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Supershear-Beben: Myanmar-Erdbeben erzeugte einen »Überschallknall«

Der Bruch des Erdbebens der Stärke 7,7 bewegte sich mit Überschallgeschwindigkeit. Dabei erzeugte er ein eher von Flugzeugen bekanntes Phänomen: einen machschen Kegel.
Rettungskräfte in Schutzkleidung und Helmen stehen vor einem eingestürzten Gebäude, umgeben von Trümmern. Im Hintergrund sind Bagger im Einsatz, um die Trümmer zu beseitigen. Ein rotes Zelt dient als Basisstation. Die Szene zeigt eine Rettungsaktion nach einem Gebäudeeinsturz.
Noch in enorm großer Entfernung richtete das schwere Beben unerwartete Schäden an. Ein Grund dafür war vermutlich, dass der Bruch im Gestein einen machschen Kegel erzeugte – eine Art Überschallknall.

Das schwere Erdbeben am 28. März 2025 in Myanmar erzeugte das seismische Gegenstück eines Überschallknalls. Der Riss in der Erdkruste bewegte sich über eine Distanz von hunderten Kilometern schneller als die Schallgeschwindigkeit im Gestein und erzeugte dabei einen Fernfeld-Machkegel: zwei kegelförmig auseinanderlaufende Bereiche, in denen die Bebenwellen von allen Orten der Bruchfläche gleichzeitig zusammentreffen und sich überlagern. Dieses Phänomen wies nun ein Team um Frederik Tilmann vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam anhand von seismischen Daten aus Europa, Japan, Australien und Alaska nach. Wie die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »The Seismic Record« berichtet, erschien das Beben an zwei Stationen als Punktquelle statt als ausgedehnter Bruchvorgang – ein entscheidendes Merkmal eines Machschen Kegels. Der Befund bestätigt einerseits die Überschall-Bewegung des Bruchs, andererseits erklärt es möglicherweise, dass noch in 1000 Kilometern Entfernung ein Gebäude in Bangkok einstürzte.

Überschallknall eines Erdbebens | Bewegt sich der Bruch eines Erdbebens mit Überschallgeschwindigkeit fort, entsteht ein klassischer Machscher Kegel (rot) wie beim Überschallknall eines Flugzeugs. Er entspricht bei einem Erdbeben aber keiner Stoßfront, weil keine Dichtewellen auftreten. Zusätzlich tritt jedoch ein weiterer Effekt auf, wenn sich die Bebenwellen über immer größere Strecken fortpflanzen: in bestimmten Winkelbereichen kommen die Erdbebenwellen von verschiedenen Punkten des Bruchs nahezu gleichzeitig an. In diesem Fernfeld-Machkegel (gelb) überlagern und verstärken sich die Wellen.

Erdbeben gehen nicht von einem einzelnen Punkt aus, sondern setzen sich von der ursprünglichen Bruchstelle über eine größere Strecke fort. Bei größeren Erdbeben kann diese hunderte Kilometer lang sein, beim Erdbeben in Myanmar zum Beispiel etwa 460 Kilometer. Dadurch kann ein Beben weit über eine Minute andauern. In den allermeisten Fällen pflanzt sich der Bruch langsamer durch das Gestein fort als die von ihm erzeugten Wellen, sodass die Bebenwellen vom Epizentrum zuerst ankommen und dann nach und nach der Rest des Wellenzuges. In seltenen Fällen reißt die Erdkruste jedoch sogar schneller, und die Spitze des Bruchs bewegt sich mit Überschallgeschwindigkeit. Bei diesem Beben passierte das auf einer Strecke von knapp 250 Kilometern Länge.

In einem solchen Fall entsteht erst einmal ein klassischer Machscher Kegel, eine Art Überschallknall – nur ohne den Knall, denn die Wellen sind keine Dichtewellen wie beim Schall. Dafür bildet sich jedoch eine weitere Zone, in der sich die Bebenwellen tatsächlich verstärkend überlagern können, der Fernfeld-Machkegel. Das sind zwei Bereiche, in denen die Bebenwellen von allen Punkten des Bruchs gleichzeitig eintreffen und sich überlagern. Dadurch scheint das Beben von einer Punktquelle zu kommen, statt von einem hunderte Kilometer langen Bruch. In diesem Mach-Kegel konzentriert sich deswegen die Erdbebenenergie; dadurch könnten solche überschallschnellen Erdbeben in diesem Zonen potenziell deutlich mehr Schäden anrichten. 

Dieser Prozess ist deutlich komplexer als ein Überschallknall in der Luft. Bisher ist zum Beispiel noch nicht bekannt, wie viel stärker die Bodenbewegungen im Mach-Kegel eines Erdbebens tatsächlich werden. Bei Erdbeben entstehen verschiedene Arten von Wellen, die sich unterschiedlich schnell bewegen und auch durch die Strukturen der Erdkruste unterschiedlich stark verändert werden. Zudem sind solche überschallschnellen Erdbeben selten; sie treten nur unter besonderen Bedingungen auf, sodass nicht allzu viel über sie bekannt ist. Allerdings liegt Bangkok tatsächlich im Bereich des Fernfeld-Machkegels des Myanmar-Erdbebens. Die Fachleute vermuten deswegen, dass dieser Effekt dazu beitrug, dass die Erschütterungen selbst in 1000 Kilometern Entfernung noch stark genug waren, um Gebäude zu beschädigen.

  • Quellen
Vera, F. et al, The Seismic Record 10.1785/0320250025, 2025

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