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Leben auf dem Mars: Nicht in Reihe

Wäre der Fortschritt demokratisch organisiert, würde die Mehrheit wohl für primitive Lebensformen auf dem Roten Planeten stimmen. Doch die Wissenschaft geht andere Wege, und so muss der legendäre Marsmeteorit ALH84001 noch einmal ins geochemische Labor.
ALH84001 | Beherbergt der Marsmeteorit ALH84001 Spuren bakteriellen Lebens? Neue Analysen bringen die Hoffnung weiter ins Wanken.
Er war einmal ein Superstar: Mit beispiellosem Pressewirbel verkündete die NASA im Jahre 1996, Wissenschaftler hätten in dem Meteoriten ALH84001 Anzeichen für außerirdisches Leben entdeckt. Ursprünglich auf dem Mars beheimatet, wurde der Gesteinsbrocken vor Millionen Jahren von einem gewaltigen Asteroiden aus der Marskruste geschlagen und ins Weltall geschleudert, wo ihn schließlich die Erde mit ihrem Gravitationsfeld einfing. Bis 1984 schlummerte er relativ isoliert von den meisten Erdlingen im Eis der Antarktis, bis ihn Wissenschaftler einsammelten und Jahre später genauer untersuchten. Praktisch über Nacht wurde aus dem unbekannten Stein ein bekanntes Forschungsobjekt, um das sich Forscher auf der ganzen Welt rissen.

So schnell der Ruhm begann, so schleichend ebbte er wieder ab. Indiz um Indiz – von denen nach Aussage der NASA jedes für sich alleine wenig aussagekräftig, deren Gesamtheit aber nur durch die Einflüsse von lebenden Organismen zu erklären war – geriet unter dem kritisch prüfenden Blick der Geologen, Biologen, Physiker und Chemiker ins Wanken und knickte alsbald vollständig ein. Die Fachwelt einigte sich langsam darauf, dass ALH84001 zwar vom Mars stammt, hingegen wahrscheinlich keine Spuren von früherem Leben trägt. Eine Blamage für die NASA und die vorschnell jubelnden Wissenschaftler.

Doch endgültig entschieden ist der Fall noch nicht. Vor allem auf einen Punkt weisen die Befürworter der Leben-auf-dem-Mars-Hypothese hin: Woher stammen die Magnetitkristalle in dem Meteoriten? Den Untersuchungen zufolge weisen sie sechs Merkmale auf, die an biogene Magnetiten in bestimmten Bakterienarten auf der Erde erinnern. Diese Mikroorganismen leben im Schlamm von Gewässern, wo der Sauerstoff sprunghaft knapp wird. Da sie sich auf Stoffwechselwege spezialisiert haben, die anfällig für zu hohe Sauerstoffkonzentrationen sind, benötigen sie Sensoren, um in der passenden Zone zu bleiben. Den Unterschied zwischen Oben und Unten könnten sie mit Hilfe der selbst gebildeten Magnetitkristalle feststellen, die in Magnetosom genannte Vesikel eingeschlossen sind und sich nach den Feldlinien des Erdmagneten ausrichten. Anders als abiotisch entstandene Magnetitkristalle sind die Exemplare in Bakterien von hoher Reinheit mit bestimmter kristalliner Anordnung mit wenigen Defekten, länglich geformt mit etwa gleichen Ausmaßen und liegen als kleine Ketten vor, wodurch die Stärke der Minimagneten ansteigt. Rund ein Viertel der Magnetite in ALH84001 sind nach der Analyse von Kathie Thomas-Keptra von der NASA diesen bakteriellen Vorbildern so ähnlich, dass es sich um Fossilien handeln muss.

In ihre Schätzung flossen fünf der sechs wichtigen Merkmale ein. Was fehlte, war die Anordnung der Kristalle. Bildeten sie Ketten oder Klümpchen? Weil die winzigen Einzelkristalle sich gegenseitig anziehen, ist die lineare Kette energetisch ungünstig. Bakterien schließen sie darum in die stabilisierenden Magnetosome ein. Wären auch die Magnetite im Meteoriten hintereinander aufgereiht, würde dies sehr für einen ordnenden Lebensprozess sprechen. Nur hatte bislang niemand die Anordnung der Kristalle in ihrer natürlichen Meteoriten-Umgebung untersucht.

Das hat nun ein Forscherteam um Benjamin Weiss vom California Institute of Technology nachgeholt. Die Geochemiker untersuchten Proben von wenigen Miligramm Masse, indem sie das Material auf einige Kelvin über den absoluten Temperaturnullpunkt abkühlten und es dann langsam wieder erwärmten. Bei bestimmten Temperaturen, deren genaue Werte von der Reinheit und Größe der Kristalle abhängen, machte das Magnetit einen Phasenübergang durch, bei dem es seine magnetischen Eigenschaften messbar änderte. Auch die Untersuchung der ferromagnetischen Resonanz, bei welcher die Probe in einem Magnetfeld mit Mikrowellen bestrahlt wurde, verriet so manches über die Struktur und Mineralogie des Magnetits im Meteoriten. Offenbar ist das Mineral tatsächlich besonders rein und liegt in ungewöhnlich kleinen Körnchen vor. Die besonders aussagekräftige Anordnung in Ketten nehmen jedoch weniger als zehn Prozent der Magnetite ein.

Weiss und seine Kollegen sind vorsichtig mit ihrer Interpretation. Die Ergebnisse sagen nicht aus, dass in dem Meteoriten nicht doch biogene Magnetite eingeschlossen sind, die dann eben mit der Zeit degeneriert sind. Allerdings sprechen die magnetischen Kristalle nicht mehr allzu deutlich für Lebensspuren auf dem Marsmeteoriten. Und damit wird die Basis für solche Spekulationen mal wieder ein Stückchen dünner.

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