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Archäologie: Neue Antwort auf Altersfragen

An drei keltischen Tierskulpturen ist es erstmals gelungen, das Alter der fragilen Objekte ohne Berührung aufs Jahr genau zu bestimmen. Den erhellenden Blick ermöglichte ein Computertomograf.
Hirsch im Screenshot
Viel ist nicht mehr übrig von der keltischen Viereckschanze bei Fellbach-Schmiden in Baden-Württemberg. Doch als Forscher dort Ende der 1970er Jahre in einer Lehmgrube Siedlungsreste ausgruben und Teile der Anlage aus dem 2. bis 1. Jahrhundert v. Chr. entdeckten, stießen sie in einem zwanzig Meter tiefen Brunnenschacht auch auf drei hölzerne Kostbarkeiten: einen aufbäumenden Hirsch und zwei aufgerichtete Stein- oder Ziegenböcke, die wohl eine menschliche Gestalt zwischen sich hatten, da sich deren Hände ebenfalls erhalten hatten. Aus Eiche geschnitzt, hatten die Figuren die Jahrhunderte im wassergefüllten Boden des Brunnens überdauert. Sie gehörten ursprünglich zu einem größeren Kultbild, das aber bei der Eroberung des Herrenhofes zerstört und dessen Reste in den Brunnen geworfen wurden.

Figuren aus Fellbach-Schmiden | Links die etwa 80 Zentimeter hohe Hirschfigur, rechts einer der beiden Stein- oder Ziegenböcke aus dem Brunnenschacht der keltischen Viereckschanze von Fellbach-Schmiden. Sie gehörten zu einer Figurensammlung mit kultischer Bedeutung.
Der Brunnen, so klärte sich bald, stammt aus dem Jahr 123 v. Chr. Die Figuren allerdings blieben undatiert, da sie viel zu kostbar sind, um mit den üblichen Methoden wie der Dendrochronologie untersucht zu werden, für die sie angebohrt oder aufgeschnitten werden müssten. Doch Irmgard Pfeifer-Schäller von der Fachhochschule Aalen und Michael Friedrich von der Universität Hohenheim rückte den Schätzen nun mit einer berührungsfreien Methode zu Leibe: der Computertomografie. Das Gerät, das dort normalerweise zur Prüfung von Gussteilen eingesetzt wird, ermöglichte einen tiefen, dreidimensionalen Blick ins Innere der Holzfiguren mit einer Auflösung von 0,005 Millimeter. Damit werden Strukturen in dem Holz sichtbar, wie sie sonst nur in lichtmikroskopischen Schnitten zu erkennen sind – und das ganz ohne zerstörerisches Skalpell. Sogar der Übergang von Kernholz zu Splintholz zeichnet sich deutlich ab.

Querschnitt aus dem Hals des Hirsches | Ein Querschnitt aus dem Halsbereich des Hirsches. Er zeigt die feinen Jahresringe (waagerecht) und die Markstrahlen (senkrecht) des Eichenholzes.
Die Durchleuchtung mit Röntgenlicht, die für jedes Objekt etwa eine Stunde dauerte, erbrachte eine detallierte Karte der Jahresringe. Anhand einer Referenzkurve, die 10 480 Jahre zurückreicht, ermittelten die Wissenschaftler, dass die Eiche, aus deren Holz die Tiere geschnitzt wurden, im Jahr 127 v. Chr. gefällt wurde – mit einer Unsicherheit von zehn Jahren. Die Figuren stammen offenbar alle aus demselben Baum, der wohl, dem Muster der Jahresringe zufolge, in einem dichten Eichenwald in Baden-Württemberg gestanden hat und über 250 Jahre alt war.

Screenshot Hirsch | Ein Screenshot zeigt, wie aus den Daten der Röntgenmessungen das Abbild des Hirsches am Monitor neu entsteht. Auf diese Weise kann ein Stereolithograf eine detailgetreue Nachbildung der Figur produzieren.
Doch die Computertomografie kann Archäologen noch weitere wichtige Dienste leisten. So müssen derart im Wasser konservierte Fundstücke für ihren Aufenthalt im Museum haltbar gemacht werden, indem das Wasser durch einen geeigneten stabilen Stoff ersetzt wird. Um nun zu sehen, ob dieser Austausch vollständig geklappt hat, müsste der Präparator aber ins Innere der Objekte schauen können – was mit den Röntgenaugen des Computertomografen problemlos möglich ist. Und so lässt sich auch verfolgen, wann gegebenfalls eine neue Behandlung nötig ist, um dem Verfall vorzubeugen. Bei ihrem berührungslosen Blick ins Innere des Hirsches konnten die Wissenschaftler sogar eine unerwartete Klebung mit Holzleim aufspüren, die wohl bald nach der Bergung gemacht wurde, wahrscheinlich weil das Holz zu reißen begann.

Mit dem neuen Verfahren können die Figuren nun vielleicht auch bald auf Reisen gehen – nicht die Originale, aber detaillierte Nachbildungen. Denn häufig werden Abgüsse benötigt, die für Ausstellungen oder weitere Untersuchungen verwendet werden, für welche die eigentlichen Fundstücke aber zu kostbar sind. Ein Abguss der keltischen Tierfiguren allerdings wäre undenkbar, da sie noch goldgelbe Farbreste aufweisen und die Oberfläche des porigen Holzes abschiefert. Die Daten aus dem Computertomografen können aber in einen Stereolithografen eingespeist werden, der dann aus Harz eine exakte Nachbildung produziert.

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