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Autoimmunerkrankungen: Ein neuer Weg zur Toleranz

Forscher möchten dem Körper Attacken auf sich selbst abgewöhnen. Dabei gab es zwar Misserfolge - die Hoffnung auf einen Erfolg besteht aber weiter.
Autoimmunität

Als Ed Wiley 1997 von seinem Typ-1-Diabetes erfuhr, begann sich sein Leben nur noch um Mahlzeiten, Blutzuckerspiegel und das tägliche Programmieren seiner Insulinpumpe zu drehen. Der Statistiker aus der Gegend um Boulder in Colorado arbeitet in der Big-Data-Analyse und musste lernen, ständig sich und seinen Körper zu beobachten. Ihm wurde klar, dass es mehr eine Kunst als eine Wissenschaft ist, immer die richtige Dosis an Insulin zu finden. Wie bei vielen Betroffenen begann ihm die Kontrolle darüber langsam zu entgleiten. Seit 2008 "passten die Insulinmengen einfach nicht mehr", erinnert er sich. Weil er seinen Bedarf nicht mehr verlässlich vorhersagen konnte, erlitt er wiederholt schwere Hypoglykämien und riskierte Krampfanfälle und langfristige Folgen.

Auf Anraten seines Endokrinologen nahm er an einer klinischen Studie zu einem neuen Medikament namens BHT-3021 teil. Auch wenn es technisch gesehen eine Impfung war, sollte BHT-3021 keine Immunantwort auslösen, sondern diese vielmehr verhindern. Ziel war es, die fehlgeleiteten Attacken des Immunsystems gegen Insulin produzierende Zellen der Bauchspeicheldrüse zu unterbinden und Immuntoleranz zu bewirken.

Als Standardtherapie bei Autoimmunerkrankungen wie multiple Sklerose (MS), Polyarthritis und Lupus werden immunsuppressive Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem weit reichend unterdrücken. Diese können aber lebensbedrohliche Infektionen zur Folge haben und beseitigen auch nicht die Ursache der Erkrankung. Toleranzinduzierende Therapien wirken anders. Sie versuchen, nur jene Immunzellen zu treffen, die auf ein spezifisches Antigen reagieren. Das Antigen ist die Substanz, die eine Immunantwort auslösen kann, in Wileys Fall also der Insulinvorläufer Proinsulin. "Warum sollen wir einen Großteil des Immunsystems lahmlegen, wenn wir lediglich Toleranz gegen ein einzelnes Antigen erreichen wollen?", fragt der Immunologe Larry Steinman von der Standford University in Kalifornien, wo er BHT-3021 entwickelt hat.

Die Strategie der antigenspezifischen Toleranz basiert auf einem simplen Konzept, blieb aber bis dato bei dutzenden klinischen Studien ohne Erfolg. Zwischen dem Ruhigstellen und der Stimulation des Immunsystems ist nur ein schmaler Grat: Es besteht immer das Risiko, die Krankheit zu verschlimmern, wie es auch vor etwa 15 Jahren in einer MS-Studie geschehen ist.

BHT-3021 gehört zu einer neuen Generation von Medikamenten, wurde von fünf Veteranen des Forschungsgebiets entwickelt und soll herkömmlichen Behandlungen überlegen sein. Erste klinische Studien an Patienten mit MS und Typ-1-Diabetes sind auch ermutigend. "Einige der Ansätze werden sicher funktionieren", verspricht der Immunologe David Wraith von der University of Bristol in England. Er ist einer der wenigen, die weiter daran arbeiten. "Die Wissenschaft hat dazugelernt", sagt er.

Die Autoimmunität ausschalten

Viele Therapieansätze beruhen auf der natürlichen Fähigkeit des Immunsystems, körpereigene und fremde Substanzen zu unterscheiden. Wenn Bakterien oder Viren in den Körper gelangen, werden einige von ihnen von spezialisierten antigenpräsentierenden Zellen (APC) verschlungen. Diese zerlegen die bakteriellen oder viralen Antigene und präsentieren sie den T-Zellen, jenen weißen Blutkörperchen, die eine Immunantwort vermitteln. Die T-Zellen vermehren sich daraufhin und leiten eine koordinierte Immunantwort ein.

Daneben müssen die APC gewährleisten, dass die tägliche Routine des Immunsystems keinen Schaden anrichtet. Während die körpereigenen Zellen fortwährend absterben und erneuert werden, kommt es zur Entsorgung der Überreste durch die APC. Die körpereigenen Antigene (Selbstantigene) werden den T-Zellen präsentiert, allerdings zusammen mit einer Reihe von Proteinen, die Entwarnung signalisieren. Bei der Entstehung von Autoimmunität hingegen funktioniert – aus noch unbekannten Gründen – dieser Schutzmechanismus nicht mehr. Die neuen Therapien sollen diese Fehlfunktion kompensieren, indem sie die betroffenen Antigene bewusst in Gewebe schicken, in denen der Körper sie als harmlose Substanzen seiner selbst erkennt.

Toleranz lernen | Antigenpräsentierende Zellen (APC, links) sind Wächterzellen: Sie verschlingen und verdauen biologische Moleküle (Antigene) und präsentieren diese auf speziellen Oberflächenproteinen. Eine T-Zelle (T-cell, Mitte) hat einen Rezeptor, der an das präsentierte Antigen bindet. Bei einer normalen Impfung (rechts oben) wird das Antigen zusammen mit kostimulatorischen Molekülen auf der Oberfläche der APC präsentiert. Diese Kombination versetzt die T-Zelle in Alarmbereitschaft und hilft beim Aufbau einer Immunität gegen alles, was dieses Antigen aufweist. Ohne Kostimulation oder mit inhibitorischen Signalen (rechts unten) stirbt die T-Zelle, wird inaktiv oder entwickelt sich zu einer regulatorischen T-Zelle. Diese hält andere Immunzellen davon ab, gesundes Gewebe anzugreifen. Das soll auch mit dem Ansatz der antigenspezifischen Toleranz erreicht werden.

Die meisten der bisher entwickelten Therapien sind gegen MS, sprich multiple Sklerose. Bei dieser Erkrankung greift das Immunsystem die Myelinscheiden an, welche die Neurone im Gehirn und im Rückenmark schützend umgeben. Der Immunologe Stephen Miller von der Northwestern University in Chicago entwickelte eine Therapie [1], die er zusammen mit dem inzwischen am Universitätskrankenhaus Zürich arbeitenden Neurologen Roland Martin seit 2009 an Patienten testet. Dabei werden die weißen Blutkörperchen der Patienten isoliert, chemisch an sieben Myelin-Antigene gekoppelt und anschließend wieder dem Patienten infundiert. Die Zellen wandern nun in die Milz, wo sie absterben und das Antigen freisetzen, das dann von den APC aufgenommen wird.

Auch der Immunologe Wraith entwickelte einen Wirkstoff, ATX-MS-1467 genannt [2], der auf vier Peptiden beziehungsweise Teilstücken eines Myelin-Proteins basiert, das bei den meisten MS-Fällen angegriffen wird. Die in den Patienten injizierten Antigene werden von unreifen APC aufgenommen, die T-Zellen nicht stimulieren können, sondern sie inaktivieren oder in einen toleranzvermittelnden T-Zell-Typ verwandeln. Die Arbeitsgruppe um Krzysztof Selmaj von der Medizinischen Universität Lodz in Polen entwickelte eine ganz ähnliche Therapie, bei der drei Myelin-Peptide von einem auf die Haut aufgeklebten Pflaster freigesetzt werden [3].

Die von Steinman entwickelte Diabetestherapie basiert nicht auf Proteinfragmenten, sondern auf zirkulären DNA-Stücken, die das Proinsulin-Gen tragen und in den Muskel injiziert werden [4]. Das Proinsulin-Protein wird von den Muskelzellen produziert, freigesetzt und dann von den APC aufgenommen und den T-Zellen präsentiert. Laut Steinman erzeugt dies "ein Signal, das nicht Gefahr signalisiert, sondern für Toleranz steht". Bislang wurden diese und die anderen neuen Therapien zwar an weniger als 150 Patienten getestet, Beobachter der Branche stufen sie aber als viel versprechend ein.

Gefährliches Terrain

Die Therapien müssen aber nicht nur Autoimmunität verhindern, sondern auch gewährleisten, dass sie nicht verschlimmert wird. "Wir müssen sehr behutsam vorgehen", sagt der Immunologe Gerald Nepom vom Benaroya-Forschungsinstitut in Seattle in Washington. Jeder bisher nicht untersuchte Eingriff ins Immunsystem birgt ein gewisses Risiko. Im Jahr 2006 wurden sechs gesunde Probanden in einer englischen Studie mit einer von der deutschen Firma TeGenero entwickelten antikörperbasierten Therapie behandelt. Obwohl das Präparat die Autoimmunität nicht über antigenspezifische Toleranz unterdrücken sollte, hatte es eine massive Immunantwort mit multiplem Organversagen zur Folge [5]. Die Studienteilnehmer überlebten, und die neuen Dosierungsschemata sind weniger gewagt. Aber die Wissenschaft hat erfahren, wie schnell eine Immunantwort ins Gegenteil umschlagen kann. "Manchmal werde ich gefragt, was mir am meisten schlaflose Nächte bereitet", erzählt Steinman und verrät: "Bevor wir nicht eine Reihe von Patienten über einen längeren Zeitraum behandelt haben, bleibt die Sorge, dass wir alles nur verschlimmern."

Es passiert leicht, dass Antigene Immunität statt Toleranz auslösen, weil eine empfindliche Balance zwischen beiden besteht. Dabei spielen Dinge wie die Antigendosis und die Applikationsform, das Zielgewebe und der unvorhersehbar wechselnde Zustand der T-Zellen eine große Rolle. In einer 1998 gestarteten Studie zur Behandlung von MS [6] erhielten die Patienten ein modifiziertes Myelin-Peptid. Die Studie musste aber vorzeitig abgebrochen werden, weil sich bei drei der ersten acht Patienten die Symptome verschlechterten und einer der Patienten sogar nicht mehr laufen konnte. Alle drei Patienten erholten sich unter einer immunsuppressiven Therapie, aber ein Zusammenhang mit der experimentellen Therapie konnte klar nachgewiesen werden. Letztlich zeigte sich, dass aus vorausgegangenen In-vitro-Untersuchungen eine zu hohe Therapiedosis abgeleitet worden war. "Wir waren frustriert und schockiert", berichtet Martin, einer der Verantwortlichen.

Bisher waren die meisten Studien erfolglos. 2009 zeigte sich bei einer Studie mit 612 Patienten kein Nutzen aus der Behandlung mit einem Myelin-Peptidantigen gegenüber einem Placebo [7]. Dies mag daran gelegen haben, dass die Immunantwort bei den meisten Autoimmunerkrankungen mit zunehmender Gewebeschädigung von einem Antigen zu einem anderen wechseln kann. Dieses "epitope spreading" wurde schon vor 20 Jahren von Miller in Tiermodellen gezeigt [8]. Laut Martin wurde in der Studie von 2009 nur ein einziges Antigen eingesetzt. Außerdem waren die Patienten auch bereits in einem sehr fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung, in dem der neuronale Schaden nicht mehr primär durch das Immunsystem entsteht.

Die Forschung hat aus den Fehlern gelernt, sagt Wraith. Um einem "epitope spreading" vorauszugreifen, wird bei den neuen Therapien nun eine Vielzahl von Antigenen eingesetzt. Außerdem werden auch so wichtige Punkte wie etwa die Art der Medikamentenapplikation beachtet. In der Vergangenheit, so erklärt der Immunologe Christophe Benoist von der Harvard Medical School in Boston, sei es oft mehr ein Glücksspiel gewesen. Es herrschte die Devise: "Lasst uns einfach das Antigen geben und hoffen, dass es gut geht."

"Wir müssen uns langsam vorantasten und sehen, was passiert"Richard Ransohoff

Richard Ransohoff forscht an der Cleveland-Klinik in Ohio an MS. Er vertraut auf die neuen Therapien, die auf den aktuellen Erkenntnissen zu Antigenen und T-Zellen beruhen. "Das sind alles sehr erfahrene Experten, die sehr wohl die Komplexität der Immunantwort kennen", sagt er. Das bedeutet aber nicht, dass die Mechanismen der Toleranz komplett verstanden sind. "Wir arbeiten unermüdlich daran", sagt Steinman, aber er räumt auch ein, dass sie in einem weit gehend unerforschten Gebiet agieren, in dem nur einzelne Details bekannt sind. Trotzdem wäre es nicht klug abzuwarten, bis alles aufgeklärt ist. "Wir müssen uns langsam vorantasten und sehen, was passiert", meint er.

Die neuen klinischen Studien sind ermutigend. Martins Ärzteteam verabreichte neun Patienten einmalig unterschiedliche Mengen an veränderten Immunzellen. Die Behandlung scheint sicher zu sein, und bei den vier Patienten mit den höchsten Dosierungen kam es zur Abnahme der gegen Selbstantigene gerichteten T-Zellen [9]. "Das zeigt sehr überzeugend die Machbarkeit", sagt Nepom, der selbst an keiner der Studien beteiligt war.

Am vielversprechendsten ist seiner Meinung nach eine Studie, bei der 30 Patienten Selmajs Therapie erhielten. Im Vergleich zu Placebos bewirkte die Behandlung einen signifikanten Rückgang der MS-Aktivität, die mittels Bildgebung durch Magnetresonanz des Gehirns nachgewiesen wird. Außerdem hatten Patienten mit Therapie auch weit weniger Rezidive [10].

In der von Apitope in Diepenbeek/Belgien finanzierten Studie von Wraith erhielten 43 Patienten die Substanz ATX-MS-1467 in jeweils fünf aufsteigenden Dosierungen, entweder unter oder in die Haut gespritzt. Bei den Patienten der zweiten Gruppe war laut Wraith die MS-Aktivität deutlich zurückgegangen, was allerdings nur drei Monate nach Therapieende anhielt. Die Ergebnisse der Studie sind bisher aber noch nicht publiziert.

Eine weitere Studie wurde von Steinman durchgeführt. In der placebokontrollierten Studie bei 80 Diabetespatienten zeigte sich die Substanz BHT-3021 als sicher. Außerdem war in einer der Studiengruppen ein Marker für Insulinsekretion statistisch signifikant angestiegen und die Anzahl der gegen Proinsulin gerichteten T-Zellen gesunken [11].

Wiley ist davon überzeugt, dass ihm die Behandlung geholfen hat. Während der zwölfwöchigen Studie habe er die Kontrolle über seine Insulingaben zurückgewonnen. Und zumindest subjektiv betrachtet sind ihm die positiven Auswirkungen erhalten geblieben.

Ein Schritt nach vorne

Die vielen Misserfolge lassen Forscher und Pharmafirmen aber sehr skeptisch reagieren. Trotz positiver Studienergebnisse seien nur "sehr wenige Wissenschaftler masochistisch genug, sich länger mit diesem Forschungsgebiet zu beschäftigen", bemerkt Martin, "weil es einfach schwierig ist, eine Finanzierung dafür zu erhalten". Er und Selmaj versuchen dies gerade für ihre neuen MS-Studien. Auch Steinman bemüht sich zusammen mit der von ihm mitgegründeten Firma Tolerion aus Portola Valley in Kalifornien um 20 bis 30 Millionen US-Dollar, die nötig sind, um seine Diabetesvakzine in die nächste Phase zu bringen. "Keine Ahnung, wann es dazu kommt", sagt er nur.

Seine erste Diabetesstudie wurde vom Biotech-Giganten Genentech mit Sitz im Süden von San Francisco in Kalifornien finanziert. Nachdem jedoch 2009 der Schweizer Pharmakonzern Roche die Firma aufgekauft hatte, wollten die aus der Typ-1-Diabetes-Therapie aussteigen, erklärt Steinman. Sie gaben die Lizenz bereits vor dem offiziellen Ende der Studie zurück und beendeten jegliches Engagement in diesem Feld.

Andere hatten da mehr Erfolg. Die Schweizer Pharmafirma Merck Serono hat Wraiths Therapie bereits in die Phase II gebracht, um die Wirksamkeit nachzuweisen. Miller plant eine Phase-I-Studie mit einem etwas veränderten Konzept: Er will nun biologisch abbaubare Nanopartikel anstatt der Blutzellen als Antigen-Carrier einsetzen [12]. Außerdem ist die von Miller mitbegründete und in Chicago ansässige Firma COUR Pharmaceuticals mit zwei Pharmafirmen Partnerschaften eingegangen, um Studien mit Diabetes- und Zöliakiepatienten durchzuführen.

Die nächste Runde an Studien, fordert Nepom, sollte detaillierte Untersuchungen zum Mechanismus einschließen. Damit wir feststellen, "ob wir das passende Antigen gewählt haben und ob wir bei der Dosierung und dem Aufnahmeweg richtig liegen". Bei Krankheiten wie MS und Diabetes kann man nur erahnen, welches Antigen zu welchem Zeitpunkt eine Immunreaktion anstößt. "Das ist eine unglaubliche Herausforderung", fügt er hinzu.

Nepom ist Vorsitzender des Immune Tolerance Network (ITN), eines US-geführten internationalen Konsortiums, das jährlich zirka 27 Millionen US-Dollar im Auftrag der amerikanischen Gesundheitsbehörde (NIH) für klinische Studien und verwandte Forschungsprojekte verteilt. Aus seiner Sicht sollten Antigentherapien mit einem zweiten Therapieansatz zur Toleranzbehandlung kombiniert werden. Bei diesen geht es nicht um die Inaktivierung, Veränderung oder Zerstörung der wenigen T-Zellen, die ein spezielles Antigen angreifen. Stattdessen soll das Gleichgewicht des T-Zell-Repertoires verschoben werden: weg von jenen T-Zell-Subtypen, die Entzündung fördern, hin zu jenen, die Toleranz gewährleisten – ohne dabei die normale Immunität gegen Pathogene zu beeinträchtigen. In den bisherigen Studien haben die Toleranz vermittelnden Therapien, wenn überhaupt, nur eine gewisse Zeit lang funktioniert. Nepom glaubt, dass eine Kombination beider Ansätze nachhaltigere Erfolge erzielen wird. Das ITN wird in naher Zukunft dafür plädieren, nur noch Antigenstudien mit Kombinationsansätzen zu fördern.

"Das ist definitiv der richtige Weg", stimmt Benoist zu. "Keiner weiß, ob das funktionieren wird. Aber zumindest ist es vernünftiger, so an die Sache heranzugehen." Andere dagegen sind nicht so begeistert von dem Ruf nach Kombinationstherapien. Miller beispielsweise glaubt nicht daran, dass der zweite Ansatz echte Toleranz erzeugt. Er fürchtet eher, dass die Ergebnisse vermischt werden. "Toleranz kann man nur als solche untersuchen", sagt er. Wraith ist sogar der Meinung, dass die Kombination mit einem zweiten Ansatz die antigenspezifische Toleranzinduktion stören könnte. Allerdings würde der Kombinationsansatz laut Nepom und Jeff Bluestone, ITN-Gründer und Immunologe an der University of California in San Francisco, die Risiken reduzieren. Eine Verschiebung des Gesamtsystems in Richtung Toleranz könnte dazu beitragen, unerwartete Reaktionen gegen Antigene abzuschwächen.

Miller und Wraith meinen gezeigt zu haben, dass ihre Behandlungsmethoden sicher für den Patienten sind. Während eines Meetings in den Niederlanden im letzten Oktober diskutierte Wraith heftig mit Bluestone. Wraith nennt Bluestones Bedenken unbegründet. Bluestone kontert nur: "Ich hoffe, er behält Recht."

Der Diabetiker Wiley hatte keine Probleme mit BHT-3021. Die einzige Nebenwirkung war ein nicht unerwünschtes Verschwinden einiger schmerzhafter Warzen an der Fußsohle. Er ist davon überzeugt, dass sein Körper dank BHT-3021 gleichmäßiger Insulin produziert, und er würde sehr gerne an einer längeren Studie teilnehmen. "Keine Frage, ich würde die Gelegenheit beim Schopf packen", fügt er hinzu.


Der Artikel ist unter dem Titel "Immunology: A tolerant approach" in "Nature" erschienen.
  • Quellen
[1] Getts, D. R. et al., J. Immunol. 187, 2405–2417, 2011.
[2] Gabryšová, L. et al., J. Exp. Med. 206, 1755–1767, 2009.
[3] Juryńczyk, M. et al., Ann. Neurol. 68, 593–601, 2010.
[4] Solvason, N. et al., J. Immunol. 181, 8298–8307, 2008.
[5] Suntharalingam, G. et al., N. Engl. J. Med. 355, 1018–1028, 2006.
[6] Bielekova, B. et al., Nature Med. 6, 1167–1175, 2000.
[7] Freedman, M. S. et al., Neurology 77, 1551–1560, 2011.
[8] McRae, B. L. et al., J. Exp. Med. 182, 75–85, 1995.
[9] Lutterotti, A. et al., Sci. Transl. Med. 5, 188ra75, 2013.
[10] Walczak, A. et al., J. Am. Med. Assoc. Neurol. 70, 1105–1109, 2013.
[11] Roep, B. O. et al., Sci. Transl. Med. 5, 191ra82, 2013.
[12] Getts, D. R. et al., Nature Biotechnol. 30, 1217–1224, 2012.

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