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News: Neue Theorie mit alten Zähnen

Viele Paläontologen sind der Ansicht, dass der große evolutionäre Erfolg der Säugetiere in der Form ihrer Zähne begründet ist. Während die Saurier mit ihren kegelförmigen Zähnen nur rupfen und reißen konnten, haben die Säuger so genannte tribosphenische Backenzähne entwickelt, die sowohl schneiden als auch zermahlen können. Dadurch war es ihnen möglich, die vorhandenen Futterquellen besser auszunutzen. Diese bahnbrechende Entwicklung in der Evolution hat nicht - wie bisher angenommen - einmal, sondern möglicherweise zweimal stattgefunden.
Die winzigen, frühen Säugetiere, die im Schatten der Dinosaurier lebten, benötigten viel Futter, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu halten. Sie hatten zuerst einfache Zähnchen, die beim Zubeißen lediglich aneinander vorbeiglitten. Aber vor 140 Millionen Jahren begannen sich Backenzähne zu entwickeln, die präzise aufeinander trafen und beim Beißen wie eine Schere wirkten. Diese Evolution der Säugerzähne lässt sich an Fossilien aus Asien, Europa und Nordamerika, dem ehemaligen Kontinent Laurasia, verfolgen. Schritt für Schritt veränderten sich die tribosphenischen Zähne zu perfekten Werkzeugen für das Abbeißen und Zermahlen der Nahrung.

Bisher haben Paläontologen angenommen, dass alle Säuger mit dieser Zahnform von einem gemeinsamen Vorfahren abstammten, der in der frühen Kreidezeit auf der Nordhalbkugel lebte. Von da aus hätten sich die Säugetiere dann nach Süden ausgebreitet. Und im Gegensatz zu den Beuteltieren und den Plazentatieren, so dachte man, fehlen bei den altertümlichen Kloakentieren – diese Gruppe umfasst das Schnabeltier und den Schnabeligel – die tribosphenischen Zähne.

Der Unterkiefer von Steropodon, einem Fossil aus der frühen Kreidezeit, hat diese Theorie zum Wanken gebracht. Dieses Tier gehörte ebenfalls zu den Kloakentieren, aber es besaß fortschrittliche Zähne, die sehr viel Ähnlichkeit mit tribosphenischen Zähnen haben. Vor zwei Jahren wurden dann in Madagaskar und Australien – gewissermaßen zur falschen Zeit und am falschen Ort – eindeutig tribosphenische Zähne gefunden. Diese Tiere lebten im mittleren Jura auf dem ehemaligen Gondwana-Kontinent der Südhalbkugel, und damit mehrere zehn Millionen Jahre früher als die Tiere mit den fortschrittlichen Zähnen der Nordhalbkugel.

Rich Cifelli vom Oklahoma Museum of Natural History und seine Kollegen haben die Knochen und Zähne von rezenten und fossilen Säugetieren untersucht (Nature vom 4. Januar 2001), um die Frage zu klären, ob die modernen Säuger auf der Südhalbkugel entstanden sind und sich von da aus nach Norden ausgebreitet haben. Die Wissenschaftler teilten die Fossilien aufgrund von Schädel- und Zahncharakteristika in zwei evolutionäre Gruppen: eine nördliche und eine südliche. Die Analyse ergab, dass Schnabeltiere und Schnabeligel zur südlichen Gruppe gehören, während die Beuteltiere und Plazentatiere von der Nordhalbkugel stammen. Die tribosphenischen Zähne sind in beiden Gruppen unabhängig voneinander entstanden.

Das lässt die Kloakentiere in einem völlig neuen Licht erscheinen. Sie sind keine Übergangsformen auf dem Weg zum "richtigen" Säugetier, sondern die letzten Vertreter eines sehr alten Geschlechts von Säugern, die einst auf dem Gondwana-Kontinent lebten.

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