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Tieftemperaturphysik: Moleküle kalt gemacht

Magnetische Falle für Moleküle

Physiker kühlen Atome inzwischen routinemäßig auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ab. Die nahezu regungslosen Teilchen erlauben nicht nur eine immer bessere Kontrolle über deren Eigenschaften, sondern auch gänzlich neue Materiezustände. Die etablierten Kühlverfahren lassen sich allerdings nicht einfach auf Moleküle übertragen, denn deren Bewegungsmuster sind deutlich komplexer – sie rotieren und schwingen in sich. Einem Team von der University of Colorado in Boulder, US-Bundesstaat Colorado, ist es nun dennoch gelungen. Mit seinem Verfahren ließen sich zukünftig ultrakalte chemische Reaktionen untersuchen und womöglich sogar neuartige Phänomene aufdecken.

Die Wissenschaftler um Benjamin Stuhl entwickelten zunächst eine magnetische Falle, um darin rund eine Million Hydroxylradikale – jeweils ein Wasserstoffatom gebunden an ein Sauerstoffatom – einzufangen. Die Temperatur der gesamten Gaswolke ergibt sich aus den Beiträgen der einzelnen Teilchen, die ihre Energie durch elastische Stöße untereinander verteilen. Um das System zu kühlen, entfernten die Forscher nun gerade diejenigen Moleküle aus der Falle, deren Energie über dem Durchschnitt lag. Dabei machten sie sich zu Nutze, dass sich die kühlen Vertreter in der Mitte ihrer Falle versammeln, während sich die wärmeren in den Randbereichen aufhalten. Mit Mikrowellenpulsen verschiedener Frequenzen tasteten sie sich nun immer näher zum Zentrum vor und brachten die unerwünschten Moleküle damit in einen anderen Energiezustand. Mit Hilfe eines elektrischen Felds ließen sich diese Teilchen dann aus der Falle schubsen.

Magnetische Falle für Moleküle | Um das System zu kühlen, entfernten die Forscher gerade diejenigen Moleküle aus der Falle, deren Energie über dem Durchschnitt lag. Dabei machten sie sich zu Nutze, dass sich die kühlen Vertreter in der Mitte ihrer Falle versammeln, während sich die wärmeren in den Randbereichen aufhalten. Die verschiedenen Temperaturbereiche in der Falle werden in der Grafik durch unterschiedliche Farben dargestellt. Mit Mikrowellenpulsen tasteten sich die Wissenschaftler nun immer näher zum Zentrum vor und brachten die unerwünschten Moleküle damit in einen anderen Energiezustand. Mit Hilfe eines elektrischen Felds ließen sich diese Teilchen dann aus der Falle schubsen, was hier durch Pfeile symbolisiert wird.

Mit diesem so genannten Verdampfungskühlen brachten Stuhl und seine Kollegen das molekulare Gas von etwa 50 auf weniger als 5 Millikelvin, also auf wenige tausendstel Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt. Zudem wies die zurückbleibende Molekülwolke eine 1000-mal höhere Dichte auf als zuvor. Mit dem Verfahren seien aber noch viel tiefere Temperaturen erreichbar, so die Physiker. Neben der Chemie dieser ultrakalten Moleküle ließen sich dann vielleicht auch exotische Aggregatzustände erforschen – wie beispielsweise ein Bose-Einstein-Kondensat, in dem alle Teilchen des Systems denselben quantenmechanischen Zustand einnehmen. Die ultrakalten Moleküle könnten sich zudem als Quantensimulatoren eignen, um komplexe physikalische Systeme zu imitieren, oder einzelne Teilchen als Quantenspeicher.

Das Verdampfungskühlen hat sich seit über zwei Jahrzehnten bei Atomen bewährt. Moleküle galten jedoch als wenig geeignet dafür, da sie für gewöhnlich aus der Falle entweichen, noch bevor man sie heruntergekühlt hätte. Bei den Hydroxylmolekülen fallen diese Verluste jedoch geringer aus, da die dafür verantwortlichen Kollisionen unter den Teilchen durch eine abstoßende Wechselwirkung zwischen ihnen vergleichsweise selten auftreten, vermuten die Forscher anhand theoretischer Modelle. Hydroxylmoleküle spielen beispielsweise in kosmischen Gaswolken, in der Erdatmosphäre oder in Verbrennungsprozessen eine wichtige Rolle. Auch auf andere chemisch interessante Molekülsorten sollte das Verfahren anwendbar sein.

Physiker kühlen Atome inzwischen auf Temperaturen bis in den Nanokelvinbereich herunter. Solche ultrakalten Teilchen lassen sich dann zwar zu Molekülen verbinden und untersuchen, allerdings sind mit dieser Methode nur wenige Molekülsorten zugänglich. Eine andere Technik nutzt den so genannten Stark-Effekt aus, um polare Moleküle mit Hilfe von elektrischen Feldern abzukühlen – was derzeit bis in den zweistelligen Millikelvinbereich hinein gelingt.

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  • Quellen
Nature 492, S. 396–400, 2012

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