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News: Neuentdecktes Kontrollgen setzt das Herz auf den rechten Fleck

Am Forschungszentrum Karlsruhe ist es gelungen, ein für die Ausbildung der Links-rechts-Asymmetrie von Organismen wichtiges Kontrollgen – Pitx-2 – zu isolieren.
Pitx-2 ist verantwortlich für die asymmetrische Lage der meisten inneren Organe, so von Herz und Darm. Eine Forschergruppe um Dr. Martin Blum vom Institut für Genetik hat das Gen bei Fröschen und Mäusen isoliert. In der Kette zwischen dem frühen Embryonalstadium und dem ausgebildeten Organ ist Pitx-2 offenbar das fehlende Verbindungsglied. Hintergrund der Untersuchungen ist der immer deutlicher zutage tretende Zusammenhang zwischen einer Fehlsteuerung des genetischen Programms während der Embryonalentwicklung und der Entstehung von Krankheiten, insbesondere von Krebs. Um die Mechanismen des Krebswachstums besser zu verstehen und neue Therapieansätze entwickeln zu können, ist es besonders wichtig, die Wirkungsweise solcher Kontrollgene wie Pitx-2 zu begreifen.

Das Kontrollgen Pitx-2 wirkt als ein Transkriptionsfaktor, der weitere Gene, sogenannte Zielgene, reguliert. "Wir vermuten als Zielgen ein Muskelprotein, das eine Rolle bei der Muskelbildung spielen könnte", so Dr. Martin Blum vom Forschungszentrum Karlsruhe .

Die Wirkungsweise von Pitx-2 wurde an Frosch- und Mäuseembryonen untersucht, da der innere Aufbau von Embryonen bei allen Wirbeltiergruppen, also vom Fisch bis zum Menschen, prinzipiell gleich angelegt ist. Die Versuchsergebnisse lassen sich somit auf den menschlichen Organismus übertragen. Das Gen selbst ist während der Ausbildung der Links-rechts-Asymmetrie nur auf der linken Körperseite des Embryos aktiv. In diesem Bereich bildet sich später das Herz sowie der Darm mit seinen verschiedenen Ausstülpungen, die sich wiederum zu Lunge, Magen, Milz und Leber fortentwickeln.

Im Anfangsstadium ist der Embryo bilateral-symmetrisch: Ein vor drei Jahren von Entwicklungsbiologen erstmals beschriebenes Signalmolekül – nodal – spezifiziert im frühen Embryo die linke Körperseite, wird allerdings vor Ausbildung der Organe wieder abgeschaltet.

Man vermutete daher schon länger, daß ein Gen existiert, welches die Signale von nodal empfängt und dann für die asymmetrische Anordnung der inneren Organe verantwortlich ist. Nun stellt sich der Prozeß wie folgt dar: nodal wirkt außerhalb der Zellen und signalisiert anderen Zellen, daß sie linksseitig sind. Als Antwort auf das nodal-Signal wird in diesen Zellen das intrazellulär wirkende Kontrollgen Pitx-2 angeschaltet. Die bisher bestehende Lücke zwischen nodal und den sich bildenden Organen ist mit Pitx-2 nun offenbar geschlossen.

Beispiel Herz: Zu Beginn der Embryonalentwicklung weist das Herz die Form eines Rohres auf (siehe Abbildung). Da Pitx-2 nur auf der linken Seite des "Herzrohrs" wirksam ist, krümmt dieses sich zu einem auf der Seite liegenden "S", bis sich schließlich, in charakteristischer Verdrehung, der Herzmuskel voll ausbildet. Auch Darm und Magen liegen im embryonalen Stadium als Rohr vor und durchlaufen denselben Mechanismus.

Der Einfluß des Gens auf die Ausbildung der Körperachsen links/rechts, das Herz und den Darm konnte von den Wissenschaftlern des Forschungszentrums Karlsruhe, in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, durch umfangreiche Versuche nachgewiesen werden. Dabei wurde den Embryonen auf die rechte Seite Pitx-2 injiziert, das im Organismus natürlicherweise nur auf der linken Seite vorkommt. Die Analyse der präparierten Embryonen zeigte, daß sowohl eine Inversion von Herz und Darm, also die Ausbildung beider Organe auf der rechten Seite, als auch Mißbildungen stattgefunden hatten. Hiermit wird eindeutig belegt, daß Pitx-2 bei der Ausbildung der Links-rechts-Asymmetrie als Kontrollgen wirkt.

Bei normaler Anordnung (situs solitus) befinden sich infolge der Asymmetrie Herz und Magen links, Milz und Blinddarm dagegen auf der rechten Körperseite. Bei inverser Anordnung (situs inversus), die unter 10 000 Menschen nur ein Mal vorkommt, sind die inneren Organe seitenverkehrt, die Gesundheit ist jedoch nicht beeinträchtigt. Führt die Anordnung hingegen zu einer Heterotaxie, also einer Lagebeziehung, die zwischen normaler und inverser Anordnung liegt, treten schwerwiegende Gesundheitsschäden auf.

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