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Neutrinos: Neues Höchstgewicht für die leichtesten Teilchen des Universums

Präzisionsmessungen enthüllen: Neutrinos sind mindestens eine Million Mal masseärmer als Elektronen. Tatsächlich dürften die rätselhaften Teilchen sogar noch leichter sein.
Strahlendes Objekt im Zentrum von Blau
Die ultraleichten Neutrinos flitzen in Unmengen durch den Kosmos, aber sie sind notorisch schwer zu fassen.

Die leichtesten bekannten Teilchen sind mindestens eine Million Mal masseärmer als ein Elektron. Diese neue Obergrenze für die Masse von Neutrinos hat das Forschungsteam am KATRIN-Experiment in Karlsruhe ermittelt. Sollte sich der Wert genau bestimmen lassen, hätte das großen Einfluss auf unsere Modelle zur Entstehung und Entwicklung des Weltalls.

Neutrinos sind einerseits sehr schwer zu vermessen, da sie Materie mühelos durchdringen. Andererseits gibt es enorm viele von ihnen: Auf jedes Atom im Universum kommen eine Milliarde Neutrinos. Hochempfindliche, riesengroße Versuchsaufbauen wie KATRIN sollen dabei helfen, die Eigenarten der Neutrinos zu entschlüsseln, und den Weg zu besseren physikalischen Theorien weisen.

Das Prinzip des KATRIN-Experiments basiert auf dem radioaktiven Zerfall von Tritium, einer schweren Variante des Wasserstoffs. Im Tritiumkern befinden sich zwei Neutronen, von denen sich eines in ein Proton umwandelt. Dabei entstehen ein Elektron und ein Antineutrino (das Antiteilchen des Neutrinos), außerdem wird eine genau bekannte Menge Energie frei. Diese teilen sich die emittierten Teilchen. Dabei erhält das Antineutrino jedoch mindestens die Energie, die seiner Masse entspricht. Und genau diese Untergrenze zeigt sich bei KATRIN, und zwar indirekt anhand der Energie der herausfliegenden Elektronen.

Das KATRIN-Team vermaß im Verlauf von 259 Tagen zwischen den Jahren 2019 und 2021 insgesamt 36 Millionen Elektronen. Auf der Datenbasis liegt der neue Höchstwert für die Neutrinomasse bei 0,45 Elektronenvolt (kurz eV, eine in der Teilchenphysik übliche Einheit). Das ist knapp halb so groß und doppelt so genau wie der zuvor beste Wert.

Die Untersuchungen mit KATRIN gehen weiter, bis 1000 Messtage erreicht sind. Voraussichtlich Ende 2025 ist es so weit. Die Forschungsgruppe schätzt, dass die ermittelte Obergrenze dann noch weiter sinken wird, auf etwa 0,3 eV. Beobachtungen an Strukturen im Kosmos legen sogar nahe, dass die tatsächliche Masse von Neutrinos unterhalb von 0,1 eV liegen könnte.

Im Standardmodell der Teilchenphysik gelten Neutrinos eigentlich als masselos. Dass dem nicht so ist, haben Messungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts belegt, die im Jahr 2015 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Offenbar wandeln sich die drei Arten von Neutrinos – Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos – ineinander um. Eine solche Oszillation zwischen verschiedenen Neutrinosorten kann es allerdings nur geben, wenn deren Masse nicht null ist. Wie winzig sie genau ist, das müssen noch präzisere zukünftige Experimente zeigen.

Neutrinooszillation

Neutrinos kommen in drei Arten vor und können sich ineinander umwandeln. Wenn eine Quelle (etwa ein Kernreaktor oder ein spezialisierter Beschleuniger) Teilchen einer bestimmten Sorte erzeugt, schwankt die Wahrscheinlichkeit, sie auf ihrem Weg weiterhin in diesem Zustand anzutreffen – je nachdem, welche Strecke L die Neutrinos zurücklegen und welche Energie sie haben. So misst ein Detektor unmittelbar beim Entstehungsort eine andere Zusammensetzung des Strahls als ein zweites, typischerweise hunderte oder tausende Kilometer entfernt installiertes Gerät.

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  • Quellen
Science 10.1126/science.adq9592, 2025

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