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Meeresbiologie: Nervengift macht Seelöwen orientierungslos

In den letzten Jahren trieben Kalifornische Seelöwen in zunehmender Zahl orientierungslos oder tot an die Küste. Sind giftige Algenblüten schuld daran?
Seelöwe

In den letzten Jahren häuften sich starke Algenblüten vor der Westküste Nordamerikas, und 2015 fand die heftigste bislang bekannte Massenvermehrung von Phytoplankton in der Region statt: Zu den wichtigsten Arten, die daran beteiligt sind, gehören Kieselalgen der Gattung Pseudo-nitzschia, die allerdings Domoinsäure und damit ein potentes Nervengift produzieren. Diese Verbindung verursacht offensichtlich schwere Schäden im Gehirn von Kalifornischen Seelöwen (Zalophus californianus) und löst dadurch Orientierungsschwierigkeiten aus. Das könne die Zahl der zunehmenden Anlandungen toter oder geschwächter Tiere an den Stränden der Region erklären, vermuten Peter Cook von der Emory University und sein Team. Hunderte Tiere werden demnach mittlerweile jährlich gemeldet, die unter Domoinsäurevergiftung leiden und Verhaltensstörungen zeigen. Zudem ist bekannt, dass höhere Konzentrationen an Domoinsäure im Körper den Hippocampus schädigt und damit die Erinnerungsfähigkeit beeinträchtigt.

Die Forscher untersuchten daher über mehrere Jahre hinweg insgesamt 30 Seelöwen, die sie nach dem Stranden einsammelten und in ein Rehabilitationszentrum brachten, um sie wieder aufzupäppeln und teilweise wieder freizulassen. Unter anderem legten sie die Tiere in einen Magnetresonanztomografen, um herauszufinden, welche Spuren das Nervengift im Denkapparat hinterlässt. Seelöwen, die höheren Konzentrationen ausgesetzt waren, wiesen etwa deutlich weniger neuronale Verbindungen zwischen dem Hippocampus und dem Thalamus auf, was die Gedächtnisleistung mindert. In Verhaltenstests schnitten diese Individuen dann schlechter bei Tests ab, die das kurz- und langzeitige räumliche Orientierungsvermögen überprüfen. Und dies könne erklären, warum mittlerweile so viele Seelöwen unterernährt oder fernab ihres eigentlichen Verbreitungsgebiets und Lebensraums auftauchen, so Cook: Die Robben "verschwimmen" sich und tauchen beispielsweise weit draußen im Meer oder landeinwärts auf, obwohl sie küstennahe Lebensräume bevorzugen.

Die Kieselalgen belasten die Seelöwen nicht direkt, aber über die Nahrungskette reichert sich die Domoinsäure in ihrem Körper an: Die Tiere nehmen sie über Krustentiere und kleine Fische auf, die sich vom Plankton ernähren. Normalerweise treten die Algenblüten im Frühling und Herbst auf, doch 2015 dauerte sie den ganzen Sommer an und reichte von Santa Barbara in Kalifornien bis nach Alaska. Wahrscheinlich betreffen die neurologischen Folgen dieser Massenvermehrungen auch andere Meeresorganismen wie Wale oder Seevögel, doch liegen dazu noch kaum Daten vor. Weltweit mehren sich derartige Algenblüten; sie profitieren wahrscheinlich von steigenden Wassertemperaturen und dem Nährstoffeintrag vom Land.

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