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Gift in der Natur: Antitoxischer Schwamm gegen Pfeilgiftfrosch-Vergiftung?

Einige toxische Frösche und Vögel setzen auf ein Gift, das sie aus ihren Beutetieren herausholen. Warum sie sich nicht selbst vergiften, ist nun wieder weniger klar als zuvor gedacht.
Der Pfeilgiftfrosch Phyllobates terribilis

Die Natur hat eine enorme Zahl von Giftstoffen produziert: Viele Pflanzen sind tödlich und vielleicht 15 Prozent aller Tiere mehr oder weniger toxisch. Gift dient bei ihnen dazu, Beute zu überwältigen oder sich wirklich ungenießbar zu machen und gegen Angriffe zu verteidigen. Eines müssen Tiere dabei aber bedenken: Wer ein tödliches Gift herumträgt, sollte sich davor auch selbst in Acht nehmen. Und das klappt bei manchen Tieren anders als bislang gedacht, beschreibt ein Forscherteam aus Kalifornien im Fachblatt »Journal of General Physiology«.

Die Wissenschaftler um Daniel Minor von der University of California in San Francisco haben sich zwei recht unterschiedliche Tiere angesehen, die beide lebensgefährliche Batrachotoxine einsetzen: Pfeilgiftfrösche und Pitohui-Vögel. In den Hautdrüsen vom Frosch Phyllobates terribilis ist durchschnittlich rund ein Milligramm Batrachotoxin enthalten, was ausreichen würde, um 10 bis 20 Menschen tödlich zu vergiften. Das Gift wirkt als Neurotoxin, indem es das Schließen von Natriumkanälen verhindert und die Nervenleitung somit unterbindet; zudem greift es Herz- und Muskelzellen an und lässt sie verkrampfen. Beim Menschen führt das Gift schon in kleinsten Mengen zu Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern und schließlich Herzversagen.

Pfeilgiftfrösche wie auch die Pitohui-Vögel aus Neuguinea produzieren das Gift dabei nicht selbst, sondern recyceln es aus giftigen Insekten, die sie fressen. Dies wirft die Frage auf, warum sich Frosch und Vogel dabei nicht ihrerseits vergiften, denn immerhin tragen ihre Nervenleitungen ebenfalls Natriumkanäle in den Zellmembranen. Eigentlich galt diese Frage seit einigen Jahren als geklärt: Eine Arbeitsgruppe hatte spekuliert, dass die Membranproteine auf den Nervenzellen auf Grund von bestimmten Mutationen gegen das Neurotoxin immun sind.

Extrem giftiger Vogel: ein Pitohui

Dies war aber zur Überraschung des Teams um Minor nun doch nicht der Fall: Mühsam und sorgfältig herausoperierte Nerven mit Natriumkanälen der Frösche zeigten sich in seinen Experimenten ebenso sensitiv gegenüber dem Nervengift wie die anderer Tiere. Auch eine Veränderung, die Natriumkanäle von Ratten in früheren Versuchen unempfindlicher machte, hat bei anderen Tieren offenbar keine Wirkung: Mit mutierten Membranproteinen versehene Frosch- und Vogelneurone reagierten trotzdem auf das Toxin; zudem arbeiteten ihrer Nerven dann bei Weitem nicht mehr so effizient wie in ihrer natürlichen Variante.

Offenbar schützen Pfeilgiftfrösche und Pitohui-Vögel sich also auf eine andere Weise. In Frage kommt dabei eine Art Schwammmechanismus, vermuten Minor und seine Kollegen. Solch einen Schutz kennt man etwa von Muscheln, die das lähmende Gift Saxitoxin mit den Bakterien aus ihrer Nahrung einstrudeln. Das Gift wirkt ebenfalls auf Natriumkanäle, verschiedene Tiere können es aber mit mit einem Netz aus antitoxischen Saxiphilin-Proteinen binden und so neutralisieren. Dies würde im Prinzip auch bei Pfeilgiftfröschen und Vögeln funktionieren, wie weitere Experimente zeigen: Die herauspräparierten Nerven der Tiere sind gegen Saxitoxin geschützt, wenn Saxiphilin-Proteine hinzugefügt werden.

Minor und Co vermuten nun, dass Pfeilgiftfrösche und Pitohui-Vögel einen ganz ähnlichen Giftschwamm gegen Batrachotoxine besitzen; ein passendes Schwammprotein haben sie allerdings noch nicht gefunden. In den Experimenten hat sich aber gezeigt, dass der Schutz gut funktionieren würde. Amphibien wie der Ochsenfrosch produzieren Saxiphiline – offenbar, um sich gegen Saxitoxine zu schützen. Es sei also durchaus denkbar, dass der Schutz gegen das Frosch- und Vogelgift in antitoxischen Abfangproteinen von Frosch und Vogel selbst zu finden ist. Zudem könne diese Art des Selbstschutzes weiter verbreitet sein als bisher gedacht.

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