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Landwirtschaft: Palme mit Potenzial

Aus den Früchten der Macauba-Palme lässt sich wertvolles Pflanzenfett gewinnen. Und das offenbar deutlich nachhaltiger als in der derzeitigen Palmölproduktion.
Macaúba-Palmen wachsen an einem Hang, auf dem Rinder grasen.
Macauba-Palmen wachsen an einem Hang, auf dem Rinder grasen. Die Palmen liefern Früchte mit Pflanzenöl und sind zugleich relativ anspruchslos, da sie selbst auf kargen Böden gedeihen. Das macht sie als Energiepflanzen interessant.

Auf Rinderweiden in Brasilien sieht man immer wieder einzelne Palmen stehen. Die Tierhalter stören sich nicht daran und die Kühe und Bullen ebenso wenig. Im Gegenteil, die Horntiere fressen deren leicht süßlich schmeckenden Früchte gern. Über ihre Kuhfladen verbreiten sie die Samen der Pflanze, die zu den einheimischen Gewächsen zählt, den Artnamen Acrocomia aculeata trägt und in Brasilien »Macaúba« genannt wird. Allzu nah kommen die Rinder den Palmen aber nicht, denn spitze Stacheln am Stamm sorgen bei Berührung für ein schmerzhaftes Erlebnis. Auf den ersten Blick deutet nicht viel darauf hin, dass die Macauba-Palme eine wertvolle Alternative zu kommerziell angepflanzten Ölpalmen sein könnte. Aber genau das ist sie offenbar, wie aus Arbeiten zahlreicher Wissenschaftler und Unternehmer hervorgeht.

Macauba-Früchte, auch als Grugrunüsse bekannt, haben einen ähnlich hohen Ölgehalt wie die Früchte der Afrikanischen Ölpalme(Elaeis guineensis). Diese stammt aus Afrika, wird aber mittlerweile vor allem in Südostasien und Südamerika angebaut und ist weltweit die ertragreichste Ölpflanze sowie die wichtigste Quelle für Pflanzenöl. Sie gedeiht am besten in tropisch-feuchtem Klima, weshalb für ihren Anbau in großem Umfang tropischer Regenwald gerodet wird, vor allem in Indonesien und Malaysia. Daher hat Palmöl inzwischen einen schlechten Ruf und gilt als ökologisch wenig nachhaltig. Produkte, die auf Pflanzenölen basieren, zieren sich mitunter bereits mit dem Etikett »ohne Palmöl« als Qualitätsausweis.

Im Gegensatz zur kommerziell genutzten Afrikanischen Ölpalme erzielt die Macauba-Palme den hohen Fettgehalt ihrer Früchte auch auf kargen Böden fernab tropischer Regenwaldgebiete. Ihr Pflanzenöl lässt sich somit erheblich nachhaltiger produzieren. Zudem enthalten die Früchte hochwertiges Protein und Ballaststoffe, die man ebenfalls verwerten kann.

Indigene Völker schätzen Grugrunüsse schon seit Jahrtausenden als Nahrungsmittel. Die industrielle Nutzung der Macauba-Palme beschränkte sich bisher weitgehend auf die Herstellung von Speisefett und Seife (aus dem Öl), Speiseeis (aus dem Fruchtfleisch) und Holz (aus dem Stamm). Darüber hinaus dienen Extrakte aus verschiedenen Teilen der Pflanze als Abführmittel oder als Arznei gegen Wurmbefall.

Große Pläne

In den kommenden Jahrzehnten sollen Macauba-Früchte jedoch in viel größerem Maßstab genutzt werden. Über die in Brasilien ansässige Firma Acelen Renewables investiert der Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate in den kommenden Jahren mehr als drei Milliarden Euro in Anlagen, die die Früchte verwerten und aus ihrem Öl Biokerosin und Biodiesel herstellen sollen. Denn derlei Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen haben das Potenzial, klimaneutral zu sein, vorausgesetzt, sie werden nachhaltig produziert. Das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2), das bei ihrer Verbrennung in die Atmosphäre gelangt, wurde der Luft vorher im Zuge des Pflanzenwachstums entzogen – wird beim Verfeuern also gewissermaßen nur an sie zurückgegeben. Das CO2 aus der Verbrennung von Kohle, Erdöl oder Erdgas hingegen ist vor hunderten Millionen Jahren als Biomasse fixiert worden; entlässt man es in die heutige Atmosphäre, reichert sich diese mit CO2 an.

Nach den Plänen von Acelen Renewables und des Staatsfonds der Emirate sollen künftig in Brasilien jährlich eine Milliarde Liter Macauba-Pflanzenöl produziert werden. Dabei sollen die Palmen nur auf kargen oder ausgelaugten, so genannten degradierten Böden wachsen. Der Anbau könnte so weitgehend ohne Regenwald- oder fruchtbare Ackerflächen auskommen.

Diverse Fachleute, auch hier zu Lande, schätzen das Potenzial der Macauba-Palme als riesig ein. Peter Eisner, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising, rechnet vor: Selbst bei lockerer und weiträumiger Anpflanzung, so dass zwischen den Palmen Rinder weiden können, erscheint ein jährlicher Ertrag von 2,5 Tonnen Öl pro Hektar möglich. Künftige Erntesteigerungen durch Pflanzenzucht sind hier noch nicht eingerechnet. Allein in Brasilien, betonen Experten, gebe es 150 Millionen Hektar Weidefläche, die sich für die lockere Bepflanzung mit Acrocomia aculeata eignet. Würde diese Fläche tatsächlich dafür genutzt, ergäbe sich eine jährlich produzierte Ölmenge von 375 Millionen Tonnen. »Das entspricht recht genau dem aktuellen Jahresverbrauch an Kerosin in der weltweiten Luftfahrtindustrie«, betont Eisner. Wirtschaftliches Potenzial hat der Anbau der Macauba-Palme zudem in Paraguay und Argentinien.

Machbarkeitsstudie aus Lüneburg

Stefan Schaltegger von der Leuphana-Universität Lüneburg hält ebenfalls große Stücke auf die Pflanze. »Wir kamen zu der Einschätzung, dass das Potenzial von Macauba sehr groß ist«, erinnert sich der Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an die Ergebnisse einer Untersuchung, an der er mitwirkte. Die Studie lotete aus, wie machbar die kommerzielle Biokraftstoffgewinnung aus den Früchten ist, und entstand im Rahmen des EU-finanzierten Forschungsprojekts »Plattform für eine nachhaltige Biokerosinproduktion« zwischen Januar 2011 und Februar 2014.

Ein Forschungsteam um Schaltegger und seine Lüneburger Kollegin Alexandra-Maria Klein untersuchte dabei verschiedene Pflanzen, auch in Deutschland heimische, auf ihr Potenzial zur Ölgewinnung hin. Dabei kam unter anderem heraus: Leindotter (Camelina sativa) könnte, nach der Getreideernte angepflanzt, Erträge von mehreren hundert Kilogramm Öl pro Hektar erbringen. Dabei droht jedoch ein kompletter Ernteverlust durch früh einsetzende Fröste. Beim Acker-Hellerkraut (Thlaspi arvense) wiederum sind die Erträge gering und die Nutzung infolge eines hohen Erucasäureanteils erschwert. Die einst als »Wunderpflanze« der Ölproduktion bezeichnete Purgiernuss (Jatropha curcas) enttäuschte die Fachleute ebenfalls: »Man kann Jatropha in Gegenden mit wenig Niederschlag anbauen, aber dann bringt sie auch wenig Früchte hervor«, erläutert Schaltegger. Und in feuchteren Gegenden konkurriere sie mit der Lebensmittelproduktion.

Thomas Hilger und Dieter Oberländer von der Universität Hohenheim machten die Beteiligten des Forschungsprojekts auf die Forschung zu Acrocomia aculeata aufmerksam. Als die Wissenschaftler die Bedingungen untersuchten, unter denen die Palme gedeiht, stießen sie auf eine Überraschung: »Es gab bei der Macauba-Palme keinen Zielkonflikt, sie war in allen Dimensionen nachhaltig«, erinnert sich Schaltegger. Die Machbarkeitsstudie, die Alexandra-Maria Klein und er leiteten, ergab, dass auf den Rinderweiden im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais bereits damals zwei Millionen wilde Macauba-Palmen wuchsen. Laut Daten der brasilianischen Universität Viçosa wäre es zu dem Zeitpunkt möglich gewesen, die Pflanzen in dem Bundesstaat auf insgesamt zehn Millionen Hektar anzubauen – und zwar so, dass sich die bestehenden Weideflächen weiterhin nutzen lassen.

Das hätte nicht nur im Hinblick auf die Ölgewinnung Vorteile, sondern auch in anderer Hinsicht. Macauba-Früchte reifen erst, nachdem der in der Gegend angebaute Kaffee bereits abgeerntet ist. Kaffeepflückern würde das Sammeln dieser Früchte ein zusätzliches Einkommen bescheren. Zudem würde die Biodiversität steigen: »Die Integration der Macauba-Palme in die Weidegebiete wäre sehr positiv: mehr Vögel, mehr Insekten, überhaupt mehr Tiere«, gibt Schaltegger die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wieder.

Palme mit vielen Vorzügen

Gewinnen lässt sich Öl aus zwei verschiedenen Teilen der Grugrunüsse: dem Fruchtfleisch und dem Kern. »Die Macauba-Palme hat den Vorteil, dass ihr Kernöl dem der Afrikanischen Ölpalme sehr ähnlich ist«, sagt Iris Lewandowski, Professorin für Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie an der Universität Hohenheim. Die Fettsäurezusammensetzung sei für die Produktion von Lebensmitteln und Kosmetika günstig, betont die Wissenschaftlerin, die seit mehr als zehn Jahren über Acrocomia aculeata forscht. Das Öl aus dem Fruchtfleisch der Macauba-Palme hingegen gleiche eher Olivenöl.

Fruchtstand einer Macauba-Palme | Die Macauba-Palme bildet Fruchtstände mit bis zu 400 Einzelfrüchten aus. Die übliche Erntepraxis besteht darin, die Stände abzuschneiden und zu Boden fallen zu lassen, was viele Früchte beschädigt.

»Es gibt in Südamerika viel Weideland mit degradierten Böden, auf denen Acrocomia-Palmen nicht nur gedeihen, sondern die sie häufig auch regenerieren und fruchtbarer machen«, berichtet Lewandowski. Denn das umfangreiche Wurzelwerk sorge dafür, dass mehr Feuchtigkeit im Boden verbleibt, zumal die Wurzeln tief genug reichen, um selbst sechs Monate lange Trockenheitsphasen zu überstehen. In gewissem Maß ist die Pflanze sogar frostbeständig, sie hält Temperaturen bis minus fünf Grad Celsius aus. Acrocomia-Palmen – hauptsächlich jene der Spezies Acrocomia aculeata, aber ebenso Vertreter der Art Acrocomia totai – wachsen natürlicherweise im Süden wie im Norden bis jeweils zum 30. Breitengrad, also beispielsweise vom südlichen Florida bis zum nördlichen Argentinien. Die Afrikanische Ölpalme hingegen gedeiht nur auf Standorten zwischen dem 10. südlichen und nördlichen Breitengrad gut, also in jenem Gürtel, in dem auch die tropischen Regenwälder wachsen.

Die bereits praktizierte Nutzung der Macauba-Palme in Brasilien hat die Fachleute an den Universitäten in Lüneburg und Hohenheim davon überzeugt, dass sich die Pflanze in nachhaltigen landwirtschaftlichen Mischsystemen anbauen lässt. Hohenheimer Studien aus Paraguay haben gezeigt, dass neben der Viehhaltung unter anderem Maniok, Erdnüsse, Macadamia und verschiedene Obstsorten als Nutzpflanzen in Frage kommen, die sich gemeinsam mit Acrocomia in einem Mischanbau kultivieren lassen. Die Experten bezeichnen diese Nutzungsform, die den gleichzeitigen Anbau von Ackerpflanzen, Gehölzen und Weidewirtschaft integriert, als »agrosilvopastorales System«.

»Diese Anbauform hat positive Auswirkungen auf die Rinder: Sie können saftigeres Gras fressen, und der Schatten der Palmen bewahrt sie vor Hitzestress«, erläutert Schaltegger. Nutzpflanzen, die in teilweiser Verschattung besser gedeihen, profitieren ebenfalls von den Acrocomia-Gewächsen. Hinzu kommt, dass einer aktuellen Studie zufolge auf einem Hektar Land, bepflanzt mit Macauba-Palmen, rund 20 Tonnen Kohlenstoff jährlich in den Pflanzen sowie im Boden gebunden werden. So können die Landwirte bereits während der ersten vier bis fünf Jahre nach der Pflanzung, wenn die Palmen noch keine Früchte tragen, von CO2-Zertifikaten profitieren.

Zu schön, um wahr zu sein?

Den Expertenaussagen zufolge liefert die Macauba-Palme ein Öl, dessen Qualität mit der von Palmölfetten vergleichbar oder sogar besser ist. Die Erträge sind Studien zufolge industriell verwertbar, ohne dass hierfür tropischer Regenwald weichen oder vorhandene Ackerfläche umgewidmet werden muss. Zudem kommt der Anbau dieser Pflanzen den ansässigen Kleinbauern zugute, die mit Hilfe der Palmen und agrosilvopastoralen Nutzungsformen verschiedene Zusatzeinnahmen erzielen können. Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Sind Acrocomia aculeata und ihre Verwandten wirklich die ersehnten »Wunderpflanzen«, die eine nachhaltige Gewinnung von Pflanzenölen ganz unkompliziert ermöglichen?

So einfach ist es leider nicht. Denn von der Macauba-Palme existiert derzeit keine gezüchtete Sorte oder Varietät, wie es bei landwirtschaftlich genutzten Kulturpflanzen sonst üblich ist. Allerdings sind verschiedene Selektions- und Züchtungsprojekte angelaufen. In einem Übersichtsartikel, den Lewandowski und ihre Kollegen 2021 veröffentlicht haben, berichteten sie über eine stark wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen über Acrocomia-Palmen in den zurückliegenden Jahren. Dennoch bestünden immer noch große Wissenslücken auf den Gebieten Pflanzenmanagement, nachhaltige Anbausysteme und Wechselwirkungen zwischen dem Pflanzengenom und der Umwelt.

Ein deutsches Start-up in Brasilien

»Die Züchtung von Varietäten der Macauba-Palme könnte viele Vorteile bringen, dürfte allerdings Jahrzehnte dauern«, sagt Johannes Zimpel, geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim Unternehmen »INOCAS«. Die Firma wurde 2014 aus dem oben genannten Forschungsprojekt der Leuphana-Universität Lüneburg ausgegründet, zunächst als deutsche GmbH, und ist seit 2015 in Brasilien ansässig. Die Zucht von Acrocomia-Varietäten, schildert Zimpel, könnte beispielsweise darauf abzielen, den Ernteertrag zu erhöhen und seine zeitlichen Schwankungen zu reduzieren, die Ernteperiode zwecks besserer Auslastung der Ölmühlen zu verlängern, die Gewächse resistenter gegen Schädlinge zu machen, die Wuchshöhe zwecks leichterer Ernte zu verringern und die Pflanzen dazu zu bringen, weniger Stacheln auszubilden.

»INOCAS verfügt heute über das weltweit größte Labor zur Produktion von Macauba-Setzlingen«, sagt Zimpel. Seit 2018 hat das Unternehmen die Wildform von Acrocomia aculeata auf mehr als 3500 Hektar Fläche in agrosilvopastoralen Systemen angepflanzt. Dabei pflegt es eine Partnerschaft mit mehr als 90 Kleinbauern in den drei brasilianischen Ökoregionen Cerrado, Mata Atlântica und Mata Amazônica. Doch die Kooperation mit den Landwirten sei noch deutlich ausbaufähig, betont Zimpel: »Bei den meisten Rinderzüchtern, die von agrosilvopastoraler Mischwirtschaft wesentlich profitieren könnten, ist das Potenzial dieser Nutzungsform noch nicht angekommen; viele von ihnen sind recht konservativ eingestellt.«

Begehrtes Pflanzenöl | Bei Grugrunüssen, den Früchten der Macauba-Palme, lässt sich das Öl sowohl aus dem Fruchtfleisch als auch dem Kern extrahieren. Im ersten Fall ähnelt der gewonnene Stoff dem Öl der Olive, im zweiten dem der Afrikanischen Ölpalme.

In Brasilien arbeitet INOCAS mit zahlreichen Forschungseinrichtungen und staatlichen Institutionen zusammen. Die Firma erhält zudem Anschubfinanzierungen, unter anderem von der Interamerikanischen Entwicklungsbank und der Europäischen Union. Im Dezember 2024 unterzeichneten INOCAS und der Chemiekonzern BASF einen Abnahmevertrag für Macauba-Öl, was einen weiteren Schritt zur kommerziellen Vermarktung dieses Pflanzenprodukts darstellt. Auch der Bau einer ersten Ölmühle ist nach Angaben von Zimpel für 2025 geplant.

Innovative Verfahren

Bisher gewinnt man das Öl aus den Macauba-Früchten durch Verfahren, bei denen die Außen- und Innenschale, das Fruchtfleisch und der Kern voneinander getrennt werden und anschließend hoher Druck das Öl separat aus dem Fruchtfleisch und dem Kern herauspresst. Denn das Kernöl ist wertvoller und lässt sich für Lebensmittel, Kosmetikprodukte und pharmazeutische Präparate nutzen. Übrig bleibt jeweils ein so genannter Presskuchen – eine verdichtete organische Masse, die reich an Eiweiß und Ballaststoffen ist und bisher überwiegend als Tierfutter, organischer Dünger oder zur Biogasgewinnung dient.

Peter Eisner und sein Team vom Fraunhofer IVV möchten das ändern. Sie haben technische Verfahren entwickelt, mit denen sich nicht nur das Öl, sondern auch das Protein und die Ballaststoffe separat in jeweils hoher Qualität extrahieren lassen. »Ein wesentlicher Vorteil der Macauba-Proteine im Vergleich zu Soja- oder Erbseneiweiß ist der neutrale Geruch und Geschmack – da muss also nichts mit Aromen übertüncht werden«, unterstreicht Eisner. Die Kernfette seien sehr oxidationsbeständig, was die Entstehung von Oxidationsprodukten mit bitterer oder bohniger Note verhindere. Die Ballaststoffe aus den Palmfrüchten haben Eisner zufolge ähnliche Eigenschaften wie Johannisbrotkernmehl, das in vielen Lebensmittelerzeugnissen als Verdickungsmittel dient.

Eisners Team wirkt am Forschungsprojekt »AcroAlliance« mit, an dem auch Iris Lewandowski, Thomas Hilger und weitere Fachleute von der Universität Hohenheim beteiligt sind. Die Projektteilnehmer in Brasilien und Deutschland versuchen, die Extraktionsverfahren zur technischen Reife zu bringen und so zu einer vernetzten Macauba-Wertschöpfung beizutragen – durchgehend vom Saatgut bis zum Endprodukt.

Eisner ist von Kooperationspartnern in Südamerika auf die Acrocomia-Palme aufmerksam gemacht worden, 2016 folgte das erste gemeinsame Forschungsprojekt zu Macauba. Bereits seit 2013 ist am Institute of Food Technology im brasilianischen Campinas die »Fraunhofer Innovation Platform for New Food Systems« angesiedelt. Die technologische Entwicklungsarbeit geschieht aber wegen der besseren technischen Ausstattung am Fraunhofer IVV in Freising, berichtet Eisners Mitarbeiter Sérgio Henrique de Toledo e Silva. Dabei können die Fachleute auf Lösungen und Erfahrungen aus früheren Projekten zurückgreifen. »Wir haben vor einigen Jahren ein Verfahren entwickelt, um Proteine aus Sonnenblumenkernen zu gewinnen, und konnten darauf aufbauen«, berichtet Eisner.

Grugrunuss-Ernte | Mit einer langen Stange schneidet ein Arbeiter den Fruchtstand einer Macauba-Palme ab. Die Früchte fallen dann auf eine bereitgelegte Plane, wo sie eingesammelt werden.

In einer Präsentation rechnen die Forscher vom Fraunhofer IVV vor: Mit bisherigen Verfahren der Ölextraktion erzielen Macauba-Früchte einen Verkaufswert von 162 Euro pro Tonne. Beim Verfahren des IVV steigt der Wert auf 328 Euro pro Tonne, weil sich außer verfeinerten Ölen auch Protein- und Ballaststoffe gewinnen und verkaufen lassen. Der Macauba-Anbau werde dadurch profitabler und der Einfluss von Preisschwankungen auf einzelnen Märkten geringer, betonen die Expertinnen und Experten.

Gezielte Ernte

Eisner und seine Kollegen denken bereits über eine mögliche Automatisierung der Ernte nach. Dabei sollen möglichst nur die Früchte geerntet werden, die tatsächlich reif sind. Erste Ideen für ein solches Verfahren sind schon vorhanden, aber noch in einem sehr frühen Stadium. Zurzeit lautet die übliche Praxis, die Fruchtstände mit bis zu 400 Einzelfrüchten abzuschneiden und zu Boden fallen zu lassen, was viele Früchte beschädigt. Infolgedessen werden sie verstärkt oxidiert und von Mikroben befallen.

»Aus der Idee, die Macauba-Palme landwirtschaftlich in großen Mengen zu nutzen, gehen jetzt internationale Geschäftsmodelle hervor«, fasst Eisner den aktuellen Stand auf dem Gebiet zusammen. Die Investitionen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hätten diese Entwicklung stark vorangetrieben. Mit seinen großzügigen Fördergeldern habe Acelen Renewables derzeit einen großen Einfluss auf die Acrocomia-Forschung. Eisner kann dem Investment durchaus etwas Gutes abgewinnen: »Wenn sie anfangen, die ganze Wertschöpfungskette aufzubauen, wird irgendwann der Bedarf kommen an den Extraktionstechniken, die wir entwickeln.«

»Aus der Idee, die Macauba-Palme landwirtschaftlich in großen Mengen zu nutzen, gehen jetzt internationale Geschäftsmodelle hervor«Peter Eisner, Verfahrenstechniker

Die brasilianische Regierung hat schon früh auf Bioethanol als Energieträger gesetzt; doch dieses wie früher aus Zuckerrohr herzustellen, gilt heute als wenig nachhaltig, weil es mit dem Nahrungspflanzenanbau um Ackerflächen konkurriert. Eisner erkennt ein wachsendes Interesse der brasilianischen Regierung, Forschungsprojekte zur Macauba-Palme zu fördern, um dem Tank-oder-Teller-Konflikt zu entgehen.

Können sich Biokerosin und Biodiesel aus der Acrocomia-Palme auf dem Weltmarkt behaupten? »Wenn die USA unter Donald Trump jetzt mehr Erdöl fördern, kann das die Ölpreise unter Druck setzen«, gibt Stefan Schaltegger zu bedenken. Andererseits werden beispielsweise Luftfahrtgesellschaften von der Europäischen Union gesetzlich gezwungen, klimaschonende Kraftstoffe einzusetzen. Ab dem Jahr 2025 müssen die Flugzeugtanks zu zwei Prozent mit solchen Treibstoffen befüllt sein, ab 2030 sollen es sechs Prozent sein.

Sollte der Einsatz von Macauba-Palmöl als Biokerosin in den kommenden Jahren erfolgreich verlaufen, kann sich Schaltegger vorstellen, dass das Pflanzenöl ebenso helfen könnte, fossilen Schiffsdiesel bei großen Containerschiffen durch nachhaltige Erzeugnisse ersetzen. Bei Personenkraftwagen gibt es dagegen elektrische Antriebsmöglichkeiten. »Diese Treibstoffe sollten wir dort nutzen, wo wir im Moment wenig bis keine nachhaltigen Alternativen zu fossilen Brennstoffen haben, und das sind Langstreckenflüge und Langstrecken-Containerschifffahrten.«

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  • Quellen

Meyer, C. et al.: Biometric variability of inflorescence and flower traits among ex situ accessions of the neotropical oilseed palm Acrocomia Mart. Ecology and Evolution 14, 2024

Hilger, T. et al.: Seeds of Change – Plant Genetic Resources and People’s Livelihoods. In: Pilipavičius (ed.): Agroecology. IntechOpen, 2015

Plath, M. et al.: A novel bioenergy feedstock in Latin America? Cultivation potential of Acrocomia aculeata under current and future climate conditions. Biomass and Bioenergy, Volume 91, 2016

Silva Moreira, S. L. et al.: Carbon accumulation in the soil and biomass of macauba palm commercial plantations. Biomass and Bioenergy 190, 2024

Vargas-Carpintero, R. et al.: A Collaborative, Systems Approach for the Development of Biomass-Based Value Webs: The Case of the Acrocomia Palm. Land 11, 2022

Toledo E Silva, S. H. et al.: Production of Protein Concentrates from Macauba (Acrocomia aculeata and Acrocomia totai) Kernels by Sieve Fractionation. Foods 11, 2022

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