Himmelsschauspiel: Erneut Polarlichter über Deutschland?

Auf der Sonne kommt es immer wieder zu heftigen Ausbrüchen: den koronalen Massenauswürfen (englisch: coronal mass ejections, CMEs). Dabei ziehen Magnetfelder große Mengen von Materie aus der Sonnenoberfläche und transportieren sie weit in den interplanetaren Raum hinaus. Als »Sonnenstürme« können sie die Erde treffen. Allerdings sind sie ähnlich wie das irdische Wetter schwer vorherzusagen.
Der Website »Spaceweather« zufolge sorgte in der Nacht auf Montag, den 1. Dezember eine gewaltige Fleckengruppe an der Südostkante der Sonnenscheibe für eine starke Eruption. Teilchen des Sonnenwinds ionisierten die obere Erdatmosphäre und verursachten einen kurzzeitigen Ausfall des Kurzwellenfunks direkt über Australien. Leichte Polarlichterscheinungen waren vermutlich in Regionen höherer Breite wie Kanada, Alaska, Skandinavien und Island zu beobachten – für Deutschland bestand keine Möglichkeit der Sichtung. Das könnte sich in den kommenden Nächten ändern.
Nach aktuellen Modellen des NOAA/Space Weather Prediction Center (SWPC) wird die Stoßfront eines CMEs die Erde am 3. Dezember streifen. In diesem Szenario sind geomagnetische Stürme am 3. und 4. Dezember nicht ausgeschlossen – auch für niedrigere Breiten besteht damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit Polarlichter beobachten zu können. Ob und in welchem Ausmaß Mitteleuropa betroffen wäre, bleibt allerdings offen und hängt stark von der exakten Einschlagsrichtung und dem lokalen Magnetfeldverlauf ab.
Wie das Leuchten in der Atmosphäre entsteht
Wenn die Sonnenstürme unseren Planeten erreichen, wechselwirken die solaren Partikel mit der Erdatmosphäre – und es kommt zu Polarlichtern, in unseren Breiten auch Nordlichter genannt (Aurora borealis). Das sind auffällige Leuchterscheinungen, die weite Teile des Himmels mit einem farbenprächtigen Glimmen erfüllen. Die Farbe hängt von den chemischen Elementen ab, die von den Sonnenpartikeln zum Leuchten angeregt werden. So strahlen Polarlichter von Stickstoff blau sowie violett und solche von Sauerstoff grün und rot.
Sonneneruptionen werden je nach ihrer maximalen Intensität den Strahlungsklassen A, B, C, M und X zugeordnet. CMEs machen sich als Flares im elektromagnetischen Spektrum vom Radio- bis in den Röntgenbereich bemerkbar. Jede dieser Klassen ist mit den Ziffern 1 bis 10 nochmals unterteilt. Ein Flare mit der Bezeichnung X10 ist das stärkste Röntgenflare.
Für jenes in der Nacht auf Montag meldete das NOAA/Space Weather Prediction Center (SWPC) um 03:49 Uhr MEZ eine von Stärke X1,9. Doch zur Überraschung der Astronomen kam der Sonnenausbruch aus der Region des kleinen und harmlos wirkenden Sonnenflecks AR 4295 und nicht etwa aus der deutlich prominenteren Gruppe weiter südlich.
Die NASA-Marsmission »Perseverance« hatte die beiden Sonnenflecken AR 4294 und AR 4296 bereits vor einigen Tagen von Mars aus gesichtet, kurz bevor beide in das Sichtfeld der Erde weiter rotierten. Der Mars steht nämlich zurzeit fast auf der gegenüberliegenden Seite zur Sonne. Inzwischen ist die Fleckengruppe vollständig von der Erde aus zu sehen, wie ebenfalls Bilder der Raumsonde SOHO zeigen.
Der Sonnenfleckenkomplex zählt zu den größten der vergangenen zehn Jahre: In seiner längsten Ausdehnung misst er etwa 180 000 Kilometer und umfasst mehrere dunkle Kernbereiche, von denen mindestens fünf größer sind als die Erde selbst. Das Magnetfeld der zwei eng stehenden Hauptflecken ist hochgradig instabil und speichert enorme Energiemengen. Wissenschaftler erwarten daher in den kommenden Tagen neben moderaten Aktivitäten auch weitere Klasse-X-Eruptionen.
Vergleiche mit dem historischen »Carrington-Fleck« am 1. September 1859 zeigen, dass die aktuelle Gruppe in der Flächengröße annähernd an das Ereignis von 1859 heranreicht. Dieser produzierte damals ein blendendes Klasse-X45-Flare – zwei Tage später folgte ein geomagnetischer Sturm, der als das Carrington Event in die Geschichte einging.
Polarlichter selbst beobachten
Es ist grundsätzlich schwierig, Polarlichter vorherzusagen, sowohl ob sie auftreten als auch wann und wo. Zudem muss das irdische Wetter mitspielen. Die Prognose für diese Woche sagt größtenteils bewölkten bis wechselnd bewölkten Himmel voraus. Klarer Himmel für gute Polarlichtsicht ist also schwierig und nur mit etwas Glück zu bekommen.
Vom Beobachtungsstandort aus sollte man nach Norden schauen. Wenn nichts oder kaum etwas zu sehen ist, kann es sich lohnen, eine Aufnahme mit dem Smartphone zu machen. Polarlichter wirken auf Handyfotos oft viel farbiger und kräftiger, weil Smartphones mit speziellen Nachtmodi und längerer Belichtungszeit arbeiten. Die Kamera sammelt das schwache Licht über mehrere Sekunden. Polarlichter wirken auf dem Foto dann ausdrucksvoll und bunt, während wir sie mit bloßem Auge manchmal nur als grauen oder blassen Schein sehen.
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Mit Material der dpa
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