Mikroorganismen: Bisher unbekannte Lebensform beherrscht tiefe Bodenschichten

Die untersten Bodenschichten direkt über dem blanken Gestein sind das Reich eines bislang unbekannten und weitgehend rätselhaften Stamms von Bakterien. Diese als CSP1-3 bezeichnete Gruppe ist evolutionär noch weiter von allen anderen Bakterien entfernt als unser Darmbakterium Escherichia coli von den Mikroben heißer, schwefelhaltiger Tiefseequellen. Laut einem Forschungsteam um den Mikrobiologen Xun Quian von der Northwest A&F University im chinesischen Shaanxi macht der neue Bakterienstamm in Tiefen von 17 Metern und mehr 60 Prozent der Bakteriengemeinschaften aus. Diese Dominanz ist ungewöhnlich und geht womöglich auf die besonderen Anforderungen des Lebensraums zurück.
Über CSP1-3 ist sehr wenig bekannt, weil es noch nicht gelungen ist, die Bakterien im Labor zu züchten. Genomische Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Mikroben sich aktiv vermehren, berichtet die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »PNAS« – es sind also keine Sporen, die im Lauf der Zeit immer tiefer begraben wurden. Vielmehr scheinen sich die Mitglieder speziell an die tiefen, nährstoff- und energiearmen Bodenschichten angepasst zu haben. Alle bekannten Mitglieder des Stamms können das Gas Kohlenmonoxid zur Energiegewinnung nutzen, und die bisher von den Fachleuten identifizierten Gene deuten darauf hin, dass sie auch Wasserstoff verwerten können.
Die untersuchten Bodenproben stammen aus China und den USA, wo besonders tiefe und alte Böden existieren. Böden sind eine relativ neue erdgeschichtliche Errungenschaft. Sie entstehen durch lang anhaltende chemische und biologische Verwitterung des Gesteins, sind komplex aufgebaut, und ihre obersten Schichten sind reich an Lebewesen und organischem Material. Doch je tiefer die Verwitterungsfront in das Gestein eindringt, desto verarmter ist das entstehende Bodenmaterial, denn viele Nährstoffe werden während der Verwitterung von Wasser weggetragen. Dieses Wasser ist wohl auch der ursprüngliche Lebensraum der CSP1-3-Bakterien, wie beteiligte Fachleute in einer Pressemitteilung der Michigan State University berichten; nach und nach hätten die Mikroorganismen ihr Genom erheblich erweitert und exotische Fähigkeiten und Eigenschaften hinzugewonnen.
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