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Vererbung: Mutters Fluch lastet auf männlichem Erbgut

Mitochondrium
Die Mitochondrien in unseren Zellen stammen sämtlich von unserer Mutter: Sie entstehen alle aus dem Mitochondrienpool der Eizelle, das befruchtende Spermium steuert hierzu gar nichts bei. Das sollte aber auch bedeuten, dass das Genom der Mitochondrien nur in der weiblichen Linie einer Selektion unterliegt, denn mutierte Gene, die sich auf rein männliche Eigenschaften beschränken, werden durch den rein weiblichen Vererbungsgang nie aussortiert. Demnach, so eine schon seit langem formulierte Hypothese, sollten sich allein für Männchen nachteilige Mutationen im Mitochondrienerbgut nach und nach anhäufen. Das ist allerdings schwer zu beweisen – dennoch gelang es nun Forschern um Damian Dowling von der Monash University in Clayton, Australien.

In Taufliegen haben die Forscher die Interaktionen von Genvarianten untersucht, die im Mitochondrienerbgut enthalten sind und für Proteine kodieren, die in das Hauptgenom der Zelle eingreifen, also das Geschehen des Zellkerns beeinflussen. Solche Gene sind häufig: Die Arbeit des mitochondrialen Erbguts ist nicht autark, sondern vielmehr ein mit dem Kerngenom abgestimmtes Wechselspiel mit vielerlei gegenseitigen Abhängigkeiten.

Um einen Vergleich ziehen zu können, exprimierte das Team nun fünf verschiedene reine Erbgutvarianten von Mitochondrien neben einem Kerngenom und analysierten dann in männlichen und weibliche Taufliegen, welchen Unterschied dies für die Funktionsprozesse der Zelle machte. Wie sich zeigt, war es in Weibchen kaum wesentlich, welches der unterschiedlichen Mitochondriengenome mit dem Zellkern interagiert: Fast alle Kombinationen führten zu einem nahezu identischen Pool an Genprodukten. Anders in Männchen: Hier waren wegen des Einflusses der unterschiedlichen Mitochondriengenvarianten bis zu zehn Prozent aller im Zellkern produzierten Genprodukte von Mal zu Mal verschieden. Betroffen waren dabei vor allem solche Proteine und Regulationsprozesse, die in typisch männlichen Geweben wie dem Hoden oder akzessorischen Geschlechtsdrüsen ablaufen.

Ganz offenbar ist das Zusammenspiel des Erbguts von Mitochondrien und Kern in Männchen nicht optimiert, schlussfolgern die Forscher. Bei Weibchen habe die Selektion auf die von Mutter zu Töchter weitergegebenen Mitochondriengene wirken können, und Varianten aussortiert, die dem weiblichen Organismus schaden. Allein für Männchen schädliche Mutationen wurden in den Weibchen dagegen weitergegeben; hier konnte die Selektion nicht greifen, weil sie die Mitochondrien ohnehin nicht vererben.

Wahrscheinlich entstanden kompensativ im Kernerbgut vielfältige Mechanismen, mit denen der Organismus im Männchen Mutationen des Mitochondriums abfedert – solche für Männchen positive Gene werden dann verstärkt von Männchen weitergegeben, mutmaßen die Forscher. (jo)

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  • Quellen
Science 332, S. 845–847, 2011

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