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Verbrauchsmessung: Neuwagen stoßen deutlich mehr Kohlendioxid aus als angegeben

Die Schere zwischen Laborwerten und realem Spritverbrauch öffnet sich weiter: Inzwischen liegen die offiziellen Angaben doppelt so weit von der Realität entfernt wie noch 2018.
Neuwagen zum Abtransport auf einem Parkplatz
Der Verbrauch eines Neuwagens wird mit dem Prüfverfahren WLTP ermittelt. Es soll die tatsächlichen Verbrauchswerte widerspiegeln, tut das jedoch nur bedingt.

Neuwagen haben im Jahr 2022 durchschnittlich 14,1 Prozent mehr CO2 ausgestoßen als von den Herstellern offiziell angegeben. Das ist das Ergebnis einer Studie des Umweltforschungsverbunds ICCT. Es bedeutet zugleich, dass ein Neuwagen in diesem Jahr im Schnitt 14,1 Prozent mehr Kraftstoff verbrauchte, als man laut Verkaufsprospekt erwarten sollte. 2018 lag die Diskrepanz zu den offiziellen Herstellerangaben noch bei nur 7,7 Prozent.

Die Ergebnisse der Forschungsorganisation lassen auch den Schluss zu, dass die Autoindustrie den CO2-Ausstoß ihrer Verbrennerflotte deutlich weniger reduziert hat, als die offiziellen Daten vermuten lassen. Wie der ICCT in der Studie ausführt, sollte sich der Kohlendioxidausstoß gegenüber dem Jahr 2009 um 19,5 Prozent verringert haben, wenn man die offiziellen Angaben zu Grunde legt. Blickt man dagegen auf die tatsächlichen Verbrauchswerte, wie sie vom ICCT ermittelt wurden, fällt die Reduktion mit 5,8 Prozent vergleichsweise mager aus.

Wie viel Kraftstoff ein Auto tatsächlich im täglichen Betrieb verbraucht, hat das Team mit Hilfe der Website »spritmonitor.de« ermittelt. Dort übermitteln Fahrerinnen und Fahrer reale Verbrauchswerte zu mehr als 160 000 Autos. Die offiziellen Herstellerangaben lasen sie aus Datenbanken der Europäischen Umweltagentur (EEA) aus. Bei den untersuchten Fahrzeugtypen handelte es sich um Verbrenner- und konventionelle Hybridfahrzeuge.

Der offizielle CO2-Ausstoß von neuen Fahrzeugmodellen wird in einer kontrollierten Laborumgebung ermittelt. Dafür wurde im Jahr 2017 in der Europäischen Union das Prüfverfahren WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) eingeführt. Dieses ist gründlicher als das vorherige Verfahren NEFZ und liefert dadurch realistischere Werte bei den Schadstoffemissionen sowie beim Spritverbrauch.

Im ersten Jahr nach der Umstellung sei die Differenz zwischen den Labor- und den realen Werten deshalb auch von 32,7 Prozent auf 7,7 Prozent gesunken. Nun vergrößert sich der Abstand demnach wieder. Jan Dornoff, leitender ICCT-Wissenschaftler und Mitautor, teilte dazu der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit: »Wird hier nicht gegengesteuert, verlieren die offiziellen CO2-Emissionswerte zunehmend an Aussagekraft für die tatsächlichen Emissionen.« Der Trend untergrabe die EU-Bemühungen, verkehrsbedingte CO2-Emissionen durch strengere Vorgaben zu senken. Außerdem müssten Verbraucher mehr für Kraftstoff bezahlen als erwartet.

Seit 2010 schreibt die EU-Pkw-CO2-Verordnung vor, dass Autohersteller den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge ausweisen und Abgaben zahlen müssen, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten. Bis 2035 sollen Neuwagen keine Emissionen mehr ausstoßen. Im Realbetrieb auf der Straße sei von der Reduktion aber weniger als ein Drittel übrig geblieben. Um das auszugleichen, schlagen die Forscher vor, die Daten der seit Anfang 2021 in Neufahrzeugen vorgeschriebenen Verbrauchsmessgeräte heranzuziehen. ICCT-Geschäftsführer Peter Mock sagte dazu: »Damit lässt sich ein Korrekturmechanismus einrichten, der sicherstellt, dass die offiziellen CO2-Emissionswerte, die die Hersteller in den kommenden Jahren erfüllen müssen, so aktualisiert werden, dass sie auch real den ursprünglich beabsichtigten und gesetzlich festgeschriebenen Minderungszielen entsprechen.«

Die International Council on Clean Transportation (ICCT) ist eine unabhängige Forschungsorganisation. Sie hat 2015 in den USA den VW-Abgasskandal mit aufgedeckt. (dpa/jad)

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