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Neuer Geschmacksrezeptor entdeckt: Fliegen schmecken basisch

Taufliegen können nicht nur saure Nahrung schmecken, sondern auch basische: Forscher haben bei ihnen erstmals einen Ionenkanal in Sinneszellen identifiziert, der das möglich macht. Im Tierreich sind sie damit bislang einzigartig.
Drosophila melanogaster
Ein beliebter Modellorganismus in der Neurowissenschaft: Drosophila melanogaster

Der Geschmackssinn hilft uns ähnlich wie der Geruchssinn dabei, die Qualität und Zusammensetzung von Nahrungsmitteln zu beurteilen: Ist etwas salzig, süß oder fleischig, dann enthält es vermutlich viele Eiweiße, Kohlenhydrate oder Fette. Ein bitterer Geschmack signalisiert hingegen im ersten Moment Vorsicht: Er könnte auf unreife oder verdorbene Nahrungsmittel hinweisen. Ein saurer Geschmack verrät etwas über den pH-Wert der Nahrung, der in diesem Fall sauer, also niedrig ist. Auch das kann auf unbekömmliche Speisen hindeuten.

Aber können Tiere auch einen hohen, basischen pH-Wert schmecken – und wenn ja, wie? Diese Frage gibt Forscherinnen und Forschern seit Langem Rätsel auf. Zwar deuten bereits Studien aus den 1940er Jahren darauf hin, dass Menschen und zum Beispiel auch Katzen oder Insekten besonders basische Nahrung wahrnehmen können und entsprechend meiden. Denn diese kann ebenfalls auf die Gesundheit schlagen und Symptome wie Übelkeit und Muskelzucken auslösen. Rezeptoren, die speziell für diese Geschmacksrichtung zuständig sind, hat man bislang aber nicht entdecken können.

Ein Team um Tingwei Mi vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia ist nun erstmals bei Taufliegen (Drosophila melanogaster) fündig geworden: Offenbar besitzen die Tiere, die ein beliebter Modellorganismus für neurowissenschaftliche Studien sind, gustatorische Rezeptorneurone, die mit einem speziellen Ionenkanal ausgestattet sind, der auf basische Substanzen reagiert. Das berichtet die Gruppe im Fachmagazin »Nature Metabolism«.

Bei dem Ionenkanal, den Mi und Kollegen »Alka« tauften, handelt es sich um einen Kanal für negativ geladene Chlorid-Ionen (Cl-). Diese befinden sich normalerweise in einer höheren Konzentration außerhalb von Nervenzellen als in ihrem Inneren und tragen dazu bei, die Potenzialdifferenz an der Zellmembran aufrechtzuerhalten, die für die Entstehung und Weiterleitung von elektrischen Nervensignalen wichtig ist. Bei den gustatorischen Rezeptorneuronen der Fliegen ist die Verteilung aber – ähnlich wie bei bestimmten Sinneszellen des Menschen – genau umgekehrt: Es befinden sich mehr Chlorid-Ionen im Inneren der Zelle als außen. Docken nun die Hydroxid-Ionen (OH-) einer basischen Substanz an die Alka-Kanäle an, öffnen sich diese und Cl- strömt aus dem Inneren der Zelle nach außen und aktiviert sie so. Ein Nervensignal wird in Richtung Gehirn geschickt, um mitzuteilen, dass soeben eine Speise mit einem hohen pH-Wert verzehrt wurde.

Ohne Alka waren die Fliegen nicht in der Lage, basische Nahrung zu schmecken und zu vermeiden. Das offenbarten weitere Versuche, bei denen die Gruppe die Ionenkanäle mittels Optogenetik an- und ausknipste.

»Unsere Arbeit zeigt, dass Chlorid-Ionen und Chlorid-Ionen-Kanäle, die lange Zeit übersehen wurden, eine entscheidende Rolle bei der Übermittlung von Geschmackssignalen an das Gehirn spielen«, erklärt Studienautor Yali Zhang, ebenfalls vom Monell Chemical Senses Center, in einer Pressemitteilung. Tatsächlich hat sich die Forschung bei der Reizweiterleitung an Nervenzellen lange fast ausschließlich auf die Kationenkanäle konzentriert, also jene Kanäle, die nur für positiv geladene Ionen durchlässig sind. Im nächsten Schritt wollen die Forscher ergründen, ob ähnliche Ionenkanäle wie Alka auch bei Säugetieren existieren.

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