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Zukunft von NASA, ESA und Co.: Die Allianz von Trump und Musk wird die Raumfahrt erschüttern

Das Erscheinen von Elon Musk auf der politischen Bühne der USA wird die Raumfahrt wahrscheinlich massiv verändern – auch in Europa. Eine Analyse.
Illustration zweier Menschen in Raumanzügen, die auf der Mondoberfläche knien und Gesteinsproben nehmen, im Hintergrund sind eine Landefähre und eine aufgestellte US-Flagge zu erkennen
Die USA verfolgen ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm, unter anderem für Mondmissionen. Die neuen politischen Akteure könnten dessen Fortgang dramatisch ändern.

Die Wandlung vom IT-Nerd und Weltraum-Visionär zum Einflüsterer des mächtigsten Menschen der Welt – und neuerdings Helfershelfer der politischen Rechtsextremen in Europa – ist erschütternd. Es gibt ein Bild aus dem Jahr 2002, das zeigt, wie Musk mit einer Hand voll Mitarbeitern in einem sonst leeren Raum die Gründung von SpaceX feiert, kurioserweise mit einer Mariachi-Band. Musk schüttelt zwei Rasseln und deutet den Tanzstil an, den er mehr als 20 Jahre später auf Donald Trumps Wahlkampfveranstaltungen aufführen soll. Auf dem Foto sieht Musk definitiv nicht aus wie ein Präsidentenflüsterer. Aber: Er war schon damals ein Mann mit einem Plan.

Trump will in den kommenden Jahren seiner Präsidentschaft die gesellschaftliche Ordnung der USA einreißen. Und Musk plant nichts Geringeres für die Raumfahrt – nicht zuletzt zu seinem eigenen Nutzen. Ähnlich wie Trump die Gewissheiten der europäischen Sicherheitspolitik auf den Kopf stellt, werden auch die jahrzehntelang gewachsenen Strukturen der US-Raumfahrt unter die Räder kommen – und damit auch Europas.

Posten mit Durchschlagskraft

Kaum hatte Trump die Wahl gewonnen, gab er Mitte November 2024 bekannt, sein prominentester Unterstützer Musk werde zukünftig das Department of Government Efficiency leiten – eine von der Regierung unabhängige Abteilung, um »überflüssige Regulierungen zu streichen, unnötige Ausgaben zu kürzen und Bundesbehörden umzustrukturieren«, so der künftige US-Präsident.

Tanzender Elon Musk
Der Tech-Milliardär wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein Präsidentenflüsterer.

Das hört sich zunächst nach einem Posten mit beeindruckendem Titel an, der in Wahrheit nicht viel Einfluss bringt. Doch das sehen Musk und sein zukünftiger Chef anders. Als Digital Native, der sein Weltbild nach den Normen des Silicon Valley ausrichtet, geht es Musk nicht nur darum, neue Welten zu erschaffen, sondern auch darum, die alten zu demontieren. Trump und Musk wollen freie Bahn, um ihre Pläne zu verwirklichen.

Während die Einsparpotenziale in vielen Bereichen der US-Wirtschaft strittig sein dürften, liegen die Dinge in der Raumfahrt recht klar. Dort hängen einige »low hanging fruits« so tief, dass es nicht lange dauern dürfte, bis SpaceX-Chef Musk sie abgepflückt hat.

SLS und Orion: Bald überflüssig?

Für die Rückkehr zum Mond ließ die NASA über fast 20 Jahre eine neue Schwerlastrakete und ein Raumschiff bauen. Seit George Bush Senior schrieben die wechselnden US-Administrationen der NASA alle paar Jahre neue langfristige Ziele vor, was die Kosten des Projekts immer weiter in die Höhe trieb. Am Ende haben das Space Launch System SLS und das Raumschiff Orion zusammen umgerechnet etwa 50 Milliarden Euro gekostet, und pro Flug werden zirka zwei Milliarden Euro hinzukommen.

Die NASA-Ingenieure haben zwar nicht verwendete Triebwerke ausgemusterter Spaceshuttles eingebaut, um Kosten zu sparen. Doch das SLS ist nicht wiederverwendbar, im Gegensatz zur Falcon-9-Rakete von SpaceX oder ihrer noch stärkeren Schwesterrakete Falcon Heavy, die ebenfalls als kurzfristiger SLS-Ersatz in Frage käme. Wiederverwendbarkeit würde sich für einen solchen Einsatz aber angesichts der geringen Startquote nicht lohnen. Die Hauptaufgabe von SLS besteht darin, Orion zu befördern, was bloß alle paar Jahre erforderlich ist.

Artemis-Programm | Das astronautische Raumfahrtprojekt der NASA soll wieder Menschen auf den Mond bringen.

An diesem Punkt dürfte Musk ansetzen. Sein 123 Meter hohes Raumtransportgespann aus der Raketenstufe Superheavy und dem Raumschiff Starship soll nicht nur stärker, sondern auch preiswerter sein. Die derzeitige SLS-Version kann etwa 27 Tonnen Nutzlast auf den Weg zum Mond bringen, das Starship – nach mehrmaligem Auftanken – hingegen mehr als 100 Tonnen. Viel entscheidender jedoch: Der Start eines wiederverwendbaren Starships soll bloß noch wenige Millionen Euro kosten, sobald es einsatzfähig ist. Jedenfalls hat das Musk so angekündigt.

»Ich bin recht sicher, dass das SLS einen schnellen Tod sterben wird«ESA-Mitarbeiter

Bisher ist noch nicht einmal die unbemannte Starship-Version einsatzfähig, mit der SpaceX lediglich Satelliten ins All bringen will. Eine bemannte Starship-Ausführung, die Astronauten zum Mond transportieren könnte, liegt noch in weiter Ferne. SpaceX arbeitet im Auftrag der NASA aber mit Hochdruck an einer Ausführung als astronautische Mondlandefähre. Deshalb dürfte ein bemanntes Starship in kürzester Zeit SLS und Orion ersetzen. Wie lange das dauert, hängt wiederum davon ab, wie viele Mittel das Starship erhält – und wie viele SLS und Orion. Mit Musk als demjenigen, der mit dem Hackebeil NASA-Budgets kappt, werden letztere überschaubar sein.

»Ich bin recht sicher, dass das SLS einen schnellen Tod sterben wird«, sagt ein hoher ESA-Offizieller, der nicht namentlich genannt werden will. »Die bemannten Missionen zum Mond werden dann mit dem Starship erfolgen. Denn es macht mehr Sinn, damit direkt zum Mond zu fliegen und auf ihm zu landen, als eine komplexe Architektur aufzubauen, in der die Astronauten umsteigen müssen und die dazu noch viel teurer ist.«

Hinderlich könnten allenfalls Senatoren der US-Bundesstaaten sein, in denen SLS und Orion gefertigt werden. Nicht zufällig befinden sich die größten politischen Befürworter für die NASA und das Orion-Programm in US-Bundesstaaten wie Colorado, Louisiana und Florida, wo die Raumfahrzeuge hergestellt werden. Es ist allerdings fraglich, ob sich Musk davon beeindrucken lässt. Als nicht gewählter Berater muss er anders als die Senatoren nicht um seine Wiederwahl fürchten.

Verbündeter in der NASA

Unterstützung dürfte er zudem vom designierten NASA-Chef Jared Isaacman erhalten. Bisher waren die Leiter der weltweit größten Raumfahrtbehörde meist ehemalige NASA-Astronauten wie zuletzt Bill Nelson unter Präsident Joe Biden. Oder es waren etablierte Politiker mit einem feinen Gespür dafür, in welche US-Bundesstaaten das umgerechnet 25 Milliarden starke Jahresbudget zu steuern ist.

Zwar ist Isaacman auch zweimal ins All geflogen, allerdings als zahlende Privatperson – im Raumschiff von Elon Musk. Wie dieser ist Isaacman Tech-Unternehmer und Milliardär. Sein Unternehmen Shift4 Payments hält SpaceX-Aktien für umgerechnet 25 Millionen Euro.

Musk wird vom Bittsteller zum Auftraggeber, die NASA von der mächtigen Überorganisation zum Dienstleister

Die spannende Frage ist jedoch, wie sehr Musk die NASA für seine Pläne noch braucht. Zweifellos wäre SpaceX ohne die Raumfahrtbehörde nicht das Unternehmen geworden, das es heute ist. NASA-Manager statteten die junge Firma ab 2006 mit Milliardenverträgen aus, zudem unterstützten die erfahrenen NASA-Ingenieure ihre SpaceX-Kollegen während der Entwicklung der Falcon-9-Rakete und des Raumschiffs Dragon massiv mit technologischem Knowhow.

Auch in Zukunft wird Musk wahrscheinlich nicht auf die geballte Kompetenz der NASA verzichten. Doch die Rollen werden getauscht. Musk wird vom Bittsteller zum Auftraggeber, die NASA von der mächtigen Überorganisation zum Dienstleister, die dem Milliardär Steine aus dem Weg rollt.

FAA: In den Augen von Musk ein Störenfried

Ein solcher Stein ist die Federal Aviation Administration FAA, jedenfalls aus der Sicht von Musk. Die US-Bundesluftfahrtbehörde hat sich mehrfach geweigert, den Starship-Prototypen Startlizenzen zu erteilen, bevor die Beamten die Sicherheit der Starts und deren Auswirkungen auf die Umwelt geprüft hatten. Ein selbstverständlicher Vorgang im Interesse der Allgemeinheit und trotzdem ein Ärgernis für Musk.

»Bislang hat SpaceX die Starship-Prototypen schneller gebaut, als die Firma von der FAA die Erlaubnis erhielt, sie zu starten«, so der ESA-Offizielle, der nicht genannt werden will. »Ich gehe davon aus, dass Musk aber so oft fliegen wird, wie er möchte, sobald Trump im Amt ist und der entsprechende Kopf bei der FAA ausgetauscht wurde.«

Mit einer solchen Macht könnte Musk seinen Konkurrenten Knüppel zwischen die Beine werfen; allen voran seinem Rivalen in der kommerziellen Raumfahrt, dem Amazon-Gründer Jeff Bezos, der wie Musk eine Schwerlastrakete und eine Internet-Satellitenkonstellation entwickelt. Mit diesem hat sich Musk schon vor Jahren um Startplätze und Patente vor Gericht gestritten. Zwar hat Bezos bereits öffentlich verlautbaren lassen, er glaube nicht, »dass Musk seine neue politische Macht nutzen werde, um sich auf Kosten von Blue Origin Aufträge zu verschaffen«. Allerdings dürften ihm nicht viele in dieser Einschätzung folgen – falls er überhaupt selbst daran glaubt.

Die ESA am Ende der Nahrungskette

Und die ESA? Bisher hat die NASA ausländische Partner wie die japanische JAXA und die europäische ESA gebraucht, um teure Raumfahrtprojekte wie die Internationale Raumstation ISS und die Rückkehr zum Mond finanziell zu stemmen. Europa steuerte nicht nur Geräte wie das Columbus-Modul zur ISS bei, sondern baute auch das Versorgungsraumschiff ATV. Im Gegenzug nahm die NASA europäische Astronauten mit zur ISS, wo sie die US-amerikanische Infrastruktur der Station verwenden durften.

Ob dieses Modell auch für die Artemis-Mondmissionen Bestand hat, steht in den Sternen. Im Rahmen ihres Tauschgeschäfts bauten die Europäer das Versorgungsmodul des Raumschiffs Orion. Falls dieses überflüssig wird, gibt es womöglich schon mittelfristig keinen Grund mehr, europäische Astronauten gratis mit zum Mond zu nehmen.

»Für die amerikanische Raumfahrt ist Trump definitiv gut, aber für die europäische Raumfahrt … ich weiß nicht«ESA-Mitarbeiter

»So wie Trump ist, wird er die Europäer sicher nicht kostenlos mitnehmen. Vielleicht später, doch für sehr viel Geld«, so der ESA-Mitarbeiter. »Für die amerikanische Raumfahrt ist er definitiv gut, aber für die europäische Raumfahrt … ich weiß nicht.« In Japan war man schlauer: JAXA und Toyota steuern ein Mondauto bei, das Musk bisher nicht im Programm hat.

Ohnehin stellt sich die Frage, ob die NASA mit Musk das Artemis-Programm im geplanten Umfang von mindestens sechs Missionen verfolgen wird. Schließlich dient Artemis »nur« als technisches Sprungbrett zum Mars.

Flaggschiff-Mission in Gefahr

Der Rote Planet ist seit Jahren Musks erklärtes Ziel. Er möchte nicht bloß mit Astronauten auf dem Mars landen, sondern ihn auch dauerhaft besiedeln, um die Menschheit in eine multiplanetare Spezies zu verwandeln. Daher dürfte ihn ein anderes großes Projekt von NASA und ESA interessieren: die Mars Sample Return Mission. Diese soll das Marsgestein zur Erde bringen, das der NASA-Rover Perseverance derzeit auf dem Planeten einsammelt. Für die komplizierte Mission soll die ESA das Raumfahrzeug beisteuern, das die Proben vom Marsorbit zur Erde transportiert – und ist daher mit einem erheblichen Anteil an der Mission beteiligt.

Allerdings stand die Flaggschiff-Mission schon vor Musks Erscheinen auf der politischen Bühne in der Kritik, vor allem im US-Kongress. Die prognostizierten Kosten schwollen von umgerechnet drei auf zuletzt mehr als elf Milliarden Euro an – eine Menge Geld für ein paar Kilogramm Marsgestein, die erst 2040 auf der Erde eintreffen sollen.

Der SkyCrane setzt den Rover Perseverance ab | Mit dem SkyCrane (Himmelskran) wurden in den Jahren 2012 und 2021 die Marsrover Curiosity und Perseverance sicher auf die Marsoberfläche transportiert. Das gleiche Verfahren könnte bei der geplanten Rückholmission für Marsgesteinsproben zum Einsatz kommen.

Das Thema kochte so heiß, dass sich die Projektverantwortlichen der ESA nicht mehr öffentlich dazu äußern wollten. Im April 2024 zog die NASA schließlich die Reißleine und sucht seitdem nach preiswerteren Alternativen. Zum Beispiel könnte man die Abholsonde mit der gleichen bewährten Technik auf dem Mars landen wie die Rover Curiosity und Perseverance. Eine andere Möglichkeit besteht darin, kommerzielle Anbieter mit dem teuren und aufwändigen Missionsteil der Landung zu beauftragen, in der Hoffnung, dass diese effizienter arbeiten als die NASA. Beide Optionen könnten die Kosten um mehrere Milliarden Euro drücken.

Doch hat das Wort der NASA überhaupt noch Gewicht? Es ist kaum anzunehmen, dass die Trump-Regierung und der US-Kongress ohne den Segen von Musk eine milliardenschwere Marsmission vorantreiben werden – und dann auch noch ohne eines seiner Raumfahrzeuge.

Musk könnte einer unbemannten Mission zustimmen, aber höchstwahrscheinlich nur, um den Weg für ein bemanntes Projekt zu bereiten. Alles andere wäre aus seiner Sicht vermutlich eine Verschwendung von Zeit und Geld, schließlich will der 53-jährige Musk irgendwann selbst zum Mars reisen. Wenn es seine Raumschiffe sind, die hin- und wieder zurückfliegen – es dürfte eine Version des Starships sein –, dann ist die ESA überflüssig; zumindest in der bisher geplanten Version.

Die NASA hat bereits angekündigt, die Entscheidung zur Mars Sample Return Mission frühestens Mitte 2026 zu treffen. Dahinter könnte eine kluge Überlegung stehen: In der ersten Amtszeit Trumps hat sich gezeigt, dass Allianzen mit ihm nicht selten eine kurze Halbwertszeit haben. 18 Monate sind im politischen Trump-Kosmos ein Äonen gleichender Zeitraum. Wer weiß, ob Musk bis dahin seine Position noch innehat.

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