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Naturkatastrophen: Was Schlammlawinen gefährlich macht

Muren gehören zu gefährlichsten Massenbewegungen der Alpen. Eine Echtzeitstudie hat nun Faktoren ermittelt, welche die Schlammlawinen besonders zerstörerisch machen.
Eine kleine, von Bäumen umgebene Ortschaft mit traditionellen Steinhäusern und einer Kirche im Hintergrund. Im Vordergrund sind Industriegebäude und Container zu sehen. Der Boden ist mit Geröll und Schlamm bedeckt, was auf einen Erdrutsch oder eine Überschwemmung hindeutet.
Im August 2017 verschüttete eine Schlammlawine Teile der Schweizer Ortschaft Bondo. Zumindest hier kamen keine Menschen zu Schaden.

Nach starken Regenfällen oder Bergstürzen treten in den Alpen immer wieder gefährliche Schlammlawinen auf, die sich durch Täler wälzen, große Steine oder Bäume mitreißen und immer wieder schwere Schäden in Ortschaften oder an der Infrastruktur hinterlassen: 2017 kostete eine derartige Mure im Schweizer Bondasca-Tal sogar acht Menschenleben – der bis zu 100 Meter breite Schlammstrom riss die Wanderer wahrscheinlich mit. Einem Team um Jordan Aaron von der ETH Zürich gelang es, eine Mure in Echtzeit genau zu vermessen, die am 5. Juni 2022 im Illgraben oberhalb der Walliser Gemeinde Leuk losbrach und sich über mehrere Kilometer durch das Bett des Illbachs ergoss, bevor dieser in der Rhone mündete.

In diesem Gebiet kommt es immer wieder zu Muren, weshalb die Arbeitsgruppe mehrere Messstationen entlang des Grabens platzieren konnte, die mit Hilfe von Lasern Muren scannen können. Zusammen mit Hochgeschwindigkeitskameras lieferten ihre Daten wertvolle Erkenntnisse zur Dynamik dieser Naturereignisse. Beim erfassten Ereignis bewegten sich insgesamt rund 25 000 Kubikmeter Schlamm und Geröll talwärts, die sich jedoch nicht einheitlich fortbewegten.

Zu Beginn im steileren Gelände besaß die Mure eine bis zu zwei Meter hohe Front, in der Felsblöcke bis zu einem Kubikmeter an Volumen mitgerissen wurden. Im flacheren Gelände wurde auch der Schlammstrom flacher, doch entstanden dann an seiner Oberfläche immer wieder schnelle und mächtige Wellen, die zerstörerisch wirkten. Insgesamt 70 derartige Wellen konnten die Wissenschaftler zählen. Und gerade diese Wellen wirken sich besonders intensiv auf Gebäude, Infrastruktur oder Bäume entlang des Murgangs auf und verursachen die größten Schäden.

Sie folgen dabei keinem bestimmten Muster, sondern entwickeln sich spontan aus kleineren Unebenheiten auf der Oberfläche. Die Wellen wachsen rasch an, werden größer und schneller, bis sie maximal zerstörerisch wirken, bevor sie wieder zusammenbrechen und durch neue Wellen abgelöst werden. Die Gefährlichkeit eines Murgangs werde maßgeblich durch die Zerstörungskraft der Schübe definiert, schreiben die Wissenschaftler. 

Auf der Grundlage der Studie ließe sich in Zukunft abschätzen, ob Schübe bei einem Murgang zu erwarten sind und wie zerstörerisch sie sein könnten. Daraus leitet man dann ab, welchen Kräften Hausmauern oder Brückenpfeiler in einem Gefahrengebiet standhalten müssen. Ebenso könnten Schutzvorkehrungen wie Dämme oder Auffangnetze dimensioniert werden.

  • Quellen
Langham, A. et al., Communications earth & environment 10.1038/s43247–025–02488–7, 2025

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