Nickerchen: Ohne Schlaf zur besseren Leistung

Ein Nickerchen verbessert unsere Gedächtnisleistung, unsere Lernfähigkeit und die Wahrnehmung. Doch was wäre, wenn wir all diese Vorteile genießen könnten, ohne tatsächlich geschlafen zu haben?
Eine Studie an Primaten legt nahe, dass dies möglich ist. Zunächst zeigte das Forschungsteam, dass ein kurzes Nickerchen (ohne REM-Schlaf) die Leistung von Makaken bei einer Aufgabe zur visuellen Wahrnehmung verbesserte. Diese Verbesserung konnten die Wissenschaftler auch dann hervorrufen, wenn sie das Gehirn von wachen Affen elektrisch so stimulierten, dass die Hirnaktivität jener während des Schlafs ähnelte – auf diese Weise lösten sie eine Art »künstliches Nickerchen« aus. Sollte dieses Verfahren auch beim Menschen funktionieren, könnte es eines Tages helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern und Schlafstörungen zu behandeln.
Das Team trainierte fünf Affen darauf, die Orientierung eines Bildes zu erkennen, und testete die Leistung der Tiere zweimal. In einer 30-minütigen Pause zwischen den Tests hielten die Affen entweder ein kurzes Nickerchen oder ruhten sich nur aus. Die Affen, die schliefen, schnitten beim zweiten Test deutlich besser ab. Die Forschenden zeichneten die Hirnaktivität in drei Hirnregionen auf: in zwei Arealen, die für die visuelle Wahrnehmung wichtig sind, und in einem Areal, das mit der Entscheidungsfindung zusammenhängt. Bei den Affen, die zwischen den Tests schliefen, war die Aktivität beim zweiten Durchlauf seltsamerweise weniger synchronisiert als beim ersten Mal.
»Schlaf ist ein Phänomen, bei dem sich die neuronale Aktivität synchronisiert, aber der Grad der Synchronität war in unserem Versuch nach dem Schlaf geringer als davor«, sagt der Hauptautor der Studie, Valentin Dragoi, ein Neurowissenschaftler an der Rice University in Houston, Texas. »Das ist überraschend.« Das Ausmaß dieses »desynchronisierenden« Effekts korrelierte jedoch mit der Leistungssteigerung – das bedeutet, dass Neurone, die eher unabhängig voneinander feuern, für diese Verbesserung verantwortlich sein könnten.
Es ist bekannt, dass niederfrequente Delta-Gehirnwellen daran beteiligt sind, die Gedächtnisleistung aufrechtzuerhalten. Diese Wellen dominierten die Hirnaktivität der Affen beim Schlafen, und das Team fragte sich, ob diese Wellen hinter der Leistungssteigerung stecken könnten. Um das zu prüfen, führten die Forschenden das Experiment erneut durch – doch statt die Affen schlafen zu lassen, stimulierten sie eines der Areale, das an der visuellen Wahrnehmung beteiligt ist, mit einem niederfrequenten elektrischen Signal, das die Deltawellen nachahmte. Auch diese Stimulation führte sowohl zu einer geringeren neuronalen Synchronität als auch zu einer besseren Leistung.
Laut diesen Ergebnissen deuten könnte die Hirnstimulation einige der Vorteile von Nickerchen nachahmen – sogar ohne Schlaf. Möglicherweise sei der Effekt des künstlichen Nickerchens auch auf den Menschen übertragbar, sagt Sara Mednick, Neurowissenschaftlerin an der University of California, Irvine. Es gebe bereits Hinweise darauf, dass eine elektrische Stimulation während des Schlafs das menschliche Gedächtnis unterstützt. »Diese Arbeit zeigt, dass eine Stimulation (im Wachzustand) mit der Deltafrequenz die Vorteile des Schlafs nachahmen kann«, sagt Mednick.
Die Forschenden verwendeten für die Stimulation Elektroden, die im Gehirn der Affen platziert wurden. Laut Dragoi sollen in naher Zukunft aber nicht invasive Techniken bei Menschen mit Schlafstörungen getestet werden.

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