die Tiere diesem ungewohnten Rhythmus anpassen. Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase werden sie tagsüber – pünktlich zur Fütterung – wach. Ganz anders dagegen die Mäuse mit dem abgeschalteten Npas2-Gen: Auch nach etlichen Tagen verschliefen sie immer noch die täglichen Fütterungszeiten, sie magerten ab, manche von ihnen starben.

Die Forscher schließen hieraus, dass es mindestens zwei innere Uhren gibt: Die erste mit dem Transkriptionsfaktor CLOCK liegt im SCN und wird über Licht synchronisiert. Die zweite befindet sich im Vorderhirn, wird über das Protein NPAS2 gesteuert, und als Zeitgeber dient nicht Licht, sondern sensorische Reize, die beispielsweise Nahrungsknappheit melden.

Und diese zweite Uhr ist vielleicht für das alltägliche Mittagstief verantwortlich, das uns regelmäßig überfällt. "Könnte es sein", so fragen sich die Forscher, "dass die Kulturen, die eine ausgeprägte Siesta pflegen, optimal an unseren inneren Rhythmus angepasst sind?"

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