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News: Neue Straßen zum Herzen

Sind die Blutgefäße am Herzen verstopft, so ist meist eine Bypass- Operation die Behandlung der Wahl. Zum ersten Male konnte nun durch eine Proteintherapie die Bildung neuer Blutgefäße induziert und damit die Blutversorgung des Herzens verbessert werden.
Der Fibroblast Growth Faktor I (FGF-I), ein gentechnisch gewonnener menschlicher Wachstumsfaktor, wurde bei 20 Patienten angewendet, die an einer Form ischämischer Herzerkrankung oder Erkrankung der Herzkranzgefäße leiden, bei der die Gefäße zum Herzen und vom Herzen weg verschlossen sind. Wissenschaftler des Städtischen Krankenhauses Fulda injizierten den Wachstumsfaktor in die Nähe des blockierten Gefäßes (Circulation: Journal of the American Heart Association vom 23. Februar 1998). Dadurch konnten sie eine Neoangiogenese auslösen, jenen Prozeß, bei dem der Körper selbst ein Kapillarnetzwerk bildet, um die verschlossenen Gefäße zu umgehen.

Schon vier Tage nach der FGF-I-Anwendung verändert sich die vaskuläre Struktur um das erkrankte Gefäß herum bei allen 20 Patienten vollständig. Wie die Speichen eines Fahrrades breiteten sich, so Thomas-Joseph Stegmann, Leiter der Abteilung für thorakale und kardiovaskuläre Chirurgie im Städtischen Krankenhaus Fulda, die neuen Kapillargefäße vom Injektionspunkt nach allen Seiten aus, wodurch zwei- bis dreimal mehr Blut zum Herzen floß.

Die Forscher fanden heraus, daß sich die Ausstoßfraktion der 20 Patienten in den drei Jahren nach dem Eingriff durchschnittlich von 50,3% auf 63,8% verbesserte. Mit der Ausstoßfraktion gibt man an, wieviel Blut das Herz bei jedem Schlag verläßt. Der Wert gibt Aufschluß darüber, wie gut die linke Herzkammer – die wichtigste pumpende Kammer des Herzens – arbeitet.

Die sich anschließende angiographische Darstellung der Patienten machte Stegmann zufolge deutlich, daß die Einspritzung des Wachstumsfaktors die Bildung eines neuen Gefäßsystems stimuliert hatte. Drei Wochen nach der Injektion untersuchten Stegmann und seine Kollegen Angiogramme – Röntgenbilder des Herzens – von behandelten und von unbehandelten Patienten (der Kontrollgruppe): In den neuen Gefäßen hatten sich keine neuen Verstopfungen gebildet.

Alle Patienten, die vor drei Jahren FGF-I erhalten hatten, sind noch am Leben. Die Wissenschaftler berichten weiter, daß bei keinem Patienten nach der FGF-I-Injektion negative Nebenwirkungen beobachtet wurden.

Die Methode ist noch im experimentellen Stadium, doch den Wissenschaftlern zufolge kann die FGF-I-Anwendung potentiell besonders Patienten nützen, deren verstopfte Gefäße nicht durch Bypass-Operationen behandelt werden können. "Gegenwärtig könnte dieser Eingriff die herkömmliche Bypass-Chirurgie nicht ersetzen", erklärt Stegmann. "Es muß noch die Frage beantwortet werden, ob wir mit FGF-I oder anderen Wachstumsfaktoren auch den Verschluß größerer Herzgefäße behandeln können, was jedoch heute noch nicht möglich ist."

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