Kryptos: Nach 35 Jahren wurde die Lösung des geheimen CIA-Codes gefunden

35 Jahre lang haben sich die besten Codeknacker den Kopf am berühmten Kryptos-Rätsel zerbrochen. Dabei handelt es sich um eine Kupferskulptur, die der Künstler Jim Sanborn 1990 vor dem CIA-Hauptquartier in Virginia aufstellte und die vier verschlüsselte Botschaften birgt. Sowohl professionelle als auch Amateur-Kryptografen versuchten sich daran. Die ersten drei Abschnitte wurden in den 1990er Jahren gelöst, aber der vierte Teil, bekannt als K4, blieb bis jetzt ein Geheimnis. Doch nun haben zwei Journalisten die vierte Antwort gefunden – im wahrsten Sinn des Wortes: Die Lösung war all die Jahre in den Archiven der Bildungseinrichtung der Smithsonian Institution versteckt.
Wer eine Lösung beanspruchen will, muss zeigen, wie er sie aus diesem Chiffretext abgeleitet hat. Für die ersten drei Teile von Kryptos ließen die Ergebnisse nicht lange auf sich warten. Doch der letzte Abschnitt, der mit »OBKR« beginnt und aus 97 Buchstaben besteht, entzog sich allen Lösungsversuchen. Deshalb bereitete sich der Künstler Sanborn darauf vor, die Lösung für rund 300 000 bis 500 000 US-Dollar zu versteigern. Doch dann erhielt er am 3. September 2025 eine E-Mail von den Journalisten Jarett Kobek und Richard Byrne – und sie enthielt den vollständig entschlüsselten Text.
Kobek und Byrne hatten eine Besonderheit im Auktionsangebot bemerkt: Darin wurde erwähnt, dass sich Sanborns Codierungstabellen in der Sammlung des Smithsonian befinden. Byrne fotografierte dort die Papiere ab, und Kobek stellte später fest, dass sie zusammengeklebte Schnipsel enthielten, die den ursprünglichen Klartext von K4 offenbarten. Auf den Schnipseln fanden sich die zuvor veröffentlichten Hinweise »BERLIN CLOCK« und »EAST NORTHEAST«, die Teil der vollständig entschlüsselten Nachricht sind. Damit konfrontiert, bestätigte Sanborn die Lösung und erklärte, dass er diese Schnipsel versehentlich in das Archiv aufgenommen hatte, als er Jahre zuvor während einer Krebsbehandlung Dokumente zusammenstellte. Nach der Entdeckung bat er das Smithsonian, die Akten für die nächsten 50 Jahre zu versiegeln, was dieses auch tat.
Als Reaktion auf die Nachricht drohte das mit dem Verkauf beauftragte Unternehmen RR Auction den beiden Journalisten mit rechtlichen Konsequenzen, wenn sie den Text veröffentlichten. Kobek und Byrne sagten gegenüber der »New York Times«, sie hätten nicht die Absicht, den Text zu veröffentlichen. In einer Erklärung von RR Auction heißt es, die im Rahmen des geplanten Verkaufs angebotenen Materialien böten den einzigen autorisierten Einblick in die Funktionsweise von K4 als Teil von Sanborns künstlerischer Vision. Kobek und Byrne kennen zwar die Lösung, also den Klartext, nicht aber die Methode, mit der K4 verschlüsselt wurde, und somit nicht den gesamten kreativen Kontext des Werks.
»Es ist eine Sache, die Worte zu kennen. Eine andere ist es, die Methode zu kennen«, sagt die pensionierte Spieleentwicklerin Elonka Dunin, die eine der weltweit größten Kryptos-Fangruppen mitmoderiert. »Im Lauf der Jahre sind viele Leute zu uns gekommen und haben gesagt, sie hätten das Problem gelöst, aber wenn sie uns nicht erklären können, wie, werden sie einfach aus dem Raum gebeten.«
»Sanborn hat ein Kunstwerk geschaffen, das die Menschheit 35 Jahre lang in seinen Bann gezogen hat«Elonka Dunin, Spieleentwicklerin
In der Erklärung von RR Auction heißt es zudem, dass zwar die Lösung von K4 veröffentlicht werden kann, aber nur der Käufer Zugang zu Sanborns vollständiger Erklärung der Kryptos-Botschaft erhalten wird – inklusive der Klärung des Gerüchts über einen vermuteten fünften Abschnitt.
Die Kryptografie-Community regierte geteilt auf die neuesten Entwicklungen. Einige, darunter auch Dunin, sind erleichtert, dass endlich jemand das seit Langem bestehende Geheimnis von Kryptos gefunden hat. Andere beschreiben die Art und Weise, wie Kobek und Byrne zur Antwort kamen, als ein »hässliches Ende«. Wie auch immer die Saga endet: Die Faszination für Kryptos wird wahrscheinlich anhalten. »Für ein Kunstwerk ist es schon ziemlich gut, wenn man die Aufmerksamkeit einer Person für zehn Minuten binden kann«, sagt Dunin. »Sanborn hat ein Kunstwerk geschaffen, das die Menschheit 35 Jahre lang in seinen Bann gezogen hat.«
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.