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News: Nachgemacht ist anders

Wenn man zweimal das gleiche tut, ist es für das Gehirn nicht immer dasselbe: Ahmt man eine gesehene Bewegung nach, so werden andere Gehirnareale aktiviert als wenn man die gleiche Bewegung auf einen symbolischen Reiz hin ausführt. Das fanden Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft heraus, indem sie dem menschlichen Hirn mittels Kernspintomographie 'bei der Arbeit zusahen'. Nach ihren Ergebnissen sind imitative Handlungen in gesonderten Mechanismen der Hirnrinde verankert.
Andere nachahmen ist kinderleicht – so scheint es auf den ersten Blick. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß das Phänomen Nachahmung keineswegs einfach zu verstehen ist. Denn wer nachahmt, führt dabei selbst eine bestimmte Handlung aus, die er zuvor bei anderen gesehen hat. Wie aber kann der Nachahmende wissen, welche Bewegungen er ausführen muß, um eine gleiche – oder zumindest weithin ähnliche – Handlung zustande zu bringen? Oder anders gefragt: Wie können die motorischen Zentren im Gehirn Körperbewegungen hervorbringen, die denen entsprechen, die in den sensorischen Wahrnehmungszentren repräsentiert sind?

Mit dieser Frage beschäftigen sich seit jeher Forscher der unterschiedlichsten Fachdisziplinen. Harold Bekkering und Marcel Braß vom Max-Planck-Institut für psychologische Forschung in München gingen das Problem von seiten der Kognitionspsychologie an: Wie, so ihre Fragestellung, kann eine beobachtete Handlung in den entsprechenden motorischen Akt transformiert werden? Dazu lagen bisher nur tierexperimentelle Befunde vor, die eine Arbeitsgruppe unter Giacomo Rizzolatti an der Università degli Studi di Parma gewonnen hatte: Sie belegten die Existenz sogenannter Mirror- oder Spiegel-Neuronen im prämotorischen Kortex von Affen, die gleichzeitig beobachtete und auszuführende Handlungen kodieren. Daraus schloß man auf einen spezifischen "Imitationsmechanismus", der wahrgenommene und auszuführende Handlungen direkt aufeinander abbildet.

Um zu klären, ob beim Menschen ein analoger Mechanismus vorliegt, wurde von Forschern der University of California in Los Angeles (UCLA) eine Untersuchung mit funktioneller Kernspintomographie durchgeführt. Mit dieser Methode lassen sich spezifische regionale Unterschiede in der kortikalen Aktivität – sprich: der "Hirnarbeit" – bei der Bewältigung kognitiver Aufgaben erfassen.

Im wesentlichen ging es darum, die Hirnaktivität imitativer und nicht-imitativer Fingerbewegungen miteinander zu vergleichen, und zwar durch bildgebende Verfahren. Die Versuchspersonen mußten im einen Fall eine beobachtete Fingerbewegung imitieren, im andern Fall die gleiche Fingerbewegung auf einen symbolischen Reiz hin ausführen – der entweder aus einem Kreuz auf dem entsprechenden Fingernagel bestand oder aus einem Kreuz, das links oder rechts in einer geometrischen Figur erschien.

Die Kernspintomographie enthüllte deutliche Unterschiede in der Hirnaktivität zwischen imitativen und nicht-imitativen Handlungen: Vergleicht man die Hirnaktivierung bei der Imitation einer Handlung mit der Aktivierung einer "symbolisch" instruierten Handlung, dann zeigt sich in der imitativen Bedingung eine zusätzliche Aktivierung im Broca-Areal der linken Hemisphäre sowie im rechten Parietallappen.

Da sich die jeweiligen Versuchsbedingungen nicht in motorischen Aspekten, sondern lediglich hinsichtlich der beobachteten Reize unterscheiden, kommt der prämotorische Aktivierung im Zug der echten Imitation besondere Bedeutung zu: Aus ihr läßt sich schließen, daß auch beim Menschen die Imitation über einen Mechanismus vermittelt wird, der beobachtete und auszuführende Handlungen unmittelbar aufeinander abbildet und verknüpft (Science, 24. Dezember 1999).

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