Mondstaub: Rohstoff und Plage für die Raumfahrt

Als Neil Armstrong und Buzz Aldrin sich im Juli 1969 als erste Menschen der Mondoberfläche näherten, wusste niemand, welche Probleme die oberste Bodenschicht ihnen und ihren Nachfolgern noch bereiten würde. Doch schnell stellte sich heraus, dass der feine, scharfkantige Mondstaub eine regelrechte Plage ist. Die weißen Schutzanzüge der beiden Astronauten waren schon nach kurzer Zeit grau und die Bajonettringe, mit den die Handschuhe und der Helm druckdicht befestigt wurden, defekt. Zudem erwies sich der Staub auch noch als gesundheitsschädlich. Alle Apollo-Astronauten litten nach ihrer Rückkehr zur Erde an einem »lunaren Heuschnupfen« mit Symptomen wie einer verstopften Nase, einem kratzigem Hals und tränenden, juckenden Augen. Sobald der Staub im Inneren der Mondlandefähre mit freiem Sauerstoff in Berührung kam, roch er zudem wie abgebranntes Schießpulver.
Seitdem sind einige Jahrzehnte vergangen. In der Zwischenzeit sind Pläne herangereift, einen Außenposten auf dem Mond zu errichten. Weil Materialtransporte zum Mond jedoch extrem teuer sind – ein Kilogramm Fracht dorthin zu schicken, kostet derzeit umgerechnet rund eine Million Euro –, sollten im besten Fall Ressourcen verwendet werden, die auf dem Mond verfügbar sind. Die Plage von damals ist also möglicherweise der Rohstoff von morgen.
Genau dieser Herausforderung hat sich Stefan Linke mit seinem Team an der Technischen Universität Berlin angenommen. Der Luft- und Raumfahrttechniker will den Mondstaub als Baumaterial für eine Station auf dem Himmelskörper nutzbar machen. Schon seit 2015 beschäftigt er sich mit Mondregolith und leitet mehrere Forschungsprojekte dazu. Denn es gibt ein Problem: »Schlimmer als auf dem Mond geht es kaum in Bezug auf die Rohstoffverfügbarkeit«, sagt er. »So etwas wie Erzlagerstätten mit möglichst hohem Metallgehalt gibt es dort nicht. Wir müssen mit relativ ursprünglichem Gestein auskommen.«
Sonnenlicht und Regolith sind praktisch die einzigen verfügbaren Ressourcen auf dem Mond. Bei Letzterem handelt es sich um zerkleinertes Gestein, das beinahe die gesamte Oberfläche des Mondes bedeckt. In manchen Regionen ist die Schicht aus Regolith bis zu 14 Meter dick. Während Sand auf der Erde von Wind und Wasser rund geschliffen wird, behält das zertrümmerte Mondgestein jedoch seine scharfen Kanten, weil es auf dem Mond weder Wasser noch eine Atmosphäre gibt.
Die meisten Regolithpartikel sind fein wie Puder, sie messen nur wenige Mikrometer. Deshalb sieht Mondstaub aus wie Mehl in unterschiedlich hellen Grautönen. Auf der Handfläche wirkt er allerdings wie Schleifpapier, denn er enthält unzählige kratzige, bis zu zwei Millimeter große Körnchen. Gelangen die in technische Anlagen und Fahrzeuge, können sie bewegliche Teile wie Radnaben zerstören und Dichtungen beschädigen. Das macht den Staub für Astronauten sehr gefährlich. Ihre Schutzanzüge halten mit Hilfe von diversen Dichtungen die Atemluft im Inneren.
Weil Regolith so fein ist, schwebt er einige Meter über dem Mondboden. Dieser Effekt wird durch den Sonnenwind noch verstärkt, der eine elektrostatische Aufladung des Mondstaubs bewirkt. So kommt der Staub nicht nur überall hin, er haftet sich auch überall an.
Mondstaub ist rar und kostbar – auf der Erde
Die Gruppe von Linke will Mondstaub in Baustoffe für Infrastrukturprojekte verwandeln. Dazu untersuchen die Forscher in Laborexperimenten, wie sich das Material effektiv verwenden lässt. Allerdings gibt es auf der Erde gar nicht so viel Mondstaub, wie sie dafür brauchen. Von den rund 400 Kilogramm Mondgestein, die Apollo-Astronauten sowie russische und chinesische Raumsonden über die vergangenen Jahrzehnte hinweg zur Erde brachten, besteht nur ein Bruchteil aus eingesammeltem Regolith. Einige Proben sind in Museen zu bewundern, die meisten werden in speziellen Archiven der Raumfahrtagenturen für künftige Analysen verwahrt.
Weil Mondstaub auf der Erde also rar und kostbar ist, haben die Berliner Forscher einen Regolithbaukasten entwickelt. Der enthält die gängigen Gesteinsarten, die im Mondstaub vorkommen wie Basalt und Anorthosit, aber auch thermisch verändertes Material wie Glas. Diese Stoffe werden in großen Mörsern zu Staub und Bröckchen zerkleinert, die nur wenige Millimeter messen. Mit diesen Zutaten können die Forscher Mondstaub aus irdischen Gesteinen herstellen, sogenannte Regolithsimulate. Es gibt allerdings nicht nur den einen Mondstaub. Seine Zusammensetzung ist regional unterschiedlich und hängt vor allem davon ab, was für ein Gestein sich unter der Regolithschicht befindet. Warum das so ist, hat damit zu tun, wie Mondstaub entsteht.
Schon mit bloßem Auge sind auf dem Mond zwei Landschaftsformen zu erkennen. Der größte Teil seiner Oberfläche ist bedeckt von den hellen Hochländern, auch Terrae genannt. Dabei handelt es sich um die ursprüngliche Kruste des Mondes, die aus Feldspäten mit einem hohen Kalzium- und Aluminiumanteil besteht. Und dann gibt es noch die Mare. So werden die dunklen Tiefebenen bezeichnet, die dem Mond sein von der Erde aus sichtbares Gesicht geben. Sie formten sich durch aufsteigendes Magma, das die Löcher von Meteoriteneinschlägen auffüllte. Diese Mare bestehen aus Basalten.
Einschläge großer Asteroiden haben das Gestein zertrümmert und weiträumig verteilt. Weil der Mond keine Atmosphäre hat, können auch Mikrometeoriten, die in der Erdatmosphäre als Sternschnuppen verglühen, ungebremst auf dessen Oberfläche prallen. Das ständige Bombardement hat das Mondgestein weitgehend pulverisiert.
Beim Aufprall verdampfen die Mikrometeoriten. Die dabei freigesetzte Hitze kann Partikel des Mondgesteins zu Glas aufschmelzen und Gesteinskörnchen zu sogenannten Agglutinaten verbacken. Dabei handelt es sich um glasartige Bröckchen mit großen Poren. Diese unterschiedlichen Zutaten – pulverisiertes Gestein, Glas und Agglutinate – machen die Herstellung von Mondregolith aus irdischen Materialien zu einer komplexen Angelegenheit.
Mondstaubsimulate nach dem Baukastenprinzip
Als Vorlage für die Regolithsimulate dient den Forschern von der TUB das zur Erde gebrachte Mondgestein, vor allem die Proben von den Apollo-Missionen der NASA. Die sind in ihrer Zusammensetzung sehr vielfältig, denn sie stammen aus sechs unterschiedlichen Gebieten. Mit der vorerst letzten Apollo-Mission im Dezember 1972 flog zum ersten Mal ein Geologe auf den Mond: Harrison Schmitt. Auf Grund seiner Expertise konnte er vor Ort wissenschaftlich interessante Gesteine identifizieren und zur Erde bringen.
Viele Proben haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der NASA in der Vergangenheit eingehend analysiert, bis hin zum Zählen von einzelnen Gesteinspartikeln, um die chemische und mineralische Zusammensetzung des Regoliths sowie Größe und Form seiner Körnchen so genau wie möglich zu bestimmen. Diese Daten sind eine kostbare Fundgrube für den Berliner Regolithbaukasten.
Die Apollo-Missionen zeigten, dass Mondgestein dem irdischen sehr ähnlich ist. Dank der Gesteinsproben ließ sich sogar das Geheimnis um die Herkunft des Mondes lüften: Er ist ein Kind der Erde. Der anerkannten Theorie zufolge schlug ein etwa marsgroßer Himmelskörper vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren auf unserem Planeten ein und vereinigte sich mit ihm. Beim Aufprall wurde heißes Material aus beiden Körpern ins All geschleudert. Daraus bildete sich schließlich der Mond.
Der Mond gilt als fliegendes Geschichtsarchiv. Das macht ihn für die Forschung enorm interessant
Während die Kruste der Erde auf Grund von Bewegungen der Kontinentalplatten immer wieder aufgeschmolzen wurde und dadurch eine Vielfalt an Mineralen und Gesteinen hervorgebracht hat, blieb auf dem Mond das ursprüngliche Material weitgehend erhalten. Er gilt deswegen als kosmisches Geschichtsarchiv. Das macht ihn für die Forschung enorm interessant.
Wie der Mondstaub in den unterschiedlichen Regionen zusammengesetzt und beschaffen ist, wissen die Berliner Forscher, weil Raumsonden immer wieder Beobachtungsdaten von der Mondoberfläche zur Erde senden. Neun Simulate haben die Wissenschaftler bislang im Programm. Damit lässt sich auch Regolith aus Mondregionen mischen, aus denen es bisher keine Proben gab. Wie sich jetzt gezeigt hat, funktioniert das sogar ausgesprochen gut.
So brachte die chinesische Raumsonde Chang’e 6 im Jahr 2024 die ersten Proben aus dem Südpol-Aitken-Becken zur Erde. Dabei handelt es sich um einen 2500 Kilometer großen Einschlagkrater in der Nähe des lunaren Südpols. Nach derzeitigen Planungen sollen dort die Außenposten entstehen. Als das kosmische Geschoss einst auf den Mond krachte, wurde dort die Kruste durchschlagen und tieferliegendes Mantelgestein freigelegt. Analysen zeigen, dass sich dessen Beschaffenheit gut mit dem Regolith aus dem Berliner Baukasten reproduzieren lässt.
Wenn nötig, können die Forscher von der TUB auch maßgeschneiderte Spezialmischungen anfertigen – je nachdem, was untersucht werden soll. Geht es etwa darum, die Mobilität von Fahrzeugen im Mondstaub zu testen, sind physikalische Eigenschaften wichtig wie Form und Größe der Staubteilchen. Soll ein Spektrometer für einen Forschungssatelliten kalibriert werden, kommt es auf die optischen Eigenschaften des Regolithsimulats an.
Ziegelsteine aus Regolith
Das Team um Stefan Linke dagegen untersucht, ob Regolith als Baustoff geeignet ist. Dabei spielt vor allem die chemische Zusammensetzung eine große Rolle. Die Mischung der einzelnen Gesteinsarten und der darin gebundenen Elemente muss so genau wie möglich mit dem Mondgestein übereinstimmen. Schon kleine Abweichungen können Eigenschaften wie die Schmelztemperatur des Materials stark verändern. Mondstaub enthält üblicherweise rund 45 Prozent Sauerstoff, denn er besteht vorwiegend aus Oxiden. Auch Silizium, Aluminium, Kalzium, Eisen, Magnesium und Titan sind darin enthalten.
»Als ich anfing, mich mit Regolith zu beschäftigen, war das einfach nur lästiger Staub«, erinnert sich Stefan Linke. »Durch die intensive Arbeit mit dem Material haben wir festgestellt, dass es doch sehr vielseitig ist. Man kann zum Beispiel Backsteine daraus machen, man kann chemische Elemente daraus extrahieren und sogar Treibstoff für Raketen daraus gewinnen.« Inzwischen weiß man, dass sich auch Trinkwasser für Astronauten daraus extrahieren lässt.
Für ihre ersten Versuche, Mondregolith zu Baustoffen zu verarbeiten, haben die Berliner Wissenschaftler das Sinterverfahren angewendet. Dabei erhitzen sie das Material so stark, dass Partikel mit niedriger Schmelztemperatur flüssig werden und als Bindemittel wirken, wodurch sich der Staub verfestigt. Das geschieht im Schnitt bei etwa 1100 bis 1400 Grad Celsius.
Im Hochtemperaturofen stellten die Forscher auf diese Weise etwa Ziegelsteine aus Mondstaub her, die sie in umfangreichen Versuchsreihen systematisch analysierten: Bei welcher Temperatur entsteht aus einer Regolithmischung ein Bauteil mit den gewünschten Eigenschaften wie Festigkeit, Dichte, Härte und Elastizität? Wie verändern sich Qualität und Bearbeitungstemperatur, wenn die Zusammensetzung des Regoliths variiert?
»Versuche haben gezeigt, dass die Beimischung von Glas die Materialqualität der gesinterten Bauteile verbessert«Joel Patzwald, Leiter des Regolith-Labors
Derzeit untersuchen die TUB-Forscher, wie sich der Glasanteil im Regolith auf den Sinterprozess auswirkt »Da Glas schon einmal aufgeschmolzen und anschließend wieder erstarrt ist, hat es eine niedrigere Schmelztemperatur als kristalline Minerale«, erklärt Joel Patzwald, Leiter des Regolith-Labors. »Versuche haben gezeigt, dass die Beimischung von Glas die Materialqualität der gesinterten Bauteile verbessert. Zudem könnte dadurch die erforderliche Temperatur für deren Herstellung gesenkt und der Energiebedarf des Verfahrens reduziert werden.« Das Sintern hat sich insgesamt als vielversprechende Methode erwiesen, um robuste Komponenten für Landeplätze und Straßen sowie Schutzhüllen für bewohnbare Bereiche herzustellen.
Auch mit gebündeltem Sonnenlicht haben die Fachleute schon experimentiert. Sie schmolzen den Regolith dazu mit Hilfe einer Linse auf. Um die zum Sintern oder Schmelzen nötigen Temperaturen auf dem Mond zu erreichen, eignen sich sogenannte Fresnel-Linsen. Diese flachen, leichtgewichtigen Linsen bündeln einfallendes Sonnenlicht effizient. Da die Sonnenstrahlung auf ihrem Weg zur Mondoberfläche keine Atmosphäre durchdringen muss, liefert sie dort mehr Energie pro Fläche als auf der Erde. Das macht den Einsatz solarthermischer Verfahren auf dem Mond besonders attraktiv.
Sobald der Mondstaub mehr als 1500 Grad Celsius erreicht, wird er vollständig flüssig und verwandelt sich beim Abkühlen in eine Art Glas – je nach Regolithsimulat ist es schwarz oder durchsichtig. Das Team um Stefan Linke will aus den Glassubstraten Solarzellen für eine Mondstation herstellen. Dazu arbeiten die TUB-Forscher mit Felix Lang zusammen. Der Physiker erforscht an der Universität Potsdam Perowskit-Solarzellen. Der Name geht auf einen russischstämmigen Geologen zurück, der das Mineral 1839 in einer Gesteinsprobe aus dem Ural entdeckte. Bei den im Labor verwendeten Materialien handelt es sich um synthetisch hergestellte Perowskite, die Elemente wie Brom, Jod oder Chlor enthalten und eine charakteristische Kristallstruktur haben. Diese sogenannten Halogenid-Perowskite absorbieren Licht hervorragend und sind elektrisch halbleitend.
Verheißungsvoller Perowskit
Perowskit kann die Leistung von herkömmlichen Solarzellen enorm erhöhen. Während Silizium nur rotes und infrarotes Licht effizient in Strom umwandelt, ist Perowskit auch in der Lage, Licht im blauen und grünen Wellenlängenbereich zu nutzen. Im Labor erreichen solche Tandemzellen einen Wirkungsgrad von knapp 34 Prozent.
Die Potsdamer Fotovoltaik-Forscher mischen sich ihre Perowskite selbst zusammen und arbeiten an neuen Varianten, die weitere Wellenlängen des Lichts absorbieren und daraus Strom erzeugen sollen. Solarzellen mit zwei oder drei Schichten aus unterschiedlichen Materialien könnten die Stromausbeute sogar noch weiter erhöhen.
Auch die dünnen Mondglasproben hat das Team um Felix Lang schon mit Perowskit beschichtet und in Solarzellen verwandelt. Das funktioniert nicht nur mit durchsichtigem Glas aus dem Simulat der hellen Hochlandregionen. Sogar die schwarzen Proben aus dem Basaltregolith der dunklen Tiefebenen ließen sich mit ein paar Tricks zu kleinen Solarzellen verarbeiten.
In den Experimenten erreichen die Zellen bereits einen Wirkungsgrad von zehn bis elf Prozent. Das schaffen die Forscher mit einem geringen Materialverbrauch. »Die Schicht aus Perowskit ist nur einen Mikrometer dick«, schwärmt Felix Lang. »Aus einem Kilogramm Perowskit könnten wir also 400 Quadratmeter Solarzellen herstellen. Damit ließe sich das Gewicht der Materialtransporte zum Mond enorm reduzieren.«
Dazu muss es den Forschern jedoch gelingen, ein neues Beschichtungsverfahren zu entwickeln. Im Labor wird der Perowskit im Moment noch in einer Flüssigkeit gelöst, auf die Proben getröpfelt und durch schnelle Rotation verteilt. Eine Alternative wäre möglicherweise, das Material zu erhitzen und auf das Mondglas aufzudampfen.
Tests am Protonenbeschleuniger des Helmholtz-Zentrums Berlin haben gezeigt, dass Solarzellen aus Mondglas und Perowskit sehr resistent sind gegen kosmische Strahlung. Da der Mond keine Atmosphäre und kein Magnetfeld besitzt, ist er dem Sonnenwind schutzlos ausgesetzt, einem ständigen Bombardement mit energiereichen, elektrisch geladenen Teilchen. Diese Partikelschauer würden normales Glas verfärben und auch Siliziumzellen auf Dauer beschädigen.
Dank seiner Robustheit kann das Mondglas einen doppelten Zweck erfüllen: Es lässt sich als Trägermaterial für den Perowskit nutzen und auch als darüber liegende Schicht, die vor kosmischer Strahlung und vor Mikrometeoriten schützt. Das könnte deren Handhabung und Installation durch Roboter oder Astronauten erleichtern.
Laser von der Größe einer Pralinenschachtel
In einem weiteren Forschungsprojekt untersucht ein Team der TU Berlin zusammen mit Forschern vom Laser Zentrum Hannover, ob auf dem Mond auch die Methode des Laserschmelzens funktioniert. Auf der Erde hat dieses Verfahren innerhalb kurzer Zeit rasante Fortschritte gemacht. Dabei werden mit energiereichem Laserlicht Schicht für Schicht aus einem Pulverbett von schmelzbaren Partikeln in einer Art 3-D-Druck Bauteile erzeugt, die stabil sind und komplexe Formen haben können. Wie Laborversuche bereits gezeigt haben, funktioniert das auch mit Regolith. Weil sich die Methode automatisieren lässt und keine Zusatzstoffe benötigt, ist sie auch für den Aufbau einer Mondstation interessant.
»Wenn man viele Jahre auf dem Mond ist, dann bekommt man gravierende Probleme mit Verschleiß. Deshalb muss der Staub dort, wo eine Siedlung errichtet wird, gebändigt werden«Stefan Linke, Raumfahrtingenieur
Doch die Forscher wollen den Mondstaub nicht nur als Baumaterial nutzen, sondern ihn auch mithilfe von Lasern von der Infrastruktur fernhalten. Raumfähren wirbeln viel Regolith auf, wenn sie landen oder starten. Staub und Gesteinsbrocken fliegen dann mit hoher Geschwindigkeit davon, keine Atmosphäre bremst sie ab. Das kann zu Sandstrahlschäden an benachbarten Einrichtungen führen und auch für Astronauten zur Gefahr werden. »Wenn man viele Jahre auf dem Mond ist, dann bekommt man gravierende Probleme mit Verschleiß. Deshalb muss der Staub dort, wo eine Siedlung errichtet wird, gebändigt werden«, erzählt Stefan Linke. Eventuell lässt sich das Problem lösen, indem man den Regolith per Laser aufschmilzt und in eine feste Schutzschicht verwandelt, die das Umfeld von Mondstationen und Landeplätzen staubfrei hält.
Am Laser Zentrum Hannover entwickelt eine Gruppe um Jörg Neumann einen weltraumtauglichen Laserprototypen. Der wiegt nicht mal zwei Kilogramm und passt in eine Pralinenschachtel. Damit haben die Forscher bereits zahllose Tests gemacht, um zu sehen, wie Lichtstärke, Bestrahlungsdauer, Umgebungsdruck, Zusammensetzung des Regoliths und weitere Faktoren die Eigenschaften der geschmolzenen Proben beeinflussen.
»Material aus den Hochlandregionen ist im Laserschmelzprozess schwierig zu verarbeiten«, erklärt Joel Patzwald. »Es hat relativ hohe Schmelztemperaturen. Durch die Beimischung von Basalt aus den lunaren Tiefebenen, der schon bei niedrigeren Temperaturen schmilzt, lässt sich eine verbesserte Verarbeitung erreichen. Die entstehenden Bauteile zeigen dann oft bessere mechanische Eigenschaften.« Umfangreiche Versuche etwa im Einstein-Elevator, einem Fallturm in Hannover, der die verringerte Schwerkraft auf dem Mond simulieren kann, zeigen: Laserschmelzen ist theoretisch überall auf der Mondoberfläche möglich.
Erste Versuche auf dem Mond
Bald wollen die Forscher untersuchen, ob der Schmelzprozess mit Lasern auch unter realen Bedingungen auf dem Mond funktioniert. Ihr Experiment soll mit einem Griffin Lander der US-amerikanischen Firma Astrobotic zum Mond starten; fest montiert auf der Außenseite der Transportfähre.
»Der Lichtstrahl unseres Lasers lässt sich mit Hilfe eines Spiegels bewegen«, erklärt Jörg Neumann, »dadurch kann er ein Feld auf der Mondoberfläche abtasten, das etwa 20 mal 40 Zentimeter groß ist. In diesem Bereich werden wir nach geeigneten Stellen im Regolith suchen, wo wir erst mal einen Punkt aufschmelzen, später dann auch Linien und zweidimensionale Flächen.« Weil der geschmolzene Regolith auf dem Mond bleibt, soll eine KI die Aufnahmen der Proben analysieren und auf der Grundlage von Erkenntnissen aus den Laborversuchen Eigenschaften ermitteln wie Größe und Porosität.
Wenn alles so klappt, wie sie es sich ausmalen, schreiben die Forscher aus Hannover und Berlin vielleicht schon bald Raumfahrtgeschichte mit dem ersten Einsatz eines Lasers als Werkzeug auf dem Mond. In einem Werbefilm der Europäischen Raumfahrtagentur ESA jedenfalls herrscht am Südpol des Mondes schon reger Betrieb. Man sieht, wie am Rand eines riesigen Kraters eine Siedlung entsteht, wie intelligente Roboter ein kuppelförmiges Gebäude errichten und Astronauten mit Rovern zu Exkursionen in die Umgebung fahren. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Die Astronauten der für 2027 geplanten Artemis-3-Mission werden sich in der Zwischenzeit wohl noch mit den Tücken des scharfkantigen Mondstaubs herumschlagen müssen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.