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Energie der Zukunft - Zukunft der Energien: Nicht überflüssig

Schon heute kommt gut ein Fünftel des Stroms aus Wasserkraftwerken. Insbesondere in Entwicklungsländern besteht weiter großes Potenzial. Aber auch Industrienationen könnten dem kühlen Nass noch einiges an Energie entlocken.
Seaflow
Neben der Nutzung von Kraft und der Energie der Winde, bedient sich die Menschheit seit Urzeiten auch der Gewalt des Wassers. Doch klappern die Mühlen seit Einführung von Dampfmaschinen im vorigen Jahrhundert zumindest in den Industrienationen immer seltener am rauschenden Bach. Das könnte sich eventuell bald wieder ändern – obgleich die Ingenieure sicherlich ihr Bestes geben werden, dass an ihren Schwungrädern und Turbinen nichts mehr scheppert. Mit neuen Anlagen und Ideen wollen sie zugleich mehr aus dem Meer ziehen, zumal in den dicht besiedelten Gebieten des europäischen Binnenlands geeignete Standorte für weitere Generatoren an Flüssen und Bächen eher rar sind.

Weltweit liefern die Wasserkraftwerke an Stauseen und Sperrwerken gut ein Fünftel des jährlich Strombedarfs. Die Wasserkraft überflügelt damit die anderen regenerativen Energiequellen wie Sonne, Wind, Erdwärme und Biomasse bei weitem, die derzeit zusammen nur auf knapp über zwei Prozent kommen. Zudem schätzen Experten, dass das Potenzial der Wasserkraft noch gut fünfmal höher liegt.

Künstlich angelegte oder natürliche Fließgewässer könnten damit einen substanziellen Beitrag zur Lösung des Energiehungers der Welt beitragen. Gut zwei Drittel des Potenzials liegen in den Entwicklungs- und Schwellenländern – allen voran in Asien, sowie in Südamerika. Doch auch einige europäische Länder zeigen, dass sich dem Wasser viel Power entlocken lässt. So decken Norwegen und Island weit über 90 Prozent ihres Strombedarfs aus Wasserkraft. Die Alpenländer Österreich und die Schweiz kommen noch immerhin auf Werte zwischen 60 und 70 Prozent.

Flache Binnenländer sind da eher benachteiligt. So liefern die knapp 7000 Wasserkraftwerke an Stauseen und Sperrwerken in Deutschland mit einer Leistung von etwa 4 600 Megawatt jährlich nur gut vier Prozent des heimischen Strombedarfs. Dieser Wert ließe sich wohl noch um zwei, drei oder gar vier Prozentpunkte steigern. Doch müssten dazu bestehende Stauanlagen von Grund auf erneuert oder für verhältnismäßig viel Geld neue errichtet werden. Das bedeutet zugleich oft einen beträchtlichen Eingriff in die Natur, wenngleich später, zumindest beim Betrieb der Kraftwerke, keinerlei Belastungen der Umwelt durch die gefürchteten Treibhausgase ausgehen.

Die Wucht der Brandung

Um Landflächen zu schonen und dennoch diese saubere Energie ernten zu können, zieht es nun einige Pioniere der Ingenieurs- und Technikergilde hinaus aufs Meer. Dort wollen sie als mutige Unternehmer die Wellen und Strömungen der Wassermassen nutzen. Steckt in dem Auf und Ab der Wogen doch eine Menge potentieller Energie, was jeder nachvollziehen kann, der bereits einmal versucht hat, eine mit Wasser voll gefüllte Badewanne anzuheben. Immerhin wiegt ein Kubikmeter von diesem Nass eine Tonne!

Wellenkraftwerk Limpet | Wogendes Wasser schwappt von unten in eine nahezu geschlossene Kaverne und komprimiert oder entspannt abwechselnd die darin eingeschlossene Luft. Durch ein Luftloch kann das Gasgemisch nach außen entweichen und wieder einströmen. Dieser Atem gleiche Sog treibt sodann eine so genannte Wells-Turbine an, die über einen Generator Strom erzeugt.
Experten kalkulieren darüber hinaus, dass die Brandung beim Auftreffen auf eine Steilküste pro Meter durchschnittlich eine Leistung von bis zu 30 Kilowatt aufbringt. Diese Kraft wollen einige Entwickler nutzen, indem sie beispielsweise wogendes Meerwasser von unten in eine nach oben hin nahezu hermetisch geschlossene Kaverne schwappen lassen. Die kann sich beispielsweise in einer Kaimauer befinden. Rhythmisch zum Pegelstand komprimiert oder entspannt die Flüssigkeit dann die eingeschlossene Luft. Durch ein Luftloch kann das Gasgemisch nach außen entweichen und anschließend wieder einströmen. Dieser Atem gleiche Sog treibt sodann eine so genannte Wells-Turbine an, die so konstruiert ist, dass sie sich immer in die gleiche Richtung dreht. Über einen Generator erzeugt sie Strom. Das schottische Unternehmen Wavegen, eine Tochter von Voith Siemens Hydro Power Generations, betreibt auf der Insel Islay derzeit weltweit das einzige Wellenkraftwerk dieser Art. An den beteiligten Unternehmen – Siemens und Voith – lässt sich ablesen, dass diese Technik nicht nur etwas für "weltfremde Spinner" ist. Die Anlage speist heute bereits Strom ins Netz ein und versorgt so einige Haushalte mit Energie.

Wave Dragon | Der dänische Wave Dragon nutzt die Wucht der Brandung. Wellen laufen über eine Rampe in ein Bassin. Von dort aus treibt das Wasser eine Turbine an, wenn es – getrieben durch sein eigenes Gewicht – wieder dem Meer zufließt.
Eine andere Konstruktion, die auf die Wucht der Brandung setzt, ist der dänische Wave Dragon. Die Wellen der offenen See laufen hier über eine Rampe in ein Bassin. Von dort aus treibt das Wasser eine Turbine an, wenn es – getrieben durch sein eigenes Gewicht – wieder dem Meer zufließt.

"Windmühlen" unter Wasser

Ein ganz anderes, aber nicht weniger viel versprechendes Konzept, sieht vor, den Sog der Gezeiten oder kontinuierlicher Meeresströmungen zu nutzen. Das soll mit Rotoren geschehen, ähnlich denen von Windrädern. Die Blätter befinden sich jedoch unterhalb der Wasseroberfläche und lassen sich von dem vorbeistreichenden Nass in Drehungen versetzen.

Seaflow | Der Seaflow nutzt den Sog der Gezeiten sowie kontinuierlicher Meeresströmungen. Das geschieht mit Rotoren, ähnlich denen von Windrädern, nur dass sie sich unterhalb der Wasseroberfläche befinden.
Weil Wasser ein viel dichteres Medium ist als Luft, können die Rotoren bei gleicher Leistungsaufnahme wesentlich kleiner gebaut werden. Zugleich müssen sie aber auch stabiler sein. Der erste Prototyp einer Turbine dieser Art mit dem Namen Seaflow wurde im Jahr 2003 vor der britischen Atlantikküste südlich von Wales errichtet. Der Turm der Anlage ist knapp 50 Meter hoch. Damit ihn so schnell nichts umwirft, ist er etwa 15 Meter tief im Meeresboden einbetoniert.

Je nach Seegang ragt die Spitze der Anlage fünf bis zehn Meter aus der Wasseroberfläche hervor. Der zweiflüglige Rotor misst elf Meter im Durchmesser und dreht sich 15 Mal in der Minute. Seine Blätter sind um 180 Grad verstellbar, um sowohl bei Ebbe als auch bei Flut die Strömung nutzen zu können.

Zu Reparatur- und Wartungsarbeiten kann der Rotor samt Generator über die Wasseroberfläche gefahren werden. Der Prototyp bringt eine Leistung von 300 Kilowatt. Jochen Bard, Leiter Energiewandlungsverfahren am Institut für Solare Energieversorgungstechnik ISET, das das Seaflow-Projekt wissenschaftlich begleitet hat, kalkuliert die Kosten für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom mit Hilfe dieser Technik auf etwa fünf bis zehn 10 Euro-Cent. Das sei "nicht unschlagbar billig", meint Bard, "aber auch nicht so teuer, dass die Weiterentwicklung der Technik aussichtslos wäre." Auch wenn er das Potenzial deutscher Küstengewässer als eher gering erachtet, so bietet diese Technologie nach seiner Ansicht doch große Exportchancen für die deutsche Industrie, insbesondere für Firmen, die Komponenten für Windkraftanlagen liefern.

Wasserschlangen liefern Strom

Eine Idee, die Seinesgleichen auf dem staubigen Land sucht, ist der Pelamis. Der Name, der aus dem Griechischen stammt und ein Tier aus der Verwandschaft der Seeschlangen bezeichnet, verrät schon seine Gestalt: Er besteht aus einer Anzahl tonnenförmiger Zylinder, die durch Hydrauliken an den Stirnseiten miteinander verbunden sind. Sie schwimmen auf dem offenen Meer und werden von der Dünung gegeneinander verwrungen. Das Schaukeln bewegt Kolben zwischen den einzelnen Elementen, die Öl unter hohem Druck durch Generatoren pressen. Aus dieser mechanischen Arbeit wollen die Ingenieure der britischen Firma Ocean Power Delivery Limited aus Edinburgh Strom gewinnen, den sie über Kabel an Land transportieren.

Pelamis | Der Pelamis besteht aus einer Anzahl tonnenförmiger Zylinder, die durch Hydrauliken an den Stirnseiten miteinander verbunden sind. Sie schwimmen auf dem offenen Meer und werden von der Dünung gegeneinander verwrungen. Das Schaukeln bewegt Kolben, die Öl unter hohem Druck durch Generatoren pressen. Aus dieser mechanischen Arbeit kann Strom gewonnen werden.
Einen ersten Abnehmer für diese Technik haben die Briten bereits gefunden. Fünf Kilometer vor der portugiesischen Stadt Póvoa de Varzim, errichtet die Ocean Power Delivery Limited insgesamt 28 Pelamis-Machinen. Ab 2007 sollen sie bis zu 22,5 Megawatt an Energie liefern. Das reicht aus, um mehr als 15 000 Haushalte mit Strom zu versorgen und dabei über 60 000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen pro Jahr zu vermeiden.

Nach dem Grund gefragt, warum die Ocean Power Delivery Limited nicht zunächst eine Anlage im Vereinigten Königreich aufstellt, erklärt der Geschäftsführer Richard Yemm: "Die Portugiesen sind da schneller und haben zudem ein Einspeisungsgesetz geschaffen, das dem der Windindustrie in Dänemark und Deutschland gleicht, die heute eine 12-Milliarden-Euro-Industrie repräsentiert und weltweit 60 000 Arbeitsplätze sichert."

Pelamis | Die Illustration der Ocean Power Delivery zeigt, wie mehrere Pelamis-Geräte eine Wasserkraftfarm bilden können.
Kühne Entwickler wollen ein solches Prinzip bereits auf Schiffe übertragen, die so Strom für ihren eigenen Bedarf produzieren können, der bei Kühlschiffen gewaltige Ausmaße annehmen kann. Ganz abwegig scheint die Idee nicht zu sein, falls man sich daran erinnert, das nach einem ähnlichen Verfahren die Uhrenindustrie bereits Chronografen auf den Markt brachte, die keine Batterien benötigten und die man trotzdem nicht mehr aufziehen musste, weil sie die Energie für ihren Betrieb aus der Armbewegung bezogen. Ähnlich funktioniert auch der "wippende Rucksack" von Lawrence Rome von der Universität von Pennsylvania, der beim Wandern Elektrizität erzeugt und über den spektrumdirekt vor gut einem Jahr berichtet hat.

Konzentration auf Unterschiede

Eine Konstruktion, die fast gänzlich auf die Umwandlung mechanischer Energie in Strom verzichtet ist das Osmosekraftwerk. Trennt man zwei mit Süß- respektive Salzwasser gefüllte Behälter durch eine halbdurchlässige Membran, die zwar für die Flüssigkeit durchlässig ist, das darin gelöste Salz aber zurückhält, dann strömt – im Bestreben, den Konzentrationsunterschied auszugleichen – mehr Wasser in das Salzwasserbecken als anders herum. Durch diesen Osmose genannten Prozess baut sich zwischen beiden Bassins ein Druckgefälle auf, das bis zu 27 bar betragen kann. Das entspricht in etwa dem Druck eines 270 Meter hohen Wasserfalls. Damit lässt sich eine Turbine antreiben wie Forscher des Forschungszentrums GKSS in Geesthacht bei Hamburg in dem europäischen Projekt Salinity Power zeigen konnten. Im Rahmen dieser Arbeiten gelang es den Wissenschaftlern, Stromleistungen von etwa zwei Watt pro Quadratmeter zu erzielen. Sie schätzen, dass eine Anlage ab fünf Watt pro Quadratmeter wirtschaftlich arbeitet. Die Effizienz steht und fällt mit der Qualität der Membran. Sie sollte möglichst viel Süßwasser durchlassen und gleichzeitig eine Sperre für das Salz darstellen.

Für ein Megawatt benötigt ein gutes Osmosekraftwerk einige Hunderttausend Quadratmeter Membran. Die könnten aufgewickelt als Hohlfasern kompakt in Röhren untergebracht werden. Ein Prototyp eines solchen Kraftwerks wird derzeit im Hafen von Trondheim erprobt. Es ist so groß wie eine Sportanlage. In etwa zehn Jahren, so schätzen die Experten der GKSS, könnten Osmosekraftwerke mit anderen erneuerbaren Energiequellen konkurrieren und in Europa bis zu 200 Millionen Megawattstunden pro Jahr an Elektrizität erzeugen.

Da das Osmosekraftwerk im Prinzip aber einer rückwärts laufenden Meerwasserentsalzungsanlage ähnelt – und somit als eine Süßwasservernichtungsanlage bezeichnet werden kann –, dürfte es wohl kaum in Ländern eingesetzt werden, die sowieso an Frischwassermangel leiden. Für wasserreiche Gegenden könnte es dagegen eine Alternative darstellen.

Alle dargestellten Konzepte stecken noch mehr oder weniger in den Kinderschuhen. Sie müssen ihre Praxistauglichkeit erst noch beweisen. Glaubt man einigen der Pioniere auf diesen Gebieten, kann die Nutzung von Energie mit und aus dem Wasser aber einen deutlichen Beitrag zur Energieversorgung beitragen. Sie ist zumindest sauber, bläst also – mit Ausnahme der Bau- und Wartungsarbeiten – keinerlei Treibhausgase in die Atmosphäre und gehört somit zu den regenerativen Energiequellen, zumal die Sonne den Kreislauf des Wassers immer wieder aufs Neue in Gang hält. Wasserkraft ist somit eine Form der indirekten Nutzung der Sonnenenergie und damit reichlich vorhanden.

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