Ninetyeast Ridge: Eines der längsten Gebirge liegt tief unter dem Meer
Knapp südwestlich der Andamanen-Inseln beginnt ein Gebirgszug, der sich rund 5000 Kilometer von Nord nach Süd durch den Indischen Ozean zieht. Der Ninetyeast Ridge ist damit länger als die Rocky Mountains. Nur wenige Menschen kennen ihn: Er liegt vollständig in der Tiefsee. Wie sich die Bergkette bildete, stellte die Geowissenschaft lange vor ein Rätsel, doch ein Team um Qiang Jiang von der China University of Petroleum in Peking legt in »Nature Communications« eine neue Erklärung für das Phänomen vor: Eine seltene Form des so genannten Hotspot-Vulkanismus könnte diese lange Aneinanderreihung von Vulkanen geschaffen haben.
Der Meeresgrund ist übersät mit Tiefseebergen und aktiven Vulkanen, die durch Hotspots entstanden sind. Hier ist die Erdkruste ausgedünnt und durchbrochen, weil heiße Gesteinsschmelze aus dem Mantel aufsteigt und als Lava austritt. Diese Mantelplumes – große Magmablasen – finden sich in allen Weltmeeren und bildeten beispielsweise auch die Hawaii-Inseln. Allerdings galten diese Mantelplumes lange als statisch: Vulkanische Inselketten sollten sich demnach bilden, wenn sich die Erdplatten über diese Hotspots bewegen und das Magma sich immer wieder neu durch die Kruste fräst.
Der Ninetyeast Ridge hat sich anscheinend anders entwickelt. In diesem Fall sollte man sich den Hotspot besser als eine Art Füllfederhalter vorstellen, dessen bewegliche »Spitze« Lava auf der Erdoberfläche ablagert, während sie sich in einer Linie bewegt. Der Mantelplume hat sich mindestens um mehrere hundert Kilometer verlagert, während er den Gebirgsrücken entstehen ließ. Dies sei aber schwer nachzuweisen und wurde bislang nur im Pazifischen Ozean belegt, während der Ninetyeast Ridge der erste Fall eines wandernden Hotspots im Indischen Ozean sei, schreiben die Wissenschaftler.
Verantwortlich für den Vulkanismus ist der Kerguelen-Hotspot, eine riesige Magmablase, die heute mehrere tausend Kilometer weiter südwestlich des Ninetyeast Ridge unter dem Südpolarmeer sitzt. Lange hatten Fachleute schon vermutet, dass diese Struktur sich durch den Erdmantel bewegt, allerdings reichten die Belege dafür nicht aus. Jiang und Co hatten deshalb Proben der Gebirgsgesteine aus der Tiefsee geborgen, um weitere Hinweise darauf zu finden.
Der Kerguelen-Mantelplume entstand, als sich die Indische Platte auf den Weg nach Norden machte und der Indische Ozean sich öffnete. Wäre der Hotspot während dieses Driftens unterhalb der Platte standorttreu geblieben, hätte sich der Rücken mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Verbreiterung des Meeresbodens nach Norden bewegt. Doch das war nicht der Fall.
Wie Datierungen auf Basis von Radioisotopen nahelegen, bildeten sich die Berge der Kette in einem Zeitraum zwischen 83 und 66 Millionen Jahren vor heute nur halb so schnell, wie sich der Meeresboden damals ausgebreitet hat. Die Folgerung der Arbeitsgruppe: Der Plume war nicht stationär, sondern ebenfalls mobil. Am wahrscheinlichsten sei, dass der Mantelplume von dem sich ebenfalls nach Norden ausdehnenden Indisch-Antarktischen Rücken erfasst wurde und das Material des Plumes kontinuierlich in dessen Richtung strömte und dort austrat.
Vor rund 66 Millionen Jahren riss diese Verbindung ab, nachdem der Rücken schließlich zu weit wegzudriften begann. Später wurde die Magmablase aber zeitweilig erneut angezapft, nun jedoch von einem westlich davon gelegenen Rücken. Bis vor etwa 42 Millionen Jahren hatte der Hotspot schließlich eine von Nord nach Süd laufende Bergkette erzeugt, die heute den Indischen Ozean in Ost und West trennt.
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