Bypass-Operationen: Neue Methode hilft Gefäßverschlüsse zu vermeiden
Bis zu 50% der Bypass-Eingriffe an Herz und Bein könnten deswegen fehlschlagen, weil die Gefäße durch atherosklerotische Plaques und Zellwucherungen verstopfen, sagte Mann. Es wird erwartet, daß sich Forscher aus anderen medizinischen Zentren dem Harvard-Team anschließen, um in einer großen Studie diese Technik an Patienten mit Durchblutungsstörungen in den Beinen zu prüfen. Abhängig von den Ergebnissen der Studie wäre der nächste Schritt eine Gentherapie für Bypass-Operationen am Herzen.
Die von Mann und Kollegen entwickelte gentherapeutische Methode soll die Wucherung der Zellen, die die transplantierten Gefäße auskleiden, reduzieren. Diese Wucherung, neointimale Hyperplasie genannt, macht die Gefäße anfällig für die Bildung atherosklerotischer Plaques.
Die Venentransplantate sind auch deswegen anfällig für Atherosklerose und Zellwucherungen, weil sie für eine Funktion genutzt werden, für die sie eigentlich nicht gedacht sind, erklärt Mann. Venen sind Gefäße, die das Blut zum Herzen zurücktransportieren und dadurch einem relativ geringen Druck des zirkulierenden Blutes ausgesetzt sind. Wenn sie jedoch als Bypass eingesetzt werden, sollen sie die Funktion von Arterien übernehmen, die das Blut vom Herzen wegtransportieren. Der höhere Blutdruck bedeutet eine größere Belastung für das Transplantat. Dies und das Trauma der Verpflanzung fördert die neointimale Hyperplasie, erklärt Mann.
Im Wesentlichen versuchen wir die Biologie der verpflanzten Venen zu verändern und sie wie Arterien funktionieren zu lassen, sagt Mann. Auch wenn wir die Technik an peripheren Bypass-Eingriffen prüfen, ist die Methode prinzipiell für Bypass-Operationen am Herzen dieselbe. Untersuchungen haben auch gezeigt, daß die Venen bei genetischer Hemmung der neointimalen Hyperplasie ihren normalen Muskelanteil erhöhen und eher wie Arterien aussehen. Außerdem widerstehen sie der rapiden Entwicklung der Atherosklerose, wie sie normalerweise in Venentransplantaten auftritt.
Bei der experimentellen Gentherapie wird die Vene vor der Transplantation in einer Lösung gebadet, die Oligodesoxinukleotide (ODN), eine kurze Sequenz des genetischen Materials DNA, enthält. In Laborversuchen blockiert ODN die Aktivität der Gene, die für die Enstehung der neointimalen Hyperplasie verantwortlich sind: Es bindet einen Trankriptionsfaktor, der für die Genaktivierung im Zellkern verantwortlich ist. Die Behandlung des Transplantats dauert nur 10 Minuten, es gibt also keine größeren Verzögerungen bei der Operation, bemerkt Mann.
Die Harvard-Forscher testen die Technik jetzt in einer Studie, in der die neue Behandlungsmethode mit der konventionellen Bypass-Operation verglichen wird. Ungefähr 40 Patienten wurden zufällig auf zwei Gruppen verteilt, wovon nur die eine gentherapeutisch behandelt wird. Um Voreingenommenheiten bei der Auswertung der Studie zu vermeiden, wissen weder Patienten noch Chirurgen, ob ein bestimmtes Transplantat genetisch behandelt wurde oder nicht, bis die Ergebnisse durch die Statistiker analysiert wurden.
Es ist eine weitere multizentrische, randomisierte und doppel-blinde Studie mit drei Studiengruppen geplant, die 1 000 Patienten einbeziehen soll, berichtet Dzau, und fügt hinzu, daß ähnliche Studien zur Bewertung dieser Gentherapie bei Herz-Bypässen durchgeführt werden sollen. Meines Wissens wird dies die erste umfassende größere klinische Studie zur Bewertung von Gentherapie und Gentechnologie auf kardiovaskulärem Gebiet sein, bemerkt Dzau. Vorherige Bemühungen haben sich auf kleine Beobachtungsstudien beschränkt. Ich glaube, daß die Wirkung dieser Studie durchschlagend sein kann, indem sie das Potential der Gentechologie in der Humanmedizin demonstriert.
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