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Nahrungskette: Wie Schwertwale Weiße Haie lähmen

Wenn Weiße Haie im Meer etwas fürchten müssen – außer Menschen –, dann sind es Schwertwale. Eine Gruppe vor Mexiko hat dazu einen ganz eigenen Jagdstil entwickelt.
Ein Orca springt aus dem Wasser in einem offenen Meer. Der Himmel ist bewölkt, und das Wasser ist ruhig. Der Orca zeigt seine charakteristische schwarz-weiße Färbung.
Schwertwale sind äußerst geschickte Jäger und stehen an der Spitze der marinen Nahrungskette.

Vom größten Tier der Erde über Segeljachten vor der iberischen Küste bis hin zu Weißen Haien: Schwertwale (Orcinus orca) können unterschiedlichste Ziele bewegungsunfähig machen und – mit Ausnahme der Boote – auch fressen. Wie geschickt sie dabei vorgehen, zeigen Beobachtungen im Golf von Kalifornien, wo sich ein Familienverband von Orcas auf junge Weiße Haie (Carcharodon carcharias) spezialisiert hat. Ihre Jagdtechnik konnte ein Team um Jesús Erick Higuera-Rivas von der Conexiones Terramar im mexikanischen La Paz erstmals beobachten und aufzeichnen.

Den Schwertwalen um das Leittier mit dem Namen Moctezuma gelingt es, junge Haie durch vorherige Schwimmmanöver komplett bewegungsunfähig zu machen, bevor sie deren Leber und womöglich auch andere Organe aus dem Bauchraum reißen und verzehren. Dazu machen sich die Meeressäuger ein Verhalten der Fische zunutze, von dem Biologen noch nicht genau wissen, warum es auch Weiße Haie einsetzen: Dreht man die Raubfische auf den Rücken, tritt eine Schreckstarre ein, welche die Tiere regungslos macht – normalerweise in einer Situation, in der Flucht oder Kampf nicht möglich ist. In diesem Fall führt es die Haie direkt in den Tod.

Higuera-Rivas und seine Arbeitsgruppe konnten gleich zweimal 2020 und 2022 eine entsprechende Jagd der Schwertwale filmen. In beiden Fällen kreisten je fünf erwachsene Schwertwale einen jungen Weißen Hai ein und kooperierten, um diesen mithilfe gezielter Stöße auf den Rücken zu drehen. Den gelähmten Hai zogen sie dann schließlich von der Meeresoberfläche in die Tiefe, bevor einer der Orcas mit der Leber im Maul wieder auftauchte. Beim zweiten Fall öffneten sie den Hai direkt an der Wasseroberfläche und fraßen gemeinsam an dem fettreichen Organ, bevor der Rest des Körpers im Meer versank.

Durch das Manöver verringern die Wale die Möglichkeit, dass sie während der Jagd durch die Haie verletzt werden könnten. Warum es bislang nur bei jungen Haien beobachtet wurde, können sich die Wissenschaftler noch nicht erklären: Womöglich ist es einfacher, diese Tiere zu drehen, oder der Raubfischnachwuchs reagiert noch naiver als erwachsene Exemplare, die vielleicht frühzeitig die Flucht antreten, wenn sich Orcas nähern. 

Schwertwal lähmt und tötet Weißen Hai | Vor der mexikanischen Küste haben Schwertwale eine einzigartige Jagdstrategie entwickelt.

Moctezumas Gruppe jagt bekanntermaßen Rochen, aber auch Wal- und Bullenhaie. Aus den Erfahrungen, die sie mit diesen weniger wehrhaften Arten gemacht haben, lernten die Schwertwale eventuell, wie sie die prinzipiell gefährlicheren Weißen Haie erlegen können. Alle Beobachtungen fanden im Monat August statt, was auf eine saisonale Jagd hindeutet. Das muss jedoch noch ebenso geklärt werden wie der Grund, warum Weiße Haie vermehrt im Golf von Kalifornien auftauchen und dort Nachwuchs gebären. 

Sicher ist dagegen, dass Moctezuma und Co nicht von den beiden bekannten Haijägern Port und Starboard von der südafrikanischen Küste gelernt haben: Beide Gruppen trennt mehr als ein Ozean. Vor Südafrika haben die zwei Schwertwale jedenfalls dafür gesorgt, dass die Weißen Haie komplett abgewandert sind, weil sie ihren größten tierischen Feind fürchten müssen.

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  • Quellen
Higuera-Rivas, J. et al., Frontiers in Marine Science 10.3389/fmars.2025.1667683, 2025

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