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News: Molekularer Diskjockey

Es ist recht leicht, einen Frisbee oder Diskus so zu werfen, dass seine Rotationsachse senkrecht auf der Flugbahn steht, aber wie sieht es mit ringförmigen Molekülen aus? Einem Forscherteam ist es nun gelungen, auch solche Verbindungen entsprechend auszurichten. Dazu mischten die Wissenschaftler die Moleküle mit einem leichten Gas und entließen sie durch eine feine Düse. Kollisionen zwischen ihnen und dem Trägergas sorgten dafür, dass sie die richtige Orientierung erhielten.
Die Atome eines leichten Gases wie Helium bewegen sich bei einer bestimmten Temperatur normalerweise schneller als die Moleküle eines schwereren Gases wie beispielsweise Sauerstoff oder Kohlenmonoxid. Forscher nutzten das in der Vergangenheit bereits dazu, die schweren Gasmoleküle auszurichten. Denn mischte man ein paar Prozent eines schweren Gases mit einem leichten Trägergas und entließ das Gemisch durch eine feine Düse, so sorgten die Kollisionen der schnellen Gasatome mit den behäbigen Molekülen dafür, dass sich letztere entlang der Stromrichtung ausrichteten – ganz ähnlich wie sich im Wasser treibende Baumstämme in Fließrichtung orientieren.

Nun kamen Vincenzo Aquilanti und seine Kollegen von der Università degli Studi di Perugia und der Università degli Studi di Trento auf die Idee, den gleichen Trick auch an planaren Molekülen zu probieren. Sie wählten für ihr Experiment das Benzol, den Grundbaustein der aromatischen Chemie. Dabei handelt es sich um ein flaches, sechseckiges Molekül, bestehend aus je sechs Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen. Wie bei vorangegangenen Experimenten mischten die Forscher etwa ein Prozent des ringförmigen Kohlenwasserstoffs mit Heliumgas und ließen das Gemisch als überschallschnellen Strahl aus einer Öffnung mit einem Durchmesser von nur einem Zehntel Millimeter strömen.

Im weiteren Verlauf des Experiments galt es, die Schwierigkeit zu überwinden, die Ausrichtung der mitgerissenen Benzolmoleküle zu detektieren. Denn Benzol weist weder ausgezeichnete elektrische, noch magnetische Eigenschaften auf, die leicht auf die Orientierung schließen lassen. Deshalb nutzte die Gruppe in Trento einen polarisierten und gepulsten infraroten Laserstrahl senkrecht zum Gasstrom und einen Energiedetektor an seinem Ende.

Die Wellenlänge des Laserlichts entsprach dabei derjenigen, die das Molekül bevorzugt absorbiert, wenn das elektrische Feld des Lichts in der Ebene des Moleküls schwingt. Der Detektor am Ende des Strahl konnte nun eine etwaige Anregung des Moleküls nachweisen. Durch Wechseln der Polarisationsebene konnten die Wissenschaftler prüfen, wie sich das Benzolmolekül orientiert hatte.

Hingegen verwendete die Gruppe in Perugia eine etwas andere Technik – jedoch mit gleicher Gasquelle. Hier schickten die Forscher das Gasgemisch zunächst durch einen Geschwindigkeitsfilter. Dabei handelt es sich um mehrere, hintereinander angeordnete, rotierende Scheiben, in die Löcher gestanzt sind. Nur Atome und Moleküle einer ausgewählten Geschwindigkeit können einen derartigen Parcours passieren. Nachdem der Gasstrahl diesen Filter durchlaufen hatte, traf er schließlich auf eine mit dem Edelgas Neon gefüllte Kammer. Hier wurden die Benzolmoleküle an den Molekülen des Edelgases gestreut. Da nun die Streuwahrscheinlichkeit abhängig von der Orientierung der Benzolmoleküle ist, ließ sich durch Messung der Intensität mithilfe eines Detektors am Ende des Strahlengangs weiterer Aufschluss über deren Ausrichtung vor der Streuung erlangen.

Unter Berücksichtigung der Analysen beider Gruppen, ergab sich nun, dass die meisten Benzolmoleküle bevorzugt so ausgerichtet waren, dass ihre Ebene parallel zum Fluss des Gasstroms stand – 20 bis 30 Prozent mehr als es bei zufälliger Orientierung hätten sein dürfen. Aquilanti meint, dass diese Ausbeute ausreicht, um einzelne Reaktionsschritte des Benzols beobachten zu können. Denn bei derlei Untersuchungen spielt die Ausrichtung des Moleküls häufig eine große Rolle. Sicherlich kann auch ein starker Laserpuls bewirken, dass sich Benzol für kurze Zeit entsprechend orientiert, doch eignet sich die beschriebene Methode besser für chemische Analysen, da sie einen kontinuierlichen Strom von ausgerichteten Molekülen gewährleistet.

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