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Schmerzmedizin: Molekül für die Entwicklung chronischer Schmerzen identifiziert

Wissenschaftler konnten zeigen, dass ein bestimmtes Molekül in den Nervenzellen des Rückenmarks, der so genannte AMPA-Rezeptor, wesentlich zur Entwicklung chronischer Schmerzen beiträgt. Damit könnte ein neuer Ansatzpunkt für die Entwicklung von Arzneimitteln gefunden sein, die das Schmerzgedächtnis löschen oder seiner Entwicklung vorbeugen. Die Ergebnisse wurden von Wissenschaftlern der Universitäten Heidelberg, Erlangen und Berlin sowie dem Berliner Max-Delbrück-Centrum und dem Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung erarbeitet.

Starke Schmerzen von langer Dauer hinterlassen oft bleibende Spuren im Nervensystem. Der Körper vergisst die Schmerzen nicht: Selbst wenn der ursprüngliche Auslöser schon geheilt ist, können leichte Reize wie etwa Berührungen den früheren Schmerzzustand wieder hervorrufen. Bislang gibt es keine befriedigende Therapie für chronisch schmerzkranke Patienten; in Deutschland sind mehrere Millionen Menschen betroffen.

Die Nervenzellen im Rückenmark empfangen schmerzhafte Reize, die etwa durch Hitze, Verletzungen oder Entzündungen entstehen, über die Nervenbahnen als elektrische Signale von den Orten der Reizung. Über das Rückenmark werden die Signale dann ins Gehirn weitergeleitet und dort als Schmerzen wahrgenommen. Winzige Kanäle in den Zellmembranen, die so genannten Rezeptorkanäle, befördern dabei die Schmerzleitung. Durch sie werden während der Signalübertragung wichtige schmerzvermittelnde Stoffe, beispielsweise Kalzium, geschleust. Lassen die Kanäle zu viele Kalzium-Moleküle passieren, verstärkt sich das Schmerzempfinden.

Entfällt der Schmerzreiz dann nach kürzerer Zeit, so nehmen die Schmerzen ab und verschwinden. Bei chronischem Schmerz aber hat sich der dauernde Informationsfluss in das Gehirn fest etabliert.

Die Wissenschaftler haben nun untersucht, welche Rolle die so genannten AMPA-Rezeptoren bei solchen chronischen Schmerzen spielen. Entscheidend scheint dabei die biologische Bandbreite des Rezeptors zu sein: Er liegt in verschiedenen Formen vor, die – je nach genetischer Konstitution – für Kalzium durchlässig sind oder nicht. Tatsächlich entwickelten auf gentechnischem Weg erzeugte Maustypen mit den verschiedenen Rezeptorvarianten ein Langzeitgedächtnis für Schmerzreize nur gekoppelt mit einem bestimmten Typ des AMPA-Rezeptors. Solche AMPA-Rezeptor-Kanäle die den Botenstoff passieren lassen, vermitteln demnach das Schmerzgedächtnis, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler.

Ziel müsse es nun sein, einen Wirkstoff zu entwickeln, der diese Kanäle blockiert und so das Schmerzgedächtnis löscht oder gar nicht erst entstehen lässt, blickt Rohini Kuner, an der Universität Heidelberg beteiligt an der Studie, in die Zukunft. Entsprechende Forschungsarbeiten von pharmazeutischen Firmen laufen bereits: Seit längerem ist schon bekannt, dass diese Kanaltypen auch bei Epilepsie und krankhaften Angstzuständen eine Rolle spielen.

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