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News: Neue Multitalente

Die vielseitig begabten Stammzellen sind wahre Verwandlungskünstler: Da ihre Aufgabe noch nicht festgelegt ist und sie sich je nach Bedarf zu einer großen Anzahl verschiedener Zelltypen weiterentwickeln können, gelten sie als Wundermittel für bisher unheilbare Krankheiten. Doch ihre Gewinnung aus menschlichen Embryonen ist ethisch äußerst umstritten. Forscher suchen deshalb fieberhaft nach Alternativen - und wurden nun in der Haut von ausgewachsenen Nagetieren und sogar Menschen fündig.
Stammzellen heißt das neue Zauberwort der modernen Medizin. Weltweit setzen Wissenschaftler große Hoffnungen in diese kleinen Gebilde, die noch keine bestimmte Funktion im Körper übernommen haben und sich somit in eine Vielzahl verschiedener spezialisierter Gewebetypen entwickeln können. Aufgrund ihrer Wandlungsfähigkeit sollen sie einst schwere Leiden wie die Parkinson- und Alzheimer-Krankheit oder Schlaganfälle besiegen helfen, indem sie verbrauchtes, erkranktes oder zerstörtes Gewebe ersetzen.

In reinster Form existieren die Stammzellen allerdings nur in der totipotenten befruchteten Eizelle sowie in den frühen Embryonalstadien: Aus diesen Alleskönnern entsteht ein vollständiger Organismus. Nach dem Acht-Zell-Stadium beginnen sich die Zellen allmählich zu spezialisieren und verlieren damit ihr umfassendes Entwicklungspotenzial. Doch sie können sich noch weiterhin unbegrenzt teilen und jeden der rund 210 Zelltypen eines Menschen ausbilden.

Da ihre Gewinnung aus überzähligen Embryonen bei künstlichen Befruchtungen oder abgetriebenen Föten ethisch sehr umstritten ist, fahnden Wissenschaftler nach unverfänglicheren Stammzellen. Und in der Tat gibt es sie auch bei erwachsenen Menschen: Als eiserne Reserve sorgen sie beispielsweise dafür, dass Wunden heilen oder gebrochene Knochen wieder zusammenwachsen. Aber sie unterliegen gewissen Beschränkungen, denn vorzugsweise verwandeln sie sich in die Zellart, auf die sie programmiert sind.

Ermutigt von einer früheren Studie, in der sich eine bestimmte Nervenzelle in der Haut als regenerationsfähig erwies, versuchten Freda Miller und ihre Kollegen von der McGill University nun, aus Hautproben vom Rücken und Bauch junger sowie ausgewachsener Mäuse Stammzellen zu isolieren – mit Erfolg: Zunächst behandelten die Forscher die Gewebestücke mit Enzymen und kultivierten die derart gewonnenen Zellen in einem Bad mit Wachstumsfaktoren. Indem sie die Zusammensetzung der Nährlösung variierten, bewegten sie die SKP (skin-derived precursors) genannten Zellen dazu, sich zu vermehren und in eine Vielzahl von Zelltypen zu differenzieren, einschließlich Neuronen, glatten Muskelzellen und Fettzellen.

Und damit nicht genug: Wie ähnliche Versuche mit Kopfhautproben aus Hirnoperationen zeigten, enthalten diese ebenfalls Stammzellen, aus denen Neuronen hervorgehen können. Nachforschungen ergaben, dass jene verwandlungsfähigen Zellen aus dem Corium stammen – der unter der oberflächlichen Epidermis liegenden Unter- oder Lederhaut, die viele verschiedene Zelltypen aufweist.

"Wir glauben, dass unsere Entdeckung wichtig ist, da wir eine erstaunliche neue Stammzelle aus einer unproblematischen Quelle identifiziert haben, die über ein vielversprechendes Potenzial für wissenschaftliche und therapeutische Forschungen verfügt", betont Miller. Die SKPs können zudem ein Jahr lang kultiviert werden, ohne ihre Wandlungsfähigkeit zu verlieren, hebt die Forscherin hervor. Desweiteren könnten aus dem eigenen Gewebe gewonnene Stammzellen helfen, eine eventuell auftretende Abstoßungsreaktion von fremden Transplantaten zu vermeiden.

Doch wie Richard Poulsom vom Imperial Cancer Research Fund zu bedenken gibt, bleiben noch einige Punkte unklar: Besitzen die isolierten Stammzellen das gleiche weitreichende Potenzial wie andere adulte Stammzellen? Und können sich die hergestellten Nervenzellen in funktionelles Gehirngewebe eingliedern? Anhand weiterer Forschungen und Transplantationsversuche will das Team um Miller nun Antworten auf diese offenen Fragen finden.

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