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News: Neue Wirkung alter Mittel

Bisher gelten Prionenerkrankungen wie die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit als unheilbar. Doch jetzt gibt es Hinweise, dass zwei alte Arzneien, die heute kaum noch eingesetzt werden, die fatale Umfaltung der Prionen verhindern oder sogar rückgängig machen könnten: Das Malariamittel Quinacrin und das Medikament Chlorpromazin, mit dem früher Schizophrenie behandelt wurde. Beide Substanzen überwinden die Blut-Hirn-Schranke - eine wichtige Voraussetzung ihrer Wirksamkeit. Ihre erste Bewährungsprobe haben die alten Mittel in Zellkulturen bereits bestanden.
Die Umfaltung eines Proteins hat tödliche Konsequenzen: Wenn sich das Protein PrPC – über dessen Funktion die Wissenschaft noch rätselt – in PrPSc verwandelt, verändert es grundlegend seine Eigenschaften. Es wird in Wasser unlöslich, schwer abbaubar – und infektiös. Es lagert sich zu langen Ketten zusammen, die das Nervengewebe zerstören und wandelt autokatalytisch immer mehr PrPC-Proteine in die pathogene PrPSc-Form um. Damit löst ein Protein unmittelbar – ohne Nucleinsäuren – eine Infektion aus. Stanley Prusiner, der diese Hypothese entwickelte, nannte diese infektiösen Proteine Prionen.

Inzwischen gilt unter den meisten Wissenschaftlern als sicher, dass Prionen den Rinderwahnsinn BSE oder die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen. Nach einer wirksamen Kur gegen die Prionen fahndeten die Mediziner jedoch bisher vergebens. Jetzt beschritt Carsten Korth, der im Labor von Stanley Prusiner bei der University of California in San Francisco arbeitet, einen neuen Weg. Auf der Suche nach Wirkstoffen konzentrierte er sich auf Medikamente, die ungehindert ins Hirn vordringen können. Dies vermögen nur wenige Stoffe, da sich das Gehirn mit der Blut-Hirn-Schranke vor unerwünschten Eindringlingen abschottet.

Bei zwei Medikamenten wurde Korth fündig – und beide haben zunächst nichts mit Prionenerkrankungen zu tun. Quinacrin wurde in den achtziger Jahren gegen Malaria eingesetzt, während mit Chlorpromazin psychotische Störungen wie Schizophrenie behandelt wurden. Beide haben jedoch gemeinsam, dass sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden können.

Die Arbeitsgruppe von Prusiner testete nun die beiden Stoffe bei Neuroblastoma-Zellen von Mäusen. Diese Krebszellen teilen sich immer weiter und reagieren empfindlich auf Prioneninfektionen. Sie sind somit die "Haustiere" der Prionenforschung. Es zeigte sich nun, dass sowohl Quinacrin als auch Chlorpromazin die Umfaltung von PrPC-Proteine in PrPSc-Prionen verhindern. Dabei war das Malariamittel etwa zehnmal wirkungsvoller als das Psychopharmakon. Dennoch setzen die Wissenschaftler ihrer Hoffnung eher auf Chlorpromazin, da es die Blut-Hirn-Schranke effektiver überschreitet.

Obwohl der Mechanismus gegen die Prionen den Forschern noch schleierhaft ist, hoffen sie, dass die alten Mittel auch beim Menschen eine Wirkung zeigen. Dabei sollten die Wirkstoffe die weitere Umfaltung der Prionen stoppen oder – im Optimalfall – die Umfaltung sogar rückgängig machen. "Selbst wenn Quinacrin und Chlorpromazin bei menschlichen Zellen nicht wirken sollte", meint Barnaby May von der Arbeitsgruppe, "könnten sie als Ausgangsbasis für die Entwicklung ähnlicher Verbindungen dienen, von denen einige mit Sicherheit eine bessere Anti-Prionen-Wirkung und eine effektivere Überwindung der Blut-Hirn-Schranke haben werden. Wir arbeiten daran."

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