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News: Neue Probleme im Nanokosmos

Lebenswichtige Flugzeugkontrollsysteme - ganz zu schweigen von Bürocomputern - könnten bald aus scheinbar unerklärlichen Gründen ihren Dienst versagen, wenn sich die Hersteller künftiger Mikrochip-Generationen nicht einer zunehmenden Gefahr bewußt werden: der Hintergrundstrahlung.
Die in der Elektronik tätigen Techniker warnen davor, daß die Transistoren in Mikrochips bald derartig klein werden könnten, daß die in ihnen gespeicherten Daten durch die radioaktive Hintergrundstrahlung beschädigt werden könnten. Dadurch könnten Daten verlorengehen und Programme abstürzen – mit möglicherweise fatalen Konsequenzen.

Auf der International Test Conference in Washington DC schlugen die Techniker von Texas Instruments und Intel in den Vereinigten Staaten sowie von STMicroelectronics in Frankreich letzten Monat Alarm. Sie mahnten, die Wahrscheinlichkeit, daß natürliche Emissionen von Alphateilchen und Neutronen Datenbestände in künftigen Generationen von Speicher- und Mikroprozessorenchips zerstören, werde immer größer.

Die meisten heute verkauften PCs werden durch Mikrochips gesteuert, die von einem Ende zum anderen zwischen 330 und 250 Nanometer groß sind. Durch Strahlung verursachte Fehler sind sehr selten, und treten sie wirklich einmal auf, werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach auf Mängel in der Software zurückgeführt. Die nächste Generation Mikroprozessoren mit Abmessungen unter 180 Nanometer wird allerdings gegenüber der Strahlung anfälliger sein. Vermutlich halten die neuen Chips Anfang des nächsten Jahrzehntes überall Einzug. Das Problem wird nach Angabe der Techniker in dem Maße akuter werden, in dem die Hersteller immer kleinere und schnellere Mikroprozessoren fertigen.

"Was heute nur ab und zu auftritt, könnte sich leicht zu einem viel größeren Problem entwickeln", bemerkt Gehan Amaratunga, Elektroingenieur von der Cambridge University. Je kleiner jeder einzelne Transistor ist, umso weniger elektrische Aufladung benötigt er, um ein Informationsbit aufzuzeichnen. Dadurch, so Amaratunga, wird jedes Bit anfälliger für Störungen durch einfallende Strahlung.

Viele in der Elektronik verwandte Materialien strahlen natürlich Alphateilchen, wobei Lötblei das Hauptproblem darstellt, sagt Alan Hales, Techniker bei Texas Instruments in Dallas. "Das meiste heute benutzte Blei ist leicht radioaktiv", erklärt er. "Es gibt immer noch ein paar Stellen, an denen nicht-radioaktives Blei gewonnen werden kann, doch viele sind es nicht mehr." Einige Unternehmen experimentieren gegenwärtig mit bleifreien Lötmitteln, doch auch eine Vielzahl anderer bei der Chipproduktion benutzter Materialien (zum Beispiel Siliciumdioxid und die zum Ätzen eingesetzte Phosphorsäure) sind ebenfalls natürliche Alphastrahler.

Den elektronischen Systemen in Flugzeugen stehen die schwersten Probleme durch die immer kleiner werdenden Chips bevor. Bei einer normalen Flughöhe von neun oder mehr Kilometern ist die kosmische Strahlung 1000mal so hoch wie auf Meeresspiegelhöhe, bemerkt Hales. Ein schnelles Neutron kann Elektronen leicht aus deren Hüllen herausstoßen. Dann sammeln sich die Elektronen unter Umständen in den Gittern der Chips an und können dort eine Ladung aufbauen, wodurch wichtige Daten zerstört würden.

Die Chiphersteller können diese Schwierigkeit nicht einfach dadurch lösen, daß sie um ihre Chips Abschirmungen bauen. "Da die meiste Alphastrahlung von den Verpackungsmaterialien selbst ausgeht und man, um ein Neutron zu stoppen, 3 Meter dicken Beton benötigt, wäre eine Abschirmung praktisch nicht zu realisieren", sagt Hales.

Eine zur Zeit untersuchte Lösung bestünde in der Verdopplung der zur Speicherung eines jeden einzelnen Datenbits eingesetzten Transistoren. Ian Boyd, der mit elektronischen Materialien am University College London arbeitet, glaubt, daß dies ein Schritt nach vorne wäre. Wenn man Kopien der einzelnen Elemente in den freien Stellen auf einem Chip unterbringt, hätte man im Falle eines Strahlungsschadens eine Sicherungskopie. Doch das ergäbe einen teuren Chip, auf dem nur die Hälfte der Transistoren die eigentlich Arbeit verrichten würden.

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